Odd Andersen/AFP via Getty Images
Unterstützer der Umweltbewegung Fridays for Future auf dem Klimastreik am 3. März 2023 in Berlin
Supporters of the environmental Fridays for Future movement make soap bubbles and carry a poster reading "Our Future Hangs by a Thread" as they demonstrate for climate action on March 3, 2023 in Berlin. - The Fridays for Future movement joined with the verdi union representing interests in the service sector to call a global climate strike as well as a strike in the public sector. (Photo by Odd ANDERSEN / AFP) (Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)
Wenn heute die Klimaaktivisten von "Fridays for Future" zum globalen Klimastreik aufrufen, liefert die FDP eine traurige Begleitmusik. Verkehrsminister Volker Wissing droht, den in der Europäischen Union längst abgestimmten Kompromiss, ab 2035 keine Autos mit Verbrennermotor mehr zuzulassen, in Brüssel zu blockieren. Er will, dass synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, die Motoren länger brummen lassen. Beim Ansinnen Robert Habecks, Gas- und Ölheizungen schrittweise aus Wohnungen und Häusern zu verbannen, wittert die FDP ebenfalls ihre Chance, mit einem "So nicht!" auf Stimmenfang zu gehen.
Nils Husmann
Der Dauerstreit zwischen FDP und Grünen – zur Erinnerung: Beide sind Koalitionspartner – zeigt am Tag des Klimastreiks einmal mehr, dass die Politik jahrzehntelang eingeübte Rituale nicht abstreifen kann. In der Bevölkerung gibt es eine deutliche Mehrheit für mehr Klimaschutz. Aber wenn es darum geht, konkrete Schritte dafür zu unternehmen, bringt keine Partei den Mut auf. Stattdessen: die immer gleichen Zankereien. Wie ermüdend.
Die AfD leugnet das Problem gleich ganz. Die Linke zerfleischt sich selbst. Die Unionsparteien übersehen Vorreiter in ihren eigenen Reihen (ja, die gibt es, etwa im Hunsrück) konsequent. Die SPD hat seit dem Tode von Hermann Scheer keine mutige Energiepolitik betrieben, im Gegenteil: Billiges Gas aus Russland war willkommen, den Preis zahlen wir heute. Die FDP redet von Technologieoffenheit, meint damit aber, dass bitteschön alles so weitergehen soll wie bisher, besonders für diejenigen, die man für die eigene Klientel hält.
Und die Grünen? Auch ihnen fehlt Mut. Ein Beispiel dafür ist der Fokus auf Elektromobilität. Ja, es hat Vorteile, Autos mit Strom zu betreiben. Batteriebetriebene Fahrzeuge setzen Energie sehr viel effizienter um als Verbrenner. Aber wer E-Fuels in Zukunft erst aus Wasser und Kohlendioxid herstellen will, braucht erst mal viel Energie, bis der Kraftstoff überhaupt im Tank landet – und Geld.
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Zudem: In Deutschland waren vergangenes Jahr 48,5 Millionen Pkw zugelassen. Wer mit offenen Augen durch die Städte geht, erkennt leicht, dass in einem schieren "Weiter so!" nicht die Zukunft liegen kann. Grund und Boden sind teuer, werden aber mit Autos zugestellt. Viele Gehwege sind für Eltern mit Kinderwagen oder Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator nicht mehr passierbar. Lösen wir die Probleme wirklich, wenn wir 48,5 Millionen Autos elektrifizieren?
Wenn wir auch in Zukunft gut leben wollen, muss sich die Politik dafür einsetzen, dass es weniger Autos gibt. Aber dafür streitet keine Partei im Bundestag. "Weniger" klingt bitter und nach Verzicht.
Aber dafür könnten wir ein Mehr an Gemeinsinn gewinnen: Dinge kann man teilen und gemeinsam nutzen. Auch Autos. Straßenzüge, die von parkenden Autos befreit sind, sind ein Gewinn an Lebensqualität, Ruhe und Platz für Begegnungen - und spielende Kinder. Mehr Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen, ist ein Gewinn für eine Gesellschaft, in der fast die Hälfte der Bevölkerung an Bewegungsmangel leidet.
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Lesermeinungen
Ockenga | vor 1 Woche 3 Stunden Permanenter Link
Ein-Stein ?
Ein für alle erträgliches Klima kann nur erreicht werden, wenn die Politik weltweit für das gleiche Ziel mit gleichen Maßnahmen handelt. Dafür müssten aber ohne Ausnahme alle Gesellschaften radikal anders leben. Unter welchen gesellschaftlichen, religiösen und politischen Bedingungen wäre denn das möglich? Wer zwingt die, die nicht wollen? Die Frage der Macht ist der Schlüssel. Eine Änderung durch Einsicht für alle auf Befehl? Ist dafür eine neue geklonte Rasse notwendig? Friedlich wäre das doch wohl nur in einer ethischen Einheitsgesellschaft mit kultureller, politischer und religiöser Gleichschaltung möglich. Einstein: "Kein Problem kann mit den Bedingungen gelöst werden , durch die es entstanden ist". Alle diese Fragen werden vermieden und die Bombe tickt
Ockenga | vor 1 Woche 1 Tag Permanenter Link
Die Diskussion geht
Die Diskussion geht meilenweit am Machbaren vorbei. Dazu ein Zitat von der Klima-Expertin des SPIEGEL Susanne Götze: "... Ein gemäßigtes Klimaszenario könne nur eintreten, wenn Politikerinnen und Politiker weltweit handeln. Dafür müssten Gesellschaften aber radikal anders leben und wirtschaften"....
AW: Und zwar sofort, und nicht erst nachjahrelangen Diskussionen. Unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen wäre das denn überhaupt friedlich möglich? Einsicht für alle auf Befehl? Eine neue Rasse auf geklontem Fundament? Eine ethische Einheitsgesellschaft mit kultureller und religiöser Gleichschaltung? Allein die Vorstellung, Wasserstoff und Strom aus Nordafrika, impliziert doch die Bedingung, das dort kein Stamm oder religiöser Herrscher auf die Idee kommen darf, die Sonnenprodukte als Druckmittel einzusetzen. Wie jetzt Putin mit dem Gas. Um das zu verhindern, müssten wir dort vorher einmaschieren. Weiter gedacht und von allen getan, gibt es nur noch Chaos. Auch nicht gut. Wir sind in unserer eigenen zivilisatorischen Falle.
Ockenga | vor 3 Wochen 2 Tagen Permanenter Link
Weitermachen
Da werden unhaltbare Hoffnungen für die Leichtgläubigen verbreitet. Das Klima ist wie eine Eiche. Die wächst 500 Jahre, bei Vernachlässigung kann sie in kurzer Zeit enden. Weitere 500 Jahre braucht sie bei idealen Bedingungen, um die vorige Grösse und frühere Funktion neu zu erhalten. Es ist eine Illusion zu behaupten, dass es selbst bei idealen (die sind nur vorstellbar aber nicht realistisch) Bedingungen möglich wäre, mit Gesetzen, Absichten, Einsichten und schönen Worten in absehbarer Zeit eine langsame Trendumkehr zu bewirken. Und was ist langsam? Schnell wäre vermutlich in 500 Jahren. Die Natur denkt und handelt aber in ganz anderen zeitlichen Dimensionen. Die jüngsten Zahlen beweisen die Unausweichlichkeit. Optimismus und der Aufruf zur Umkehr erzeugen Hoffnung. Auf jeden Fall besser als ein pessimistisches Chaos. Weitermachen nach dem Motto: "Be calm and carry on".