Michael Ondruch
Engel in der Bibel
Sie hängen über Babybetten und an Christbäumen. Fragt sich nur, welche Rolle Gott spielt – und welche die geflügelten Himmelswesen
Gabriele MeisterLisa Strieder
13.11.2013

Als Joyce Benedict in eine stockdunkle, menschenleere Landstraße einbiegt, fallen die Lichter ihres Autos aus. Ihr Herz rast, gerade noch kann sie den Wagen zum Stehen bringen. Benommen vor Schreck bleibt sie im Auto sitzen, als plötzlich jemand an ihre Scheibe klopft. „Ich kann ihr Licht reparieren“, sagt ein junger Mann. „Sie müssen nur die Motorhaube aufmachen.“ Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, tut Joyce, was der Mann sagt, kaum später brennt das Licht wieder. Der Mann ist verschwunden.

Diese Situation soll sich im US-Staat New York ereignet haben, so erzählt es Doreen Virtue in ihrem Buch „Wie Schutzengel helfen“. „Joyce war in einer ge­fähr­lichen Situation“, schreibt Virtue. „Sie brauchte eine göttliche Intervention. Deshalb nahm ein Engel menschliche Gestalt an.“


Man kann diese Geschichte als Wunder verstehen, als Märchen oder als „amerikanischen Quatsch“. Aber auch hierzulande erzählen Menschen von Engelsbegegnungen, allein Doreen Virtues Bücher und Kartensets haben sich auf dem deutschsprachigen Markt 1,5 Millionen Mal verkauft. Den ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber bewog das einmal zu der Klage: „Es glauben mehr Menschen an Engel als an Gott.“ Sind Engel also nur etwas für Esoteriker? Stehen sie in Konkurrenz zum Christentum?

Gott direkt ansprechen - das macht vielen Angst. Und daher sprechen wir gerne mit Engeln, sagt Henning Kiene vom Kirchenamt der EKD zur Dezemberfrage Religion für Einsteiger auf chrismon.de

In der Bibel kommen Engel an ziemlich vielen Stellen vor. Als mächtige Gestalten besuchen sie Menschen. Die erschrecken oft so sehr, dass Engel ihre Botschaft regelmäßig mit „Fürchte dich nicht!“ beginnen – so wie der Erzengel Gabriel, der Maria Jesu Geburt ankündigt. Andere Engel loben Gott, zum Beispiel die „Menge der himmlischen Heerscharen“, die den Hirten auf dem Feld erscheint. Wieder andere retten Leben: Ein Engel befiehlt Josef, mit Maria und Jesus nach Ägypten zu fliehen. König Herodes wolle Jesus umbringen. Gesagt, getan – eine Rettung in letzter Minute.

Engel haben in der Bibel also viele verschiedene Funktionen. Trotzdem heißen sie im Originaltext oft nur „Bote“, auch ihr Aussehen scheint unwichtig. Über den ­Engel bei den Hirten schreibt Lukas nur: „Der Engel des Herrn trat zu ihnen.“ Dass Engel gewaltig erscheinen, lässt sich oft nur aus dem Schreck der Betrachter schließen.

Ob nun Engel, die retten, Botschaften überbringen oder Gott loben: Sie treten in der Bibel immer dann auf, wenn sich ein einschneidendes Ereignis abzeichnet, zum Beispiel Jesu Geburt. Und: Sie verweisen mit ihrem Auftritt immer auf Gott. Er ist es, der die Engel schickt. Sie sind nie selbst Objekt der Anbetung. Deutlich machen das Engelsnamen wie „Gabriel – Kraft Gottes“ und „Raphael – Gott hat geheilt“.

Bleibt die Frage, warum so viele Menschen Engel über Babybettchen und an Auto-Rückspiegel hängen. Glauben sie, dass Gott seine Boten schickt? Oder dass man Engel selbst anbeten und um Hilfe bitten kann? Ehrliche Antworten wird man darauf kaum bekommen, denn so gut sich Engelbücher verkaufen, so intim und schambesetzt ist für viele das, was sie insgeheim wirklich glauben.

Solche gesellschaftlichen Entwick­lun­gen, die nicht klar beleg-, aber doch wahrnehmbar sind, schüren die Angst man­cher Theologen vor Strömungen, die das Chris­tentum aushöhlen könnten. Schon die Reformatoren unterstrichen: Beten dürfe man allein zu Christus. Gott zu bitten, seine Engel zu schicken, hielten sie aber für erlaubt. Denn diese Engel standen ganz klar im Dienste Gottes.

Aufklärer versuchten die Engel endgültig aus den Köpfen zu verbannen, indem sie alles Übernatürliche infrage stellten. Es gelang ihnen nicht – wahrscheinlich, weil sich in Engeln bis heute die urmenschliche Sehnsucht entfaltet, im Alltag konkrete Hilfe zu erfahren.

Die große Beliebtheit der Engel – eine Bedrohung für das Christentum? Nein! Denn Engel verweisen immer auch darauf, wie der ferne, in seinem Handeln oft so schwer zu begreifende Gott Menschen nahekommt, so nahe wie der Mann, der Joyces Licht reparierte und über den sie sagt: „Das war ein Engel!“

Permalink

Wenn Gott Engel schickt (Gott schickt uns nie etwas anderes), dann sollte doch dringend die Frage beantwortet werden, weshalb Gott (offensichtlich/vermeintlich) in manchen Momenten KEINEN ENGEL schickt/geschickt hat, niemand rettend (oder den/die "Falsche/n" rettet) eingreift. Ohne diese Antwort ist jede Diskussion über Engel nur dünne Suppe. Oder - ein böser Verdacht - ein absichtlich Gott heimlich diskreditierendes Gerede, weil Gott nicht als gerecht erscheint, sondern Seine/Ihre Liebe als nur BEDINGT erzählt wird (Gott wäre launisch in Seiner/Ihrer Gunstvergabe oder die Abgestellten nicht immer ausreichend kompetent) - Religion für Einsteiger, übernehmen Sie.

Permalink

Hikaru Sulu schrieb am 1. Januar 2014 um 12:32: "Wenn Gott Engel schickt (Gott schickt uns nie etwas anderes)". Das wäre mir neu, dass Gott sein Versandgeschäft dermaßen spezialisiert hätte. Die Gotteskundigen erzählen doch gerne was von einer Sintflut, Hagelstürmen, Heuschreckenplagen, überraschend gefüllten Fischernetzen usw. Gegenüber Gottes Angebotspalette schaut das, was man bei einem großen, ins Gerede gekommenen Internetversender, in den Warenkorb legen kann, geradezu matt aus. ______________________ Zitat: "dann sollte doch dringend die Frage beantwortet werden, weshalb Gott (offensichtlich/vermeintlich) in manchen Momenten KEINEN ENGEL schickt/geschickt hat, niemand rettend (oder den/die "Falsche/n" rettet) eingreift." Diese naheliegende Frage hat die Autorin doch ganz klassisch beantwortet: "....wie der ferne, in seinem Handeln oft so schwer zu begreifende Gott...." Der Engelversender ist sehr trickreich und die Engelsempfänger sind einfach zu dämlich und beschränkt. Wer das nicht glaubt, zu dem kommt weder Gott noch ein Engel. Zur Strafe muss so ein Typ sich selber um die Beleuchtungsanlage seines KFZ kümmern. Wobei die Marktwirtschaft dafür gesorgt hat, dass das frühere, relativ einfache Auswechseln der Glühbirne nicht mehr geht, sondern ein Werkstattbesuch fällig wird. Gott schickt eben nicht nur Engel, sondern auch die beste aller Welten.

Permalink

Es war ein Auto-Mechaniker, der sowieso Auto-Birnen, immer bei sich führt. Er war in Eile. Darum sein plötzlicher Aufbruch und da es sich um eine Frau handelte, die er half, verzichtete er auf die Bezahlung der Reparatur. Vielleicht war es auch nur eine "Sicherung" die er auswechselte, weil er ja davon "Ahnung" hatte den Rest kann man sich selbst zurechtlegen. - Gottes Fügung? - kann schon sein, wenn sie sehr Gottgläubig ist!!! Ich habe auch schon seltsame Wege - zum Erfolg - einer missligen Lage gehabt, weil ich Gott um Hilfe gebeten hatte... aber "Wunder" und "Engel" waren nie ausschlaggebend...

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das LKW aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.