Die Not der Armenier
Krieg im Vorderen Orient, und wieder ziehen die Armenier den Kürzeren. Oder was war da los in Bergkarabach?
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
08.12.2020

Der Krieg um die armenische Enklave Bergkarabach rief bei uns in Deutschland alte Reflexe wach. Die Armenier sind das älteste christliche Volk der Welt. Im ausgehenden Osmanischen Reich fielen Anfang des letzten Jahrhunderts Hunderttausende von ihnen einem Völkermord zum Opfer. Nun standen sie wieder unter Beschuss. Aserbaidschanische Truppen griffen Bergkarabach an. Die Türkei, die bis heute vehement den Völkermord leugnet, half ihnen.

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Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

Anfang November musste sich der armenische Reformpremier Nikol Paschinjan dem korrupten aserbaidschanischen Diktator Ilham Aliyev geschlagen geben und einen russisch vermittelten Waffenstillstand unterzeichnen. Und wir sahen Bilder von Armeniern, die ihre Klöster ein letztes Mal besuchen, ihre Habe auf Ladeflächen stapeln und ihre Häuser anzünden, um sie nicht dem Feind zu überlassen. Armenische Christen, von Muslimen umgeben, auf der Flucht. Die Bilder erinnerten an den schweren Stand der Christen im ganzen Nahen Osten.

So kann man die Geschichte vom Krieg um Bergkarabach erzählen. Aber auch anders: Bergkarabach ist eine armenische Enklave auf aserbaidschanischem Territorium. 1992 wollten die dort lebenden Armenier die Kontrolle über die Verkehrsverbindungen zum Mutterland und vertrieben die Aserbaidschaner aus den Nachbargemeinden. Die Enklave erklärte sich zum unabhängigen Staat, den aber kein anderes Land der Welt anerkannte. Aserbaidschan forderte die besetzten Gebiete zurück, vergeblich. Stattdessen siedelte Armenien dort Zuwanderer aus Syrien und dem Libanon an. Zudem versperrte Armenien jahrzehntelang die Transitstrecke zwischen der Türkei und Aserbaidschan – auch aus Animosität gegen die türkischen Völkermordleugner und weil es bis heute Gebiete in der Osttürkei beansprucht. Aserbaidschan war erzürnt, die Türkei auch. Beide reagierten nun mit brutaler Gewalt. Fast 6000 Menschen wurden getötet, über 100.000 sind auf der Flucht.

Die aserbaidschanisch-türkische Aggression war ein Verbrechen. Armenien musste bittere Zugeständnisse machen. Aus dem Drama darf man folgende politische Lehre ziehen: Regele Streit großmütig, solange du stark bist - auch mit feindlichen Nachbarn. Armenien hat es versäumt. Und zahlt nun die bittere Rechnung dafür.

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