Isabela Pacini
Die Suchttherapeutin Gundula Peter arbeitet in Eutin in der Suchtberatungsstelle der Vorwerker Diakonie
Diakonie Eutin: Gundula Peter, Suchberatung
chrismon: Mein Kollege kommt morgens immer zu spät. Er macht eine Substitutionstherapie. Was immer das ist – mich nervt das.
Gundula Peter: Das stresst ihn wahrscheinlich selbst. Er muss jeden Morgen zu seinem Arzt, ein Medikament einnehmen. Vielleicht können Sie mit ihm ausmachen, dass er dafür etwas länger bleibt?
Was ist das für eine Therapie?
Damit können Opioidabhängige ohne ihr Suchtmittel – etwa Heroin oder starke Schmerzmittel – leben. Ein Ersatzstoff nimmt das Verlangen danach und lindert Entzugssymptome, für 24 Stunden.
Da ersetzt man ja eine Sucht durch die nächste. Wozu?
Man kann damit ein normales Leben führen, denn der Ersatzstoff ist legal und wird ärztlich verordnet. Er löst keinen Rauschzustand aus. Die Betroffenen müssen nicht kriminell werden oder betteln, um ihre Sucht zu finanzieren.
Aber sie bleiben abhängig?
Ja, so wie bei einem Diabetiker, der sein Insulin braucht. Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, keine Willensschwäche. Manche brauchen die Substitutionstherapie auch nur übergangsweise, um ihr Leben zu ordnen. Als Unterstützung bieten wir in den Suchtberatungsstellen auch psychosoziale Begleitung an.
Hanna Lucassen
Ist der Kollege voll belastbar?
Wenn das Mittel richtig gewählt und dosiert ist, ja. Von den möglichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Übelkeit kriegen Sie als Kollegin wohl wenig mit. Was Betroffenen aber oft unangenehm ist, sind Schweißausbrüche – die kann man kaum verbergen.
Kann ich davon ausgehen, dass auch der Chef Bescheid weiß?
Nein. Die wenigsten erzählen das den Arbeitgebern. Das müssen sie auch nicht. Auch gegenüber den Kollegen ist die Angst groß, sich zu outen. Eine Reinigungskraft etwa arbeitete in der Nähe ihrer Substitutionspraxis. Sie hat sich jeden Tag heimlich herausgeschlichen und ist hinübergehetzt, um ihr Medikament einzunehmen.
Gehen viele Substituierte denn einer Arbeit nach?
Fast alle meine Klienten wünschen sich eine richtige Arbeit. Nur fünf bis zehn Prozent finden eine. Sie sehen dies als Chance, und das ist es auch: Eine Tagesstruktur, ein Einkommen, Bestätigung und soziale Kontakte – das alles hilft, um wieder im Leben Fuß zu fassen.
Infobox
Hilfe bei der Diakonie
In Deutschland machten 2018 knapp 80 000 Menschen eine Drogenersatztherapie.
Hier finden Sie Suchtberatungsstellen der Diakonie und weitere Informationen zum Thema Suchterkrankung.
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