Michael Ondruch
Der Nachfahre Davids
Ein Junge wird geboren, bei armen Leuten, das fällt doch gar nicht weiter auf. Aber Herodes, der Herrscher, ist hoch alarmiert
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
11.11.2014

Bescheidener kann man sich die Geburt eines Kindes im antiken Palästina kaum vorstellen. Eine arme Handwerkerfamilie wird auf ihrer Wanderung durchs Land von den Wehen der Mutter überrascht und bezieht eine Notunterkunft in Bethlehem in einer Höhle, die sonst von Schafhirten und ihren Tieren benutzt wird. Die Geburt geht gut, aber etwas ist anders als bei all den anderen Säuglingen: Auf diesem einen lasten, so erzählt es die Bibel, bereits vor der Geburt unermessliche Hoffnungen, aber es richtet sich auch böser Argwohn gegen ihn.

Im Nachhinein erscheinen die Erzählungen der Bibel alle so plausibel: Schon Micha, ein Prophet des achten Jahrhunderts, hatte angekündigt, dass aus Bethlehem jener Fürst kommen werde, der das „Volk Israel weiden soll“. Dieser Satz wird der Weihnachtsgeschichte des Matthäus zufolge Jahrhunderte später wahr.

Auch im Lukas-Evangelium ist beschrieben, um wen es sich bei diesem Kind, Jesus, handelt: „Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“ Das hatte ein Engel der schwan­geren Mutter Maria mitgeteilt. Die gibt die Botschaft stolz weiter: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“

Vor dem Baby wohl nicht - aber vor einem Konkurrenten um die Macht - den angeblich zukünftigen König. Pastor Henning Kiene vom Kirchenamt der EKD über eine historisch umstrittene Persönlichkeit und sein Verhältnis zu Jesus

Was sich hier literarisch so schön ineinanderfügt, hat einen ernsten historischen Hintergrund. Herodes, Klientelkönig von Roms Gnaden und Jude, musste sich in vielen Machtkämpfen behaupten. Die Bevölkerung war in römischer Zeit gleichsam in einem permanenten emotionalen Ausnahmezustand. Die Besatzungsmacht ­achtete argwöhnisch auf jede Gruppierung, die Unruhe erzeugen könnte, und unter­drückte jede Auflehnung.

Die Erwartung eines Messias, eines zugleich religiösen und politischen Führers, ist eine der ganz großen Hoffnungen des jüdischen Volkes: So friedlich und sicher wie zu Zeiten von König David (um 1000 vor Christus) soll es auch in Zukunft wieder sein. Doch seit Ende des Babylonischen Exils (um 538 vor Christus) saß kein ­Nachfahre aus dem Haus David mehr auf dem Thron. Jüdische Theologen sondierten unaufhaltsam, ob es Anzeichen für einen ­neuen Messias aus der Linie des David gebe.

Herodes war kein kopfloser Despot. Was er tat, hatte er gründlich durchdacht. Zwar scheute er sich nicht, einige seiner Söhne und Ehefrauen umzubringen, wenn sie ihm politisch gefährlich wurden. So ließ er zwei Söhne, die im Jahr 7 vor Christus eine Verschwörung angezettelt hatten, erwürgen, 300 Komplizen wurden gleich mit umgebracht. Doch eine unmittelbare Gefahr des Umsturzes bestand nicht. Als Nachfolger des Herodes standen zudem drei weitere Söhne zur Verfügung, die später dann auch die Herrschaft von ihm übernahmen.

###autor###Wie groß waren da die Chancen für ­ ein Kind aus einer ärmlichen jüdischen Familie, Herodes aus seinem Amt zu drängen?  Rein machtpolitisch waren sie natürlich  gering. Aber wenn sich die Hoffnungen aller Juden auf diesen Menschen richteten, dann konnten die Folgen langfristig un­übersehbar sein.

Die Bibel erzählt, wie Herodes drei Seher, volkstümlich die „drei Könige“ genannt, nach dem Aufenthaltsort des Kindes Jesus befragte. Doch die weisen Männer ahnten die dunklen Absichten des Herrschers und machten sich davon, ohne ihn zu informieren. Sie hatten recht mit ihrer Vorsicht: Herodes, so heißt es weiter, soll wenig später den Befehl gegeben haben, alle Jungen im Alter bis zu zwei Jahren aus Bethlehem umzubringen. 

Es ist zweifelhaft, ob es den Kindermord von Bethlehem tatsächlich gegeben hat – aber es ist eine berührende Erwählungs- und Rettungsgeschichte. Sie unterstreicht die Bedeutung eines Menschen, der später viel bewegen sollte und der ganz sicher ­für Unruhe sorgte. Vor allem aber zeichnet sie das Bild einer umfassenden Hoffnung der unterdrückten Juden auf Freiheit und Gerechtigkeit.

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" Herodes war ein kopfloser Despot. Was er tat, hat er gründlich durchdacht. " Ebenso `gründlich durchdacht`scheint mir hier die geschichtlich dargebrachte Interpretation der Herodes Geschichte. Was., zum Teufel, führt der Autor im Schilde, wenn er hier schreibt, was er schreibt ? ! ---------------------------------------------------------
"Es ist zweifelhaft, ob es den Kindermord von Bethlehem tatsächlich gegeben hat. " Wenn es ihn nie in der Realität gegeben hat, so frage ich mich, wie konnte die Idee der "Erwählungs - und Rettunsgeschichte " je aufkommen ? !!! Die Bedeutung eines Menschen, der " später viel bewegen sollte " , wird doch nur auf dem Hintergrund eines realen Geschehens sichtbar, wie anders sonst ? ---------------------------

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