Kirchgang - Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
Kirchgang - Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
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"Wir borgen uns die Worte"
Sonntag, zehn Uhr, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
06.07.2022

Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis­kirche Berlin, Sonntag, 10 Uhr: "Runter hier", sagt der Aufpasser im Fischerhemd. "Das ist Kirchengelände!" Ein Skater murmelt "I don’t speak German", sie trollen sich. Eine Gruppe älterer Menschen möchte in die berühmte Kirche, sie wollen nur gucken. Der Aufpasser bleibt streng. "Jetzt nicht. Gottesdienst."

Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff

Anne Buhrfeind

Anne Buhrfeind ist freie Autorin. Bis September 2021 war sie stellvertretende Chefredakteurin bei chrismon.

Gucken kann man auch während des Gottesdienstes, denkt die Kirchgängerin, dieses blaue Leuchten, die 4,60 Meter hohe Christusfigur überm Altar, das ganze Gebäude von Egon Eiermann, so nüchtern wie feierlich.

Aber dann geht’s los, wir gucken nicht mehr, wir singen, beten, ­hören, denken. In diesem ­Gottesdienst ist Drive. Dafür sorgen die Pfarrerin, eine nicht gleich eingängige Liturgie und ein Organist, der Tempo macht.

Das Thema ist klar am Sonntag Rogate. Beten. Wie geht das? Pfarrerin Ruth Conrad rechnet in dieser Kirche am Ku’damm mit Zweifelnden. Für sie spricht sie ein Vaterunser zum Hinhören. "Vater unser, wenn du im Himmel bist und dein Name heilig ist, warum geschieht dann nicht dein Wille auf Erden?" Wir hören Eduard Mörike: "Herr! Schicke, was du willst, ein Liebes oder Leides; ich bin vergnügt, dass beides aus deinen Händen quillt." Wir singen Paul Gerhardt: "Sei der Verlassnen Vater, der Irrenden Berater, der Unversorgten Gabe, der Armen Gut und Habe."

An den Grenzen des Lebens verliert sich die Sicherheit

Die Pastorin findet nicht nur schöne Stellen, sie weiß auch zu predigen. Ruth Conrad lehrt ­Homiletik an der Humboldt-Universität, "Theorie und Praxis der religiösen Rede". Sie spricht laut und deutlich, beginnt ihre Predigt mit einer Geschichte: Der Vater des ukrainischen Schriftstellers Serhij Schadan ist gestorben. Eine Trauergemeinde von Atheisten kommt vom Friedhof, trifft sich zum Leichenschmaus, aber man kann doch jetzt nicht einfach ­essen! Es fehlen die Worte, es fehlt ein Gebet. An den Grenzen des Lebens und angesichts der Zerbrechlichkeit der Welt verliert sich die Sicherheit, die Eindeutigkeit, da fällt uns nichts ein. "Wir borgen uns die Worte, die Jesus den Jüngern gegeben hat", wir sprechen uns hinein in den Chor der Generationen, die sich vom Vaterunser haben berühren lassen. "Es verwandelt uns, weil wir das Gewöhnliche neu sehen, es führt uns zurück in die Mitte des Lebens."

Die Reflexion über das ver­bindende Gebet tut gut, die Orgel­musik von Kirchenmusikdirektor Helmut Hoeft anschließend auch. Ein belebender Gottesdienst. In Berlin ist eben alles etwas schneller. Jetzt dürfen die Touristen wieder rein!

Infobox

Büro der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde:

Lietzenburger Straße 39 (1. OG)
10789 Berlin

geöffnet Mo, Di, Fr: 9.00–12.00 Uhr, Mi: 15.00–17.00 Uhr

Telefon: 030/2 18 50 23
E-Mail: info@gedaechtniskirche-berlin.de

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"Vater unser, wenn du im Himmel bist und dein Name heilig ist, warum geschieht dann nicht dein Wille auf Erden?" 

Aber mein Wille geschieht doch, im Schicksal der göttlichen Sicherung der Vorsehung, weil Mensch seit dem ersten und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung seine dem Instinkt entsprechende Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und "Individualbewusstsein" lieber in wettbewerbsbedingt-gebildeter Suppenkaspermentalität ausdrückt, bis die Vernunftbegabung meiner Vernunft mit ebenbildlichen Verantwortungsbewusstsein zum Freien Willen und ... gereicht!

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