Dass hier nichts mehr an Strom ankommen könnte, macht vielen Menschen Angst
Nils Husmann
Was tun bei Dunkelflaute?
Kein Wind, keine Sonne: Damit macht man Menschen Angst vor der Energiewende. Doch es gibt Lösungen und gute Ideen
Tim Wegner
13.11.2023

Diese Kolumne sollten Sie lesen, wenn Sie

  • das Science Media Center noch nicht kennen und
  • Sie wissen möchten, was Sie erwidern können, sollte jemand sagen: "Aber was ist bei Dunkelflaute?"

Wer die Klimakrise bekämpfen will, redet über Neuland und über Dinge, die wir noch nicht kennen, unter denen wir uns auch noch nichts vorstellen und die uns deshalb sogar Angst machen können. Neues hat es oft schwer, hat das Alte doch funktioniert - wenn auch mit der Folge, dass wir das Klima dramatisch erwärmt haben, indem die Menschheit massenhaft fossile Brennstoffe verbrannt hat und immer noch verbrennt.

Die Art, wie wir Energie und Strom erzeugen, ist dafür das beste Beispiel. Wohl die wenigsten Menschen können sich dafür begeistern, wie ein Stromnetz ausgelegt sein muss, damit es uns verlässlich versorgt. Aber alle Menschen ahnen zumindest, wie verheerend es wäre, wenn das System in die Knie ginge. Ohne Energie geht nichts. Dieser Gedanke kann Innovationen verhindern, weil immer der Zweifel im Raum steht: Was ist, wenn das Neue nicht funktioniert? Dann bleiben wir doch lieber beim Alten!

Diese Angst machen sich die Beharrungskräfte, die mit Kohle, Öl (und den daraus raffinierten Treibstoffen Diesel und Benzin) sowie Gas ihr Geld verdienen, zu eigen. Kernargument: Wir haben etwas, das seit Erfindung der Dampfmaschine funktioniert, Veränderung ist viel zu riskant. Konkret hat das Argument einen Namen: Dunkelflaute (siehe hier D wie Dunkelflaute)

Das Argument sollte man nicht einfach abtun. Es gibt Tage, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Und dann ist eine Stromversorgung mit Erneuerbaren nicht ohne weiteres möglich. Oft passiert es nicht; wir reden von Stunden, höchstens Tagen, aber weder von Wochen noch von Monaten. Doch wenn es passiert, müssen Speicher und Reservekraftwerke in die Bresche springen. Das ist neu. Kohle- und Atomkraftwerke produzier(t)en träge vor sich hin. Nachts liefer(t)en sie genau so viel Strom wie tagsüber.

Erneuerbare, vor allem Windenergie und Photovoltaik, sind in ihrer Leistung schwankend, volatil. Das ist nicht trivial, sondern eine echte Herausforderung, die wir bewältigen müssen, wenn die Emissionen sinken sollen. Aber es ist eben auch ein Einfallstor für hinterlistige Verzögerungsstrategien.

Was hilft dagegen? Informationen! Und an dieser Stelle möchte ich Werbung machen für das Science Media Center, das Journalistinnen und Journalisten (und nur solchen, man muss sich akkreditieren!) in Pressebriefings mit Expertinnen und Experten zusammenbringt. Diese Briefings stellt das Science Media Center allen Interessierten auf YouTube zur Verfügung. Ich kann nur empfehlen, hier einmal in Ruhe nach interessanten Themen zu stöbern.

Ich habe mir so eine Videokonferenz dieser Tage angesehen, Titel: „Kraftwerksstrategie: flexiblere Verbraucher oder mehr Kraftwerke – was hilft bei Dunkelflauten?“

Denn: Die Zeit drängt, bis 2030 – das sind kaum mehr als sechs Jahre! – sollen 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren kommen. Heute ist es, übers Jahr gemittelt, schon etwa die Hälfte. Aber der Sprung von 50 auf 80 Prozent hat es in sich.

Zu Gast waren Patrick Jochem, Prof. Christian Rehtanz, der am Netzentwicklungsplan mitarbeitet, und Prof. Andreas Löschel. Wer ihnen zuhört, lernt: Wir müssen schnell Antworten auf die Frage finden, was bei Stromlücken zu tun ist. Aber klar wird auch: Es ist machbar. Erst recht in Zeiten der Digitalisierung.

Um es konkret zu machen: Wenn es bald mehr Elektroautos gibt, alle E-Fahrerinnen um 17 Uhr Feierabend machen und um 18 Uhr ihr Auto laden wollen, hat es jedes Stromnetz schwer. Das kann man sich vorstellen. Aber die drei Experten sind sich einig: Es wird Aggregatoren geben, also Unternehmen, die gegen Gebühr helfen, dass die E-Fahrerin ihr Auto auflädt, wenn der Strom besonders günstig ist. Nachts zum Beispiel, wenn der Wind weht, aber wenig Strom verbraucht wird, weil die meisten Menschen schlafen.

Andere Verbraucher dagegen sind träge. Eine Studentin von Professor Rehtanz hat das mal am Beispiel eines Zementwerkes untersucht. Ergebnis: Die Abläufe in so einem Werk sind durchorchestriert, es geht nichts an Flexibilität. Andere Wirtschaftszweige bieten dagegen Potentiale. Kühlhäuser zum Beispiel können in Zeiten mit viel Strom (ein heller Sonnentag im Juni zum Beispiel) prophylaktisch runterkühlen. Bei wenig Strom kann das Kühlhaus für kurze Zeit vom Netz – kühl genug bleibt es trotzdem, man hatte ja Kälte „gespeichert“.

Und noch ein Beispiel aus der Runde: Wenn eines Tages zehn Millionen Elektroautos unterwegs sind, haben diese Autos mit den heutigen Verbrennern eines gemeinsam – meistens stehen sie herum. Was wäre, wenn man über 20 Kilowatt an Leistung aus jeder ihrer Batterien verfügen könnte, um kurzfristig benötigten Strom für eine Stunde ins Netz zu speisen? Dann hätte man einen Speicher, der eine Stunde lang 200 Gigawattstunden Strom liefern kann – das ist das fünffache dessen, was heute die Pumpspeicherkraftwerke leisten können! (Das sind Kraftwerke, die Wasser bei Stromüberfluss den Berg hochpumpen und es bei Flaute herablassen, wodurch Generatoren Strom erzeugen.)

Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Den einen Königsweg wird es wohl nicht geben, eher viele kleine Schritte, die man kombinieren muss. Ja, davor muss man Respekt haben, besonders, weil die Politik so lange geschlafen hat.

Aber Angst? Ich finde, dafür ist das alles viel zu interessant!

 

 

 

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