Gundula Peter
Diakonie Eutin: Gundula Peter, Suchberatung
Isabela Pacini
"Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, keine Willensschwäche"
Menschen aus der Diakonie helfen weiter. Diesmal: Kann das gut gehen – Ersatztherapie und gleichzeitig arbeiten?
Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff
25.09.2019

chrismon: Mein Kollege kommt morgens immer zu spät. Er macht eine Sub­stitutionstherapie. Was ­immer das ist – mich nervt das.

Gundula Peter: Das stresst ihn wahrscheinlich selbst. Er muss jeden Morgen zu seinem Arzt, ein Medikament ­einnehmen. Vielleicht können Sie mit ihm ausmachen, dass er dafür etwas länger bleibt?

Was ist das für eine Therapie?

Damit können Opioidabhängige ohne ihr Suchtmittel – etwa He­roin oder starke Schmerzmittel – ­leben. Ein Ersatzstoff nimmt das Verlangen danach und lindert Entzugssymptome, für 24 Stunden.

Da ersetzt man ja eine Sucht durch die nächste. Wozu?

Man kann damit ein normales Leben führen, denn der Ersatzstoff ist legal und wird ärztlich verordnet. Er löst keinen Rauschzustand aus. Die Betroffenen müssen nicht kriminell werden oder betteln, um ihre Sucht zu finanzieren.

Aber sie bleiben abhängig?

Ja, so wie bei einem Diabetiker, der sein Insulin braucht. Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, keine Willensschwäche. Manche brauchen die Substitutionsthe­rapie auch nur übergangsweise, um ihr Leben zu ordnen. Als Unterstützung bieten wir in den Suchtberatungsstellen auch psycho­soziale Begleitung an.

Portrait Hanna Lucassen, Redaktion chrismon, Redaktions-Portraits Maerz 2017Lena Uphoff

Hanna Lucassen

Die Frankfurter Journalistin Hanna Lucassen bittet in der chrismon-Reihe "Lernen von der Diakonie" um Hilfe in schwierigen Alltagssituationen. Die Fallbeispiele sind fiktiv.
Isabela Pacini

Gundula Peter

Gundula Peter ist Suchttherapeutin und arbeitet in der Suchtberatungsstelle Ostholstein der Vorwerker Diakonie gGmbH.

Ist der Kollege voll belastbar?

Wenn das Mittel richtig gewählt und dosiert ist, ja. Von den möglichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Übelkeit kriegen Sie als Kollegin wohl wenig mit. Was Betroffenen aber oft unangenehm ist, sind Schweißausbrüche – die kann man kaum verbergen.

Kann ich davon ausgehen, dass auch der Chef Bescheid weiß?

Nein. Die wenigsten erzählen das den Arbeitgebern. Das müssen sie auch nicht. Auch gegenüber den Kollegen ist die Angst groß, sich ­zu outen. Eine Reinigungskraft etwa arbeitete in der Nähe ihrer Substitutionspraxis. Sie hat sich jeden Tag heimlich herausgeschlichen und ist hinübergehetzt, um ihr Medikament einzunehmen.

Gehen viele Substituierte denn einer Arbeit nach?

Fast alle meine Klienten wünschen sich eine richtige Arbeit. Nur fünf bis zehn Prozent finden eine. Sie sehen dies als Chance, und das ist es auch: Eine Tagesstruktur, ein Einkommen, Bestätigung und soziale Kontakte – das alles hilft, um wieder im Leben Fuß zu fassen. 

Infobox

Hilfe bei der Diakonie

In Deutschland machten 2018 knapp 80 000 Menschen eine Drogenersatztherapie.

Hier finden Sie Suchtberatungsstellen der Diakonie und weitere Informationen zum Thema Suchterkrankung.

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