Solidaritätsbekundung: Vor dem Kanzleramt in Berlin ist die israelische Flagge gehisst
Solidaritätsbekundung: Vor dem Kanzleramt in Berlin ist die israelische Flagge gehisst
Christian Ditsch/picture-alliance/epd-bild
Iran als Schurkenstaat einordnen
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel hält Publizist Michel Friedman eine klare Botschaft der Bundesregierung für nötig. Im chrismon-Interview fordert er Maßnahmen gegen Iran und einen Stopp sämtlicher Hilfen für palästinensische Organisationen.
13.10.2023

Chrismon: Wie beurteilen Sie den Terrorangriff der Hamas auf Israel?

Michel Friedman: Es war ein barbarischer Angriff auf Israel, ein Terrorangriff, eine Kriegserklärung, in der eine neue Dimension von Menschenverachtung und eine Gewaltspirale zu sehen war, die wir auch aus dem Ukrainekrieg kennen. Das Ziel der Hamas sind die Zivilisten: Kinder, Frauen und alte Menschen. Wir haben gesehen, dass bei einem friedlichen Musikfestival die Besucher und Besucherinnen ermordet wurden. Wir wissen von diesem Kibbuz, in dem mehr als hundert Menschen massakriert wurden. Die Brutalität und Menschenverachtung, mit der Gewalt ausgeübt wurde, beunruhigt mich zutiefst. Nicht allein, weil ich jüdisch bin, sondern weil die Angreifer – die Hamas ­– selbst erklären, dass sie die Existenz des Staates Israel zerstören und an seiner Stelle einen islamistischen Scharia-Staat errichten wollen. Einen Staat also, in dem wie im IS oder im Iran ausschließlich Religionsgesetze Gültigkeit haben – und das würde bedeuten, dass all das, was in Israel Alltag ist, nämlich Freiheit, Demokratie und vor allem die Rechte aller Menschen, die Würde der Frauen – dass all das zerstört werden würde. Unterdrückung wäre die neue Formel.

Gaby Gerster

Michel Friedman

Michel Friedman, geboren 1956 in Paris, ist Rechtsan­walt, Philosoph, Publizist und Moderator. Oskar Schindler rettete seine Eltern vor den Konzentrationslagern. Von 2000 bis 2003 war er stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er engagiert sich gegen Rechtra­dikalismus und für die Integration Geflüchteter. Seit 2016 ist er Honorarprofessor für Immobilien- und Medienrecht. Er ist mit der Moderatorin Bärbel Schäfer verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Frankfurt am Main.
Tim Wegner

Constantin Lummitsch

Constantin Lummitsch ist chrismon-Redakteur. Er studierte Germanistik und Geschichte an der Uni Gießen und arbeitete für Magazine und Tageszeitungen. Er schreibt am liebsten Reportagen, oft über Trauriges ­­– aber lieber über Heiteres.

Angela Merkel sagte 2008, dass Israels Sicherheit Teil deutscher Staatsräson sei. Was bedeutet das jetzt konkret?

Der Iran ist beteiligt an der Aufrüstung, der Stabilisierung und der Finanzierung der Hamas sowie der Hisbollah im Libanon. Wir Deutsche werden uns entscheiden müssen, ob wir Sanktionen verhängen wollen. So wie wir Russland und die dort Verantwortlichen sanktionieren und ihre Vermögen einfrieren, so müssen wir das auch bei den verantwortlichen Mullahs tun: die diplomatischen Beziehungen auf ein Minimum reduzieren und den Iran als einen Schurkenstaat einordnen. Wahrscheinlich wird es auch um Waffenlieferungen gehen, aber andere Punkte werden ebenfalls entscheidend sein.

Was kann Deutschland tun?

Es geht für Deutschland um die politische Unterstützung. Dass man den Israelis zubilligt, nun selbst in den Angriff überzugehen, nachdem das eigene Land angegriffen wurde. Wenn Israel den Gaza-Streifen angreift, wird sich die Hamas, wie sie es immer tut, in Wohnhäusern verstecken, die Zivilbevölkerung als Schutzschild missbrauchen und dann den Israelis vorwerfen, sie würden Zivilisten umbringen. Und sie selbst stellen sich dann als Opfer dar. Israel hat die palästinensische Bevölkerung aufgefordert, große Teile des Gaza-Streifen zu verlassen. Das Problem ist nur, die Hamas lässt ihre Gefangenen, nämlich die palästinensische Bevölkerung, ihr Gefängnis nicht verlassen, und Ägypten lässt keine Palästinenser ins Land. Deutschland würde Israel sehr unterstützen, wenn es hierzulande mit aller Klarheit gegen diejenigen vorgehen würde, die erklärtermaßen die Vernichtung des Staates Israel wollen. Auch hier braucht es konsequente Sanktionen. Nicht nur die hier lebenden radikalisierten Palästinenser, Muslime und Araber haben gefeiert, dass die Hamas Israel angegriffen hat – sondern auch in Teilen der übrigen Bevölkerung gibt es nicht wenige Hamas-Versteher und Israel-Hasser. Unerträglich ist, dass die deutsche Bundesregierung den palästinensischen Organisationen immer noch Geld überweist und sagt: Wir müssen jetzt überprüfen, ob es in die richtigen Hände kommt, und wenn nicht, dann stoppen wir die Zahlungen. Ich rate, erst zu stoppen, dann zu überprüfen. Wenn das Geld in die richtigen humanitären Kanäle geht, ist dann auch weiter zu überweisen. Dasselbe gilt für die Europäische Union.

Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume sagt, muslimische Verbände müssten sich stärker von der Hamas distanzieren und den Terror deutlicher kritisieren.

Er hat Recht. Ich stehe selbstverständlich im Austausch mit Muslimen, mit denen ich befreundet bin. Ich lebe, was mich beglückt, ein außerordentlich multi-religiöses, multi-ethnisches und multi-kulturelles Leben. Ich diskutiere mit meinen Freunden immer offen über alle Probleme und Gefahren. Über islamistischen Judenhass, aber ich muss ja auch mit meinen deutschen christlichen Freunden über den antisemitischen Judenhass diskutieren. Machen wir uns nichts vor: Der aggressive islamistische Judenhass wächst. Es gibt Viertel, wo man als Jude angepöbelt, wo man geschlagen wird. Aber die wirkliche Gewaltlawine, die Juden in Deutschland erleben, geht besonders von Rechtsextremisten aus.

Woher kommt dieser Hass?

Es ist ja noch nicht viele Jahre her, dass der islamistische Terror die gesamte westliche Welt angegriffen hat. Erinnern Sie sich, was in Berlin vor wenigen Jahren auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidtplatz passiert ist. Erinnern Sie sich an den Anschlag in Nizza, an die Terrorangriffe auf das Bataclan und auf Charlie Hebdo. Und übrigens: Auch in unserer Gegenwart werden weiter solche Anschläge begangen, im Westen wie in der islamischen Welt. Aus Sicht von fanatisierten Islamisten sind wir Ungläubige, wir leben angeblich ein Leben der Dekadenz des westlichen Seins, und auch geopolitisch sind wir für die islamistische Welt die Feinde. Wir im Westen unterstützen Israel, Amerika unterstützt uns, alle untereinander leben in Kooperation, in Freundschaft. Das ist etwas, was wir immer wieder unterschätzen: Die Feindschaft gegen Israel steht letztendlich nur stellvertretend für die Feindschaft gegen die westlichen Demokratien und unsere Art, frei zu leben. Der islamistische Terror bleibt eine Bedrohung für uns alle. Und um es noch einmal klar zu sagen: Der Hass auf Muslime ist unberechtigt, die Abwehr von Islamismus ist überfällig.

Wie können wir verhindern, dass der Angriff auf Israel unsere Zivilgesellschaft spaltet?

Ich glaube, dass viele Menschen die Komplexität des Nahen Ostens nicht überblicken. Es geht um mehr als um einen Konflikt zwischen Israel und einer terroristischen palästinensischen Organisation. Ohne Wissen und mit Halbwissen kommt man, wie bei allen anderen Themen, zu falschen Ergebnissen. Wir brauchen hierzu mehr Bildungsangebote, gerade an den Schulen.

Permalink

Sowohl für die deutschen als auch die europäischen Institutionen sollte es selbstverständlich keinen anderen Weg geben als sämtliche Zahlungen an die palästinensischen Organisationen einzustellen. Auch Sicher, jeglicher Unmut gegen Israel hat auf Deutschlands Straßen nichts zu suchen.

Aber machen wir doch einmal die Augen weit auf: Wenn in Deutschland 5,5 Millionen Muslime leben die in den Palästinensern Ihre unterdrückten Glaubensbrüder sehen, und nicht die Angreifer auf ein Volk dem wir Deutschen uns für Immer verbunden fühlen, was dann? Das soll zukünftig auch Ihr Land sein, Sie sind die Saat die eine multikulturelle Gesellschaft ausgesät hat, ihre Überzeugungen sind unsere Ernte. Gerade einem Menschen wie Herrn Friedmann, der hier glücklich über seine multikulturelle Einbindung schreibt, ist nicht auch für Ihn das Recht dieser Menschen auf eine andere Sichtweise ein bindendes demokratisches Prinzip? Unsere Gesellschaft wollte alles unter einen Hut bekommen. Kulturen, Religionen, politische Überzeugungen, sexuelle Orientierungen. Eine Welt der Harmonie ohne bindende Rahmenbedingungen wurde errichtet. Und auf einmal sollen diejenigen, denen wir das Versprechen auf freie Entfaltung Ihrer Lebensträume gegeben haben, unsere Schulden gegenüber Israel akzeptieren?

Herr Friedmann ist Jurist. Ist es denn nicht so, das Verträge und deren Bedingungen im Vorfeld ausgehandelt und vereinbart werden? Einmal ganz überspitzt formuliert stellt sich doch schon die Frage, wann wir jenen, die hier mit einer anderen Verwurzelung mit dem deutschen Pass ausgestattet wurden, einen Vertrag vorgelegt hätten, in dem das besondere Verhältnis zu Israel Bestandteil war. Und hat diese Gesellschaft mit diesem Versäumnis nicht signalisiert das dieses besondere Verhältnis nicht unter die schützenswerten Pfeiler ihres Selbstverständnisses fällt?

Nein, es bedarf keiner besonderen Bildung, keiner Lippenbekenntnisse, keiner Beflaggung öffentlicher Gebäude. Es bedarf einer klaren gesetzlichen Definition dessen was Wir sein wollen, dessen was unsere Werte sind. Und in diesen Kanon muss die Verantwortung für Israel aufgenommen werden. Denn was passiert wenn Deutschland nicht klar definiert was sein Ziel ist erleben wir an dem bunten Strauß gedanklicher Stilblüten die jetzt medial über uns hinwegfegen. Und das Wort Staatsräson ist nichts anderes als ein weiteres Blümchen solange es nicht zwingend vorgibt Farbe zu bekennen. Und das sollten wir Deutschen, zwingend vorgeben Farbe zu bekennen! Für Israel, für dessen Existenzrecht, für jüdisches Leben, für eine israelische Hauptstadt Jerusalem.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Motorrad aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.