Begegnung Chrismon, Psychatrie  Ulm, Herr Spitzer und Frau Holm
Begegnung Chrismon, Psychatrie Ulm, Herr Spitzer und Frau Holm
Janek Stroisch
"Wer in den Wald geht, ist netter zu den Leuten"
Und weniger allein! Die Jugendpfarrerin und der Hirnforscher über Einsamkeit – und wie man sie bekämpft.
Tim Wegner
Tim Wegner
28.11.2018

chrismon: Wie viele Freunde haben Sie, die Sie mitten ­in der Nacht anrufen könnten?

Manfred Spitzer: Drei. Und ich könnte dort nicht nur ­anrufen, sondern auch klingeln!

Andrea Holm: Ich habe fünf sehr gute Freundinnen. Im Pfarramt zieht man ja viel um, derzeit arbeite ich in der ­achten Stelle seit dem Studium. Überall trifft man ­jemanden, mit dem man sich befreundet. Und manche Menschen bleiben. Neulich hat Anne mir sofort ein Bett bezogen, als ich Portemonnaie und Schlüssel verloren hatte.

Haben Sie auch in Einsamkeit Erfahrung?

Holm: Ja. Ich habe ein Jahr in Montpellier studiert, ich im Wohnheim voller Menschen, das hatte ich mir schön vorgestellt. In den ersten Tagen sprachen vor meiner Tür zwei Männer sehr laut. Ich trat heraus, und sie sagten "blablabla ranger". Ah, bestimmt fragen sie, ob ich schon eingerichtet bin. "Oui merci", sagte ich. "Je m’apelle Andrea, ich heiße Andrea." Sie lachten sehr, ich höre es heute noch. Ich begriff hinterher: Sie wollten wissen, ob sie mich gestört hätten. Den Code der Kultur verstand ich nicht, ich blieb nur noch in meinem Zimmer. Bis jemand klingelte: "Hallo, ich bin Eva, ich wollte dich kennenlernen." Heute noch bin ich mit Menschen, die die Sprache nicht können, sehr empathisch.

Spitzer: Früher war ich nie einsam. Ich habe vier Ge­schwis­ter, bekam fünf Kinder und dann noch mal eins, es war immer trubelig. Inzwischen bin ich geschieden und wohne allein in dem Haus, in dem wir mal zu siebt lebten. Mir fällt nicht die Decke auf den Kopf, meistens bin ich froh, wenn mal nichts los ist. Aber manchmal merke ich montagmorgens, dass ich seit Freitagabend mit niemandem gesprochen habe. Das fühlt sich eigenartig an.

Frau Holm, Ihr letztes Kind ist jetzt aus dem Haus gegangen.

Holm: Ja. Es ist leer. Zwar ist mein Sohn für eine Weile wieder eingezogen. Aber das ist etwas anderes, als wenn man immer gebraucht wird. Diese Resonanz in den Kindern fehlt einfach.

"Alleinstehende ältere Männer – das ist die Hochrisikogruppe"

Fünf und sechs Kinder – ist das nicht die beste Ver­sicherung gegen Einsamkeit?

Spitzer: Das war bei uns nicht der Grund, Kinder zu bekommen. Die gehen irgendwann alle aus dem Haus! Aber sie besuchen mich gelegentlich, wir telefonieren, und ich besuche sie. Mit ihnen bleibt das Leben lebendig. Wenn ich keine Kinder hätte, wäre es nicht so schön.

Holm: Als Pfarrerin habe ich immer viele Leute besucht. Ein Mann und seine Frau hatten drei Kinder: "Wenn ihr nicht raucht, zahlen wir euch mit 18 eine Weltreise", sagten sie ihnen. Das eine Kind blieb in Kanada, das zweite in Australien, das dritte in Berlin. Bei der goldenen Hochzeit sagten sie: "Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir das nicht versprochen!" Es gibt aber auch Leute, die gar keinen Kontakt zu ihren Kindern haben, selbst wenn sie in der Nähe wohnen. Vielleicht ist das noch schmerzhafter. Die älteren Frauen ­– das sind ja die, die meist übrig bleiben – sagen dann manchmal: "Ich habe drei Kinder großgezogen und keiner guckt nach mir."

Sind die alten Frauen also eine Risikogruppe?

Spitzer: Nimmt man 100 ältere und 100 jüngere Frauen, sind wahrscheinlich mehr jüngere einsam. Und die leiden mehr drunter. Die älteren haben mehr Lebenserfahrung, mehr Ressourcen und auch mehr Leute kennengelernt. Prozentual sind also nicht so viele ältere Damen einsam. Aber es gibt so viele! Ein verheirateter Mann hat seine Frau, das reicht ihm oft. Alleinstehende ältere Männer – das ist die Hochrisikogruppe.

Holm: Wenn die alten Leute nicht mehr ganz beweglich sind, sagen sie gern zu mir: "Besuchen Sie mich doch ­wieder." Aber meine Zeit ist auch begrenzt. Ich sage dann: "Kommen Sie doch in den Seniorenkreis! Ich schicke ­jemanden, der Sie abholt." Das möchten viele dann doch nicht, da sind sie eigen. Verwitwete alte Damen mögen auch nicht allein ins Restaurant oder ins Kino gehen. Das macht man nicht in dieser Generation. Eine Frau fällt mir gerade ein, sie wollte auch nicht in den Seniorenkreis. Und jetzt kommt sie doch, weil sie eine alte Freundin wiedertraf, "das Bärbele", die sie animiert hat, mitzukommen.

Andrea HolmJanek Stroisch

Andrea Holm

Andrea Holm, Jahrgang 1962, ist evangelische Jugendpfarrerin in Ulm. Nach Stationen im Gemeindepfarramt war sie Geschäfts­führerin des Diakonischen Werks Ravensburg und geschäftsführende Pfarrerin an der Ulmer Lukaskirche. Andrea Holm ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern, das jüngste 19, das ältes­te 30 Jahre alt.
Manfred SpitzerJanek Stroisch

Manfred Spitzer

Manfred Spitzer, ­geboren 1958, leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transfer­zentrum für Neuro­wissenschaften und Lernen. Er ist einer der bekanntesten deutschen Gehirn­forscher. Zuletzt veröffentlichte er die Bestseller "Digitale Demenz", "Cyberkrank" und "Die Smartphone-Epidemie". Sein Buch "­Einsamkeit – die ­unerkannte Krankheit" erschien im ­Droemer-Verlag. ­Manfred Spitzer hat sechs Kinder ­zwischen neun und 33 Jahren und lebt in Ulm.

Viele Alte engagieren sich ehrenamtlich. Leihoma, Hausaufgabenhilfe – das ist doch gut gegen das Alleinsein!

Holm: Ja. Auf allgemeine Aufrufe melden sich aber nur ­wenige. Besser ist hingehen, klingeln und sagen: "Du ­Monika, dich brauche ich für die kleine Zahra zum ­Lesen­üben", dann läuft das.

"Einsamkeit ist ansteckend"

Helfen macht auch glücklich.

Spitzer: Ja, das liegt letztlich daran, dass Menschen sehr soziale Wesen sind.

Sie sagen, Einsamkeit sei ansteckend. Das müssen Sie uns erklären.

Spitzer: Ich weiß, das klingt paradox. Es gibt die soziale Isolation, die nicht ansteckend ist. Die gefühlte Einsamkeit lässt sich so definieren: Jemand spürt die Diskrepanz ­zwischen dem, was sein könnte und dem, was ist – und fühlt sich einsam. Und dieses Gefühl kann ansteckend sein. Der Volksmund hat einen Ausdruck dafür: "Der zieht einen runter." Sensible Menschen müssen dann aufpassen.

Aber wenn Freunde sagen, den besuche ich nicht mehr, der zieht mich runter, wird er ja noch einsamer!

Spitzer: Jein. Es gibt ja nicht nur Mimosen, sondern auch Menschen, die resilient sind und sich nicht leicht an­stecken lassen. Dann muss man eben denjenigen aus dem Freundeskreis hinschicken, der sich nicht runterziehen lässt. Man würde ja auch keine Krankenschwester mit schwachem Immunsystem auf einer Infektionsstation ­arbeiten lassen.

"Junge Leute sind auch einsam"

Sie haben es vorhin angedeutet, Herr Spitzer, junge ­Leute sind auch einsam.

Spitzer: Ja. Das nimmt mich sehr mit. Die Suizidrate in den USA hat sich bei den Mädchen und jungen Frauen in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt. Empathie und das Mitgefühl für andere nehmen dort wie hier massiv ab. Mit jeder Stunde Medienkonsum sind Kinder und ­Jugendliche weniger emphatisch für Eltern und für Freunde. Mitgefühl lernt man wie Sprechen und Laufen. Aber wenn ich vor einem Bildschirm sitze, wie soll ich Mimik und Gestik und Sprachmelodie und Ausdruck lernen zu dekodieren? Das geht nur, wenn man mit anderen Menschen unmittelbar zusammen ist.

Holm: Einsamkeit in jungen Jahren hat sicher auch mit Medienkonsum zu tun, das will ich gar nicht be­streiten. Aber ich beobachte auch, dass den Eltern von vielen ­Jugendlichen, die um mich sind, die schulische Leistung sehr wichtig ist. Wenn ich für eine Jungschar Mitarbeiter brauche, sagen viele zu – und nach zwei Tagen wieder ab. Eine Jugendliche schrieb mir: "Meine Eltern lassen mich nicht, ich schreibe Montag eine Mathearbeit."

Spitzer: Es gibt Helikoptereltern, die sich zu sehr ums Kind kümmern. Es betrifft aber nur etwa zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen, wie eine Reihe von Studien zeigen. Ab der fünften Klasse muss ein Kind doch selber wissen, ob es Mathe lernt oder nicht.

Holm: Dann habe ich vielleicht gerade mit diesen zehn Prozent zu tun.

Durch Engagement würden sie das lernen, was Herr Spitzer einfordert, Empathie, Mitgefühl.

Holm: Das kommt aber leider hintenan! Sie sehen das nicht als Fähigkeit, die toll ist, das machen sie, wenn sie alles andere abgearbeitet haben.

Nehmen Sie Einsamkeit bei Jugendlichen wahr?

Holm: Ja. Bei einem Jungen etwa, der letztes Jahr mit den Eltern hergezogen ist. Man würde denken, wenn jemand neu ist, sagen andere: "Ich nehme dich mal mit, ich zeig dir was." Er erzählte mir, dass ihn ein halbes Jahr in der Schule niemand in der Pause angesprochen hat. Ein paar Mal hat er wohl bei Mitschülern angerufen und gefragt, "sollen wir heute Nachmittag was miteinander machen?", aber als immer "keine Zeit" kam, hat er aufgegeben. Und dann zieht man sich auch zurück. Am Ende hat er bei uns im Jugendcafé Jam Anschluss gefunden.

In jeder Schule ist doch so oft Thema, dass man einander nicht ausgrenzt.

Holm: Sicher. Auf der anderen Seite traut man den ­Kindern nicht mehr zu, dass sie mit Frust umgehen können. Nicht wenige Mütter haben bei mir angerufen und gesagt: "Die Elena ist nicht bei euch zum Kindergeburtstag eingeladen, kannst du da noch etwas möglich machen?" Das schafft ein Kind schon! Das den Kindern beizubringen, ist ­vielen Eltern nicht mehr wichtig. Und der dritte Aspekt ist, dass sie im Internet wegklicken können, was ihnen nicht ­gefällt. In der Realität geht das nicht.

Die Jugendlichen verabreden sich mit ihren Smartphones doch auch fürs echte Leben.

Spitzer: Ja, klar. Aber wenn der Medienkonsum nicht mehr Mittel zum Zweck ist, sondern selber der Hauptzweck, sind die Nutzer unter dem Strich unglücklicher.

"Rentner profitieren von den digitalen Medien - die lernen viel und fuchsen sich rein"

Und können die älteren Leute aus der sozialen Isolation finden mit den digitalen Endgeräten?

Spitzer: Wenn es eine Generation gibt, die von den digitalen Medien eher profitiert, dann sind das die Rentner. Die lernen viel, die fuchsen sich neu ein – eine super Sache!

Wo ist es einfacher, Anschluss zu finden – in Berlin oder in Ravensburg?

Holm: Eindeutig in Ravensburg. Du gehst auf den Marien­platz und kennst alle. Aber man ist nicht automatisch in der Großstadt einsamer. Ich war neulich für ein Jahr in Berlin, dort ging ich sofort in einen Chor . . .

Geh doch in den Kirchenchor! Nutzt dieser Rat?

Spitzer: Nein! Einfache Ratschläge nutzen gar nichts. Wenn Sie das einem Einsamen sagen, merkt er: Sie haben gar nicht verstanden, was mit ihm los ist. Genau das kann er ja nicht. Dann igeln sich diese Menschen noch mehr ein, das erleben wir in der Klinik ständig. Sie müssen indirekt vorgehen. Finden Sie heraus, was die Person gut kann. "Du kannst doch gut vorlesen, willst du mal eine halbe Stunde in der Woche in den Kindergarten gehen?" Dann braucht es vielleicht noch vier, fünf Schubser, vielleicht klappt es auch erst beim siebten Mal.

Holm: Aber meist braucht es Türöffner. Wie "das Bärbele". Ein einsamer Mensch wird nicht die Kitas nacheinander anrufen, wird auch auf keine Ehrenamtsmesse gehen.

Spitzer: Die ist gar nichts für Einsame! Um Gottes willen. So etwas würde sie völlig überfordern.

Brauchen wir wie in England ein Ministerium für Einsamkeit?

Spitzer: Ein befreundeter Diplomat aus Großbritannien ­leitete mir vor ein paar Tagen einen Bericht der britischen Regierung weiter: Ab 2023 können alle britischen Hausärzte – die sehen täglich viele Einsame – gemeinsames ­Kochen, Singen, Fußballspielen statt eines Antidepressivums ­verschreiben. Dafür muss es natürlich ein ent­sprechendes Angebot geben. Und auch der Royal Postal Service steigt ein: Der Postbote kann Leute ansprechen, wenn er meint, sie seien einsam. Ich glaube nicht, dass eine politische Kampagne am Empfinden von Einsamkeit etwas ändert und halte sie daher für zu kurz gegriffen. Aber man braucht Menschen, die andere Menschen zusammenbringen – und dafür sind das gute Ideen.

"Leute, die sich über Hilfe oder Gesellschaft freuen, gibt es überall"

Wie kann man vorsorgen?

Spitzer: Unseren Kindern können wir eine Art "Impfung" gegen Einsamkeit geben. Wenn ich gut Geige spielen kann, freut sich jedes Orchester auf der Welt, wenn ich mitspiele, zum Beispiel wenn meine Eltern umziehen oder mein Partner stirbt. Oder wenn ich gut Fußballspielen kann, werde ich überall gebraucht und finde Anschluss. Jedes Kind muss eine Sache gut können, dann ist es später für andere eine Bereicherung. Aber welche Fächer fallen in der Schule aus? Musik, Sport, Kunst, Theater . . .

Holm: Nicht alle haben Geld für Geigenunterricht. Aber das Gefühl – ich kann Menschen bereichern – braucht wieder mehr Aufmerksamkeit. Leute, die sich über Gesellschaft oder Hilfe freuen, gibt es immer und überall. Dazu muss man nur die Augen aufhalten.

Spitzer: Man müsste viel mehr etwa die Pfadfinder ­unterstützen. Wandern, Singen, in der Natur sein – wer in jungen Jahren Mitglied einer Pfadfindergruppe war, ist im Durchschnitt noch 40 Jahre danach geistig und körperlich gesünder, wie große britische Studien zeigen.

Holm: Das ist bei uns der CVJM, da bleiben viele ein Leben lang dabei . . .

. . . Teil eines Ganzen zu sein . . .

Spitzer: Ja! Teil eines Ganzen, wow! Das hat schon Kant gesagt: Der Sternenhimmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Die empirische Sozialforschung bestätigt mittlerweile den alten Kant: Wer in den Wald geht, ist anschließend netter zu anderen Leuten!

Holm: "Mein Gottesdienst ist der Waldspaziergang." Sagen mir viele.

Zum richtigen Gottesdienst kann man als Einsamer auch gehen . . .

Holm: Vielen tut das gemeinsame Singen und Beten gut. Auch der Kirchenkaffee danach. Früher habe ich mich im Café an Einzeltische gesetzt, heute setze ich mich dazu. Der Gedanke funktioniert auch anderswo: In Ravensburg habe ich die Vesperkirchen gegründet, essen muss jeder. Eine Kommunikatorin brachte die Gäste zusammen. Ich traf eine alte Dame, die misstrauisch auf zwei Kapuzenjungs guckte. Als ich nach dem Essen wieder an den Tisch kam, sagte sie: "So nette Jungs – was die in der Schule alles leisten müssen!" Und im Jahr darauf hat sie selber mitgeholfen.

"Die Kirche hat offen, man kann einfach kommen"

Was raten Sie Menschen, die Heiligabend Angst vor dem Alleinsein haben?

Spitzer: Früh genug – jetzt! – andere anrufen, die auch allein sind: "Wollen wir Heiligabend zusammen kochen?" Oder einen Spaziergang machen, musizieren, backen . . .?

Holm: Die Kirche hat offen. Man muss sich nicht an­melden, man muss nichts planen, man kann einfach kommen. Drumherum ist auch viel mehr los als früher, es ist so voller Menschen, die nach dem Gottesdienst noch draußen stehen bleiben. Manche bringen etwas zu ­trinken oder zu knabbern mit, und man stellt sich einfach dazu. Das ist auch gelebte Gemeinschaft.

Spitzer: Weihnachten ist für Einsame ein Riesenproblem. Alle sind happy, nur ich habe keinen zum Feiern. Hier in der Psychiatrie ist es ab dem ersten Feiertag voll. Wer sich Heiligabend was antut, kommt erst in die Innere Medizin oder die Chirurgie und am Tag drauf zu uns. Wir tun, was wir können, um die Patienten aufzufangen. Bei uns wird Gemeinschaft gelebt und auch ein bisschen Weihnachten gefeiert, mit Deko und allem. Wir sind gut besetzt und vorbereitet, auch ich komme vorbei.

Gehen Sie Heiligabend in die Kirche?

Spitzer: Ich denke eher: Wenn ich das ganze Jahr über nicht komme, kann ich doch jetzt nicht . . . Aber mir geht das Herz auf, wenn alle in der Kirche singen, ich bin ­katholisch aufgewachsen.

Holm: Das ist völlig o.k.! Sie machen das ja für sich. Gott stellt sich nicht zwischen Sie und die Lebensfreude. Gerade das Fest der Geburt Jesu zeigt, dass wir das Kind Gottes eben nicht im Palast finden, warm gebettet und gut ­versorgt, ­sondern in einer Futterkrippe im Stall. Die Frohe Botschaft erzählt der Engel den Hirten draußen vor der Stadt. Gott sind die besonders wichtig, die sich ausgeschlossen ­fühlen, die gebrochenen Herzens sind – auch und gerade in der ­Psychiatrie. Ihnen will er Licht in aller Dunkelheit sein: Das ist Weihnachten.

Nebenbei gefragt

chrismon: Frau Holm, was ist ein gutes Geschenk?

Andrea Holm: Zeit! Zu meinem 50. Geburtstag habe ich mir von allen gewünscht, dass sie mich zu sich nach Hause einladen. Und meiner Freundin schenke ich jetzt einen gemeinsamen Tag in Augsburg.

Welches ist Ihr ­liebstes ­Weihnachtslied?

"Fröhlich soll mein Herze springen" von Paul Gerhardt.

Wann hatten Sie ­zuletzt zehn Leute zu Gast?

Oh, das kommt bei uns oft vor! Wir sind ja schon zu siebt, dazu Schwiegersohn und Enkelin, die Freunde der Kinder und unsere eigenen Freunde – drum haben wir einen sehr großen Esstisch.

 

chrismon: Herr Spitzer, was schenken Sie ­Ihren Kindern? 

Manfred Spitzer: Vielleicht ein ­gemeinsames Erlebnis, eine Wochenendreise – es ist ­immer schön, wenn wir uns sehen.

Welche Weihnachtslieder können Sie auswendig?

Sehr viele. "White Christmas", "Jingle Bells" . . . Musik schaltet ­übrigens im Gehirn den Mandelkern – das heißt: Angst – aus und den Nucleus accumbens – Freude – an.

Wann hatten Sie ­zuletzt zehn Leute am Tisch?

Vor zehn Tagen. Ich hatte Studenten ­eingeladen, dazu Brot gebacken und Käse eingekauft, ganz ­einfach. Das sind ­immer vergnügliche Abende.

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Ihr Interview mit Frau Holm und Herrn Spitzer habe ich mit Interesse gelesen. Es ist mein Thema. Mir ist die Darstellung des Problems etwas zu einseitig geraten. Für mich ist das nur die eine Seite der Münze. Ich bin mit den beiden Interviewpartnern einer Meinung,
dass ich mich immer wieder neu öffnen muß, einen Schritt auf andere zugehen, sich nicht von Abweisungen irritieren lassen. Mir geht es aber oft so, dass ich die Strukturen von Gruppen, egal in welchen Bereich, oft nicht ganz verstehe oder nachvollziehen kann, also welches Verhalten von der Gruppe honoriert wird und welches ignoriert. Für mich bleiben das letzten Endes Geheimnisse. Da scheint es um was anders zu gehen als freundliches, zugewandtes, soziales Verhalten. Da scheinen archetypische Energien die Führung zu übernehmen. Man man kann sich anstrengen wie man will und bleibt doch ohne Erfolg. Ich habe selbst als Kreativtherapeut mit Gruppen in der Psychiatrie gearbeitet. Mir wird das Problem der Einsamkeit in dieser Diskussion zu einfach dargestellt.

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