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Wackeliges Konstrukt
Nach dem geplatzten Flächentarif soll nun eine Pflegereform den Altenpflegerinnen mehr Lohn bringen. Der Erfolg ist fraglich, denn Pflege ist ein knallhartes Geschäft.
07.06.2021

Jede zweite Altenpflegerin in Deutschland wird unter Tarif bezahlt. Warum eigentlich, frage ich mich. Pflegekräfte werden doch händeringend gesucht und sind damit in einer starken Position. Es sollte für sie ein Leichtes sein, mit den Arbeitgebern eine gute Bezahlung auszuhandeln. Oder mit den Füßen abzustimmen: Träger wie Diakonie, Caritas oder Johanniter-Unfallhilfe etwa zahlen faire Löhne. 
Das Problem sind die privaten Anbieter, die immer mehr werden. Dazu gehören nicht nur die großen Konzerne, sondern auch viele kleine Pflegedienste. Sie stehen unter Druck, Gewinne zu machen und sich auf dem umkämpften Markt zu behaupten. Das versuchen sie auch mit günstiger Pflege, die eben nur mit niedrigen Lohnkosten funktioniert. Die Zahl privater Altenheime hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Heute sind 43,6 Prozent in privater Hand. Auf dem Land ist die Zahl höher, in Schleswig-Holstein sind es sogar rund 67 Prozent. Pflegekräften bleibt da oft keine Alternative, wenn sie nicht jeden Tag weit fahren wollen. Der Lohnmarkt kann sich hier nicht von selbst regeln.

Tarif ist nicht gleich Tarif

Der bundesweite Flächentarifvertrag, der im Februar platzte, hätte hier eingegriffen. Nun kommt als Ersatz das sogenannte Pflegereformgesetz. Es verpflichtet Altenheime und ambulante Dienste, ihre Mitarbeiter:innen (mindestens) nach Tarif zu bezahlen. Das bedeutet: Sie müssen entweder mit Gewerkschaften Tarifverträge abschließen oder sich an regional geltenden Tarifen orientieren. Tun sie das nicht, bekommen sie kein Geld aus der Pflegekasse. Das Gesetz geht in die richtige Richtung, aber es übersieht: Tarif ist nicht gleich Tarif. Findige Träger können auch schlechte Bedingungen aushandeln. Wo die Konkurrenz gemeinnütziger und kommunaler Träger fehlt, ist diese Gefahr besonders groß. Pflege ist und bleibt ein knallhartes Geschäft. Daran ändert auch das neue Gesetz nichts. Leider.

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