Bibel
Warum jubeln Jesu Jünger?
Die Jünger waren dabei, als Jesus gekreuzigt wurde. Zum Glück sind sie nicht verstummt - so wie viele andere Zeugen, die Schreckliches erlebt haben. Ein Gastbeitrag der Schriftstellerin Nora Bossong
Illustration einiger Figuren, Personen, die mit den Händen auf zwei hellblaue und eine gelbe Wolke deuten
AHAOK
Nora BossongPrivat
16.02.2024
Jesu Himmelfahrt (Lukas 24, 50 - 53)

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

In großer Freude, heißt es am Ende des Lukas­evangeliums, zogen die Jünger nach Jerusalem zurück (Lukas 24,52). Freude? Natürlich, mit dem Abstand von zweitausend Jahren können wir sagen, das Fest der Himmelfahrt Christi gilt der Freude und triumphiert über Passion und Karfreitags­trauer. Aber muss es den Jüngern nicht anders vorgekommen sein?

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Nora Bossong

Nora Bossong geboren 1982 in Bremen, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin. Sie veröffentlicht Romane, Essays und Gedichte und meldet sich regelmäßig zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen zu Wort. 2019 gelangte ihr Roman Schutzzone auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Bossong wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Thomas-Mann-Preis (2020) und dem Joseph-Breitbach-Preis (2020). 2022 erschien ihr Generationenporträt "Die Geschmeidigen. Meine Generation und der neue Ernst des Lebens" im Ullstein Verlag.

Sie hatten Jesu schon einmal verloren geglaubt, als er am Kreuz gestorben und begraben war. Dann kehrt er ­wieder. Sogar der zweifelnde Thomas kann sich seiner Leibhaftig­keit versichern. Doch wie gewonnen, so zer­ronnen. So­eben, in der Zeile vor der großen Freude, verlässt Jesus sie ein weiteres Mal, der Zeitpunkt seiner Wiederkunft ist unbekannt und wie wir wissen, wird er nicht noch einmal zu ihren Lebzeiten auf die Erde zurückkehren.

Gemeinhin freuen wir uns nicht, wenn wir einen Freund gehen sehen, und schon gar nicht, wenn er für die begrenzte Zeit unseres restlichen hiesigen Lebens von uns geht ("für immer", wie man versucht ist zu sagen, wenngleich "für immer" so viel länger währt als unser kurzfristiges Hiersein). Selbst wenn wir bedenken, dass die Urchristen von einem viel näheren Tag des Jüngsten Gerichts ausgingen, so muss es sie doch zumindest ein wenig niedergeschlagen haben, jenen Mann nicht mehr unter sich zu wissen, der mehr als ein Freund, der das Zentrum ihrer Gemeinschaft gewesen ist. Aber nein, das Evangelium erzählt uns von ­großer Freude, es klingt wie einer der Jubelrufe, die wir an so deutlich anderen Stellen in der Heiligen Schrift finden.

Der Grund ihrer Freude, so erschließe ich es mir, liegt in dreierlei, das aber doch letztlich in einem zusammenläuft: in der Zeugenschaft. Es ist zum einen die große Freude, teilgehabt zu haben am weltlichen Leben des Menschensohns, nah an seiner Seite die Jahre seines Wirkens begleitet zu haben. Zum Zweiten ist es, nun auch diesen Moment zu erleben, in dem Jesus zum Himmel emporgehoben wird, bekräftigt und vollendet, was Jesus selbst verkündet und was sich in seinem Tod am Kreuz bereits angezeigt hat, seine Erhöhung, zunächst am Kreuz, nun im Himmel.

Das Dritte und für mich das Bedrückendste aber ist ihr Auftrag, ihre Sendung, die hier, in dem Weg nach ­Jerusalem, ihren Anfang nimmt: Zeugenschaft abzulegen von dem Unerhörten, an dem sie teilhatten, von der ­großen Freude, die ihnen zuteilwurde, die sie erlebten. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich etwas Schönes erlebt habe, wenn ich ergriffen worden bin, dann möchte ich davon erzählen. Das wiederholt mir das Schöne, aber es gibt es auch weiter, zumindest in dem hoffnungsvollen Bezeugen: Sieh mal, das ist möglich.

Das Bezeugen scheint mir notwendig im Außerordentlichen. Das freudige, jubelnde Erzählen vom bestürzend Schönen, aber auch das Berichten des Schrecklichen, was oft in eine Stummheit fällt. Wer das Schreckliche erlebt, möchte oder kann nicht wiederholen, was ihn versehrte und zerstörte. "Niemand zeugt für den Zeugen", wie es der Dichter Paul Celan schrieb, und doch ist dieser Niemand eben notwendig, die Zeugenschaft der Zerstörung, die mitunter nur vermittelt noch möglich ist. Diese Notwendigkeit macht aber jene andere Zeugenschaft nicht obsolet oder widersinnig. "Licht war. Rettung", wie es an anderer Stelle bei Celan heißt.

Juden machen es zu Jom Kippur, Muslime an Ramadan. Christen fasten jedes Jahr 40 Tage von Aschermittwoch bis Ostern. Warum eigentlich?

Nun darf gerade in diesem Zusammenhang nicht ­unerwähnt bleiben, dass christliche Zeugenschaft geschichtlich immer wieder auch in Paternalismus umschlug, gar in Zwangsmissionierung, was den Sinn der Sendung verkehrte, und in eine Herrschafts- und Unterdrückungsform verbog, was eigentlich Einladung und universale Öffnung war. So brachte jene Sendung, mit der die Jünger einst nach Jerusalem zurückzogen, in ­einer späteren, machttrunkenen Pervertierung auch selbst das Schreckliche hervor, denken wir an Religionskriege, ­Inquisition, Verfolgung von Andersgläubigen. Umso ­wichtiger, zum Wesenskern der Sendung ­zurückzukehren, zu jener ­großen Freude, die zu teilen immer nur Geschenk und niemals Machtanspruch sein kann.

Bibelzitat

Jesu Himmelfahrt (Lukas 24, 50 - 53)

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

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@Bossong: "... und wie wir wissen, wird er nicht noch einmal zu ihren Lebzeiten auf die Erde zurückkehren."

Das ist nicht richtig, wenn man weiss, daß die Bewusstseinsentwicklung ein Kreislauf ist.
Was man aber auch wissen sollte, ist die Wahrheit über die Wiederkunft des Christus im Rahmen der Vorsehung: "Er" kommt nämlich nur wieder, wenn Mensch die Überwindung (zum ganzheitlich-ebenbildlichen Wesen Mensch und ...) nicht geschafft hat und dem Jüngsten Tag ein Jüngstes Gericht (wie vorgesehen) folgt.

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N.B.: "... was Jesus selbst verkündet und was sich in seinem Tod am Kreuz bereits angezeigt hat, seine Erhöhung, zunächst am Kreuz, nun im Himmel."

Vergleiche: Matthäus 21,18-22 - Es ging ihm immer nur um das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch, bzw. um die MÖGLICHE Kraft des so wieder fusionierten Geistes und ein Verständnis von Gemeinschaftseigentum "wie im Himmel all so auf Erden", alles andere ist nur die Erfüllung des Stumpf-, Blöd- und Wahnsinns der erwarteten Vorsehung, es gab/gibt also nie viel Hoffnung auf ÜBERWINDUNG des Schicksals / der "göttlichen Sicherung", seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung ("Vertreibung aus dem Paradies").

Gott bedeutet Vernunft!!!

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