Mit dem Herzen im Iran
Stephan Lucka
Mit dem Herzen im Iran
Iranerinnen und Iraner in Deutschland treibt es Tränen in die Augen, wenn sie sehen, wie Frauen und Männer in Iran unter Lebensgefahr ihre Rechte einfordern. Dem Fotografen Stephan Lucka erzählten einige, die hier im Exil leben, worauf sie stolz sind, um wen sie sich sorgen, um wen sie trauern.
Mina Abbas Panah
06.03.2023

Shoreh wurde vor 31 Jahren in ­Karadsch, ­einer Nachbarstadt Teherans, geboren. 2021 kam sie nach Deutschland, um ihren Doktor in Elektro­chemie zu machen. Während ihres Physikstu­diums im Iran engagierte sie sich ­gegen ­Kinder­arbeit, sie betreute und unterrichtete ­Kinder aus sozial benachteilig­ten Familien oder von ­drogenabhängigen Eltern. Die Kinder, erzählt sie, ­werden oftmals von ihren Eltern gezwungen, auf der ­Straße Waren zu verkaufen. Sie sind im Iran praktisch rechtlos, weil sie der Verfügungsgewalt des Vaters unterliegen.

"Meine Mutter hatte vor der Revolution 1979 mehr ­Freiheiten, als ich jetzt hätte. Noch vor einiger Zeit war es mir peinlich, dass viele Iraner*innen sich einfach unterdrücken ließen. Jetzt bin ich froh, dass diese ­Revolution von ­Frauen ausgeht, dass sie ihre Rechte einfordern. Ich will nicht zu optimistisch sein, aber ich glaube, der nächsten iranischen Regierung wird eine Frau vorstehen."

Mina Jandaghi ist die Schwester einer ­ehemaligen Kommilitonin von Shoreh. Wie Shoreh engagierte auch sie sich gegen Kinderarbeit im Iran. Mina Jandaghi wurde am 27. Oktober 2021 zu Hause verhaftet, seitdem hat die Familie keinen Kontakt mehr zu ihr. Sie wird, sagt Shoreh, seitdem ohne ­Anklage oder Angabe von Gründen festgehalten.

Sima zeigt auf ihrem Handy ein Foto von Vouria Ghafouri

Sima ist 32 Jahre alt und kommt aus Sanandadsch in ­Kurdistan, im Westen des Irans. Vor fünf Jahren kam sie nach Deutschland, um in Dortmund Soziale ­Arbeit zu studieren, nachdem sie im Iran einen Bachelorabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen gemacht hatte.

Als Teenager schrieb sie in ihr Tagebuch: ­"Warum ­werden die Jungs anders als die Mädchen behandelt? ­Warum ­haben die Jungs Freiheiten, die ich nicht habe?" Dass Männer über sie bestimmen sollen, war eine ­Horrorvorstellung für sie. Später organisierte sie eine ­Demonstration für Frauenrechte an ihrer Universität. Daraufhin wurde sie vom Geheimdienst verhört und bedroht.

"Oft denke ich: Wenn ich mutiger wäre, wäre ich jetzt im Iran. Lange hatte ich ein schlechtes Gewissen, hier in Deutschland in Sicherheit zu sein, ­während in meinem Heimat­land Menschen sterben. Irgendwann habe ich verstanden, dass es nicht der richtige Weg ist, darüber meine Arbeit, mein Studium zu ­vernachlässigen. Ich ­denke, im Moment ist es die Aufgabe jeder ­Iranerin, jedes Iraners in der Diaspora, sich hier in Deutschland so gut wie möglich für die ­Revolution zu ­engagieren."

Vouria Ghafouri ist ein ehemaliger Fußball­­nationalspieler. Er stammt, wie Sima, aus Sanandadsch. Wegen seiner regime­kritischen Haltung wurde er Ende November 2022 verhaftet und später auf Kaution freigelassen. ­Eigentlich kann Sima Fußball nicht leiden, aber sie bewundert, wie Vouria Ghafouri seit Jahren das System und vor allem die Diskriminierung von Frauen angeprangert und dafür viel riskiert hat.

Nahid Farshi (rechts) zeigt auf ihrem Handy links ein Foto von Maryam Soleyman

Nahid Farshi wurde 1963 in Teheran geboren. Als junge Frau war sie im Wider­stand gegen das iranische Regime aktiv. 1984 erfuhr sie, dass der Geheimdienst ihre Wohnung durchsuchte, und flüchtete schwanger – mit kaum mehr als der Kleidung, die sie trug – nach Deutschland. Hier studierte sie Informatik. Heute engagiert sie sich in der Flüchtlingshilfe und innerhalb des Integrationsnetzwerks der Stadt Dortmund. Während der Revolution in den 70er Jahren erlebte sie eine breite ­Politisierung der iranischen Gesellschaft. Ihre Freundinnen, die vorher noch mit ihr im Bikini am Strand gelegen hatten, ­waren plötzlich komplett verschleiert. Da sah Nahid, wie schnell die politische Stimmung kippen kann.

"‚Wenn ihr einen von uns tötet, stehen ­Tausend weitere auf!‘ Das rufen die Iraner*innen ­während der jüngsten Proteste, und genauso ist es auch. Je mehr das Regime tötet, desto ­wütender werden die Menschen. Nach 44 Jahren haben sie die Nase voll von ­Unterdrückung, Verarmung und Korruption. Ich befürchte ­allerdings, es wird noch viel Blut vergossen werden. Es wird Zeit ­brauchen, aber es wird einen Wechsel geben. In der Herrschaft der Mullahs deuten sich schon Risse an."

Maryam Soleyman ist eine junge iranische Malerin. Soleyman ­äußerte sich auf Instagram ­kritisch über das Regime und wurde daraufhin bei der Ausreise nach Österreich verhaftet. Laut ihrer Familie nahm sie sich vor kurzem das Leben. Aber ob das stimmt? Es liegt nahe, meint ­Nahid, dass Maryam Soleyman vom ­Regime ermordet wurde. ­Nahid wurde über das Internet auf Maryam aufmerksam, weil sie selber gern malt. Das weit­gehend unbekannte Schicksal dieser ­jungen Frau berührt sie, auch wenn sie sich persönlich nie ­begegnet sind.

Parham Mehrdad Farhadi (rechts) zeigt auf seinem Handy links ein Foto des Rappers Saman Yasin

Parham Mehrdad Farhadi kommt aus Kermanschah im kurdischen Teil des Irans. Er gehört zur religiösen Minderheit der Yarsan, eine dem Jesidentum ähnliche Religionsgemeinschaft. Parham kam mit 18 Jahren nach Deutschland und beantragte 2018 Asyl, denn seine Religionsgemeinschaft wird im Iran unterdrückt und verfolgt. "Ich konnte im Iran nicht ich selbst sein, nicht mein eigenes Leben leben."

"Früher konnte das Regime einfach unbemerkt Leute verhaften und ermorden,
jetzt schaffen sie es nicht mehr, weil die Menschen hinschauen. Viele meiner
Freunde und Kollegen im Iran haben auch Angst vor der Brutalität des Regimes
den vielen Toten, den Verhaftungen. Das kann man spüren. Aber die Menschen sind entschlossen, sie wollen Freiheit, sie wollen einfach Mensch sein. Wir müssen weitermachen, nicht nachlassen, diese kämpferische Energie behalten. Dann wird das Regime verschwinden."

Saman Yasin ist ein bekannter kurdischer Rapper, der das ­iranische Regime in seinen ­Texten und auf Social Media ­immer wieder lautstark ­kritisiert hat. Seit Anfang Oktober ist er inhaftiert, ein vorerst ausgesprochenes Todesurteil gegen ihn wurde zwischenzeitlich ­aufgehoben, der Prozess neu aufgerollt. Saman Yasin kommt wie ­Parham aus Kermanschah und gehört ebenso zur religi­ösen Minderheit der Yarsan. Deshalb ist er für Parham zur Identifi­kationsfigur geworden.

Mina Abbas Panah (rechts) zeigt auf ihrem Handy ein Foto des Musikers Karim

Mina Abbas Panah ist 30 Jahre alt und wohnt in Dortmund. Sie kommt aus den kurdischen Gebieten im Westen des Irans. Sie ­studierte ­Fotografie in Teheran und kam vor zwei Jahren nach Deutschland, um mit ­ihrem deutschen Ehemann zusammen­zuleben, dem Fotografen dieser Strecke, Stephan Lucka. Schon als Kind träumte sie davon, den Iran mit seinen ­religiös begründeten Restriktionen hinter sich zu lassen und in ein freieres Land zu ziehen. Doch seit sie in Deutschland ist, spürt sie, dass der Iran immer noch eine große Rolle für sie spielt und die Verbindung zu ihrem Heimat­land eher noch stärker geworden ist.

"Das deutlichste Zeichen für mich, dass nun eine ­Revolution passiert, ist, dass Schulmädchen landesweit ihre Kopftücher abnehmen und die Bilder von Khamenei und Khomeini abreißen und verbrennen. Davon ­hätten wir in meiner Generation nicht mal zu träumen gewagt. Ich fühle mich den Frauen im Iran sehr nah. Wir wollen nicht aufgeben. Wir schulden das all den 16-Jährigen, die ihr Leben schon für die Freiheit gegeben haben."

Karim ist Musiker und ging auf die gleiche Kunsthochschule wie Mina. Sie sagt, er träumte immer davon, in Deutschland zu leben, hatte sogar schon Deutsch gelernt. Weil er die Proteste in den sozialen ­Medien unterstützte, wurde er verhaftet. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß.

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hallo, liebe mina! ich hatte auf linkedin den kampf deriranischen frauen verfolgt, und von anfang an bewundert. diese frauen nehmen ein sehr hohes risiko auf sich, um ihr volk in die freiheit zu führen. düzen tekkal ist eine großartige frau, die diesem kampf eine große stimme verleiht. ich wünsche allen beteiligten, das ihre sache siegreich ausgeht. mit freundlichen grüßen jörg

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hallo, liebe mina! ich hatte auf linkedin den kampf deriranischen frauen verfolgt, und von anfang an bewundert. diese frauen nehmen ein sehr hohes risiko auf sich, um ihr volk in die freiheit zu führen. düzen tekkal ist eine großartige frau, die diesem kampf eine große stimme verleiht. ich wünsche allen beteiligten, das ihre sache siegreich ausgeht.
mit freundlichen grüßen jörg

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