Sexualisierter Übergriff: chrismon-Leserin Helga Majer-Trendel erinnert sich
Sexualisierter Übergriff: chrismon-Leserin Helga Majer-Trendel erinnert sich
Getty Images
Sexualisierte Gewalt
Da krabbelte eine raue Hand meine Kinderbeine entlang
chrismon-Leserin Helga Majer-Trendel war Anfang der 30er Jahre ein kleines Mädchen. Und doch ist ihr dieser Sommertag in Erinnerung geblieben - aber nicht wegen des Zeppelins, um den sich damals alles drehte
25.04.2024
2Min

Es muss Sommer gewesen sein:
Ich habe meine neuen bunten Ringelsocken an und rote Spangenschuhe
Es muss Samstag gewesen sein:
das ganze Haus duftet nach frischem Hefekuchen
Es muss das Jahr 1933 oder vielleicht auch 34 gewesen sein
Es muss eine allgemeine Aufregung gewesen sein:
ER wurde erwartet, der Zeppelin, die fliegende Zigarre

Helga Majer-Trendel

Helga Majer-Trendel, Jahrgang 1929, ist Rentnerin und lebt in München. Früher hatte sie 25 Jahre lang als Buch- und Grafik-Restauratorin eine eigene Werkstatt betrieben und später auch ein Kochbuch herausgebracht. Ihr Mann starb im April 2018.

Es muss sich herumgesprochen haben:
Einfach so von Mund zu Mund, von Haus zu Haus.
Fernsehen oder Internet gab es ja noch nicht, und kaum
einer hatte ein Telefon oder eine Zeitung abonniert oder ein Radio

"Der Zeppelin kommt" jeder will ihn sehen, nicht nur auf dem Zigarettenbildchen, er soll riesig sein und ganz und gar silbrig, wann und wo, von welcher Seite wird er kommen? Wie hoch wird er fliegen, wie schnell wird er fliegen? Über den Wald? Über die Felder?

Die größeren Kinder rennen ums Haus herum, durch die Gärten, auf die Straße: Kommt er schon? Alle drehen und recken die Hälse. Seht ihr ihn schon?

Ein Nachbarskind sitzt oben im Holunderbaum, dem erwarteten Wunder am Himmel ein bisschen näher.

Dieser Text ist Teil einer Serie über Familiengeheimnisse, in der wir auch Zuschriften von Leserinnen und Lesern veröffentlichen. Lesen Sie hier mehr!

Ich bin noch ein kleineres Kind, ich darf noch nicht mitrennen. Die Erwachsenen sitzen um den Tisch herum. Heute gibt es die Sonntagstassen, und der Streuselkuchen ist zu einer duftenden Pyramide gestapelt, für alle die da warten auf die himmlische Erscheinung.

Ich sitze auf den Knien eines "Onkels", eines Nachbarn, der mir sehr vertraut ist. Mein kleiner Zeigefinger malt die gestickten Blumen der Tischdecke nach, die Fransen kitzeln meine nackten Beine. Die buttrigen Streusel picke ich zuerst von meinem Kuchenstück, da krabbelt eine raue Hand wie ein unheimliches Tier unter der Tischdecke meine glatten Kinderbeinchen entlang, streichelt meine Knie, geht weiter und weiter bis zum Rand meines Unterhöschens und weiter und weiter, der Kuchen fällt mir aus der Hand...

"der Zeppelin kommt, der Zeppelin kommt" schreien die Kinder, und es gibt eine riesengroße Aufregung am Tisch und ein Aufspringen und ein Stühlerücken und ein Hinausrennen.

Da ist er, der Langersehnte, ein glänzendes Ungeheuer schwebt über den blauen Himmel.
Aber vor d e m habe ich keine Angst.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Skateboard aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.