Länderkarte mit farbig markierten DNA-Ergebnissen der Herkunft
Sarah Zapf Herkunft Böhmen
Sarah Zapf
Herkunft im Röhrchen
Die eigenen Vorfahren? Für viele Menschen ein Rätsel. Was ich durch einen Gentest-To-Go über meine böhmischen Ahnen lernen konnte.
16.03.2023

Unser menschlicher Körper ist faszinierend. Denn nicht nur unser Blut spricht mit allen Testparametern mehrseitige medizinische Bände, sondern ebenso andere Körperflüssigkeiten. Speichel zum Beispiel. Den habe ich vor fast drei Jahren in einem daumenhohen Röhrchen direkt von zuhause aus mit der Post eingeschickt. Das winzige Paket ging aber nicht an ein Labor meines Münchner Hausarztes, sondern stattdessen an eine Adresse in der Schweiz. Von dort wanderte es sogar weiter in die USA, dem Hauptsitz des Empfängers. Anders als bei meinen regulären Blutabnahmen, wo ich etwa hin und wieder meine oftmals miserablen Eisenwerte checken lasse, gab es dieses Mal keinen medizinischen Grund.

Immerhin 49 Euro berappte ich. Ein Angebot, das mich durch eine Werbemail in meinem Posteingang neugierig stimmte.

Der Text der Mail, die ich normalerweise situativ entweder ignoriert oder gleich gelöscht hätte, enthielt aber so gekonnt platzierte Schlagwörter, die meinen Entdeckersinn beflügelten. Dieses Mal war es anders – denn einige Worte reichten aus, eine Art Sehnsucht und Neugier in mir zu wecken. Irgendwie war mir dann auch der mangelhafte Datenschutz egal. „Millionen von Menschen haben etwas Neues über sich erfahren“. Daneben noch „Präzise Herkunftsangaben und historische Hintergrundinformationen“. Weiter unten der vielversprechende Hinweis „Mehr als 100 Millionen Stammbäume und Milliarden von Aufzeichnungen“. Und die etwas abenteuerliche Frage „Könnte es sein, dass ich von Wikingern abstamme?“

Also klickte ich auf den Bestellbutton. Und trug meine Daten ein. Dabei bin ich eigentlich ganz und gar nicht anfällig für Kaufangebote. Sämtlichen Werbemaschen gehe ich in der Regel gekonnt aus dem Weg – stolz, dass ich nicht eine der bemitleidenswerten Personen bin, die sich kartonweise unnütze Dinge nach Hause bestellen.

Tage später landete das Paket mit dem Röhrchen und einem Infoblatt dann auch in meinem Briefkasten. Und mit dem Wegschicken des Röhrchens begann tatsächlich eine unbekannte Reise, die nach sieben Wochen geduldiger Wartezeit durch die entscheidende E-Mail in meinem Postfach gekrönt wurde. Dieses Mal auf mich zugeschnitten – mit persönlicher Anrede und Login-Daten. Der Weg zu meinen Vorfahren ist anscheinend digital, dachte ich. Und nicht mehr in Aktenordner-Stapeln voller Personeneinträgen, die seit Jahrhunderten ihr angestaubtes Dasein in Kellerräumen der Gemeinden fristen.

Mein Opa Joachim etwa hat einen großen Teil seiner Freizeit als pensionierter Pfarrer auch damit zugebracht, von Ort zu Ort zu fahren und die Kirchenbücher stundenlang zu durchforsten. Seine eifrige und akribische Suche über Jahre hinweg hat der Familie meiner Mutter immerhin einen mehrgliedrigen Familienstammbaum verschafft, der an einigen Stellen bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht. Und mir so auch bestätigt, dass eine direkte Nachfahrenschaft in 16. Generation vom berühmten Rechenmeister Adam Ries eben noch lange keine 15 Punkte im Mathe-Abitur verschafft.

Immerhin gab es einen Eintrag in das Nachfahrenbuch des Adam-Ries-Bundes. Und schicke beglaubigte Urkunden, die sich einige meiner Verwandten tatsächlich gerahmt an die Wand gehängt haben. Wenn schon Nachfahre von Adam Ries, dann auch das volle Programm. Für meine beiden Brüder Lukas und Markus war diese genealogische Feinarbeit aber nicht identitätsentscheidend.

Opa lebte in Böhmisch-Wiesenthal im heutigen deutsch-tschechischen Grenzgebiet

Über die Familie meiner Mutter wusste ich also durch den Ahnenforschungsdrang meines Opas recht gut Bescheid. Die mir eher unbekannte Seite lag bei meinem Vater. Irgendeine bereichernde Klärung versprach ich mir also von dem Röhrchen und dem DNA-Netzwerk, das ich einfach von meinem Laptop oder Handy jederzeit abrufen konnte.

Mein Vater erzählte erst recht spät, dass seine älteren Geschwister zur Kriegszeit noch auf tschechischer Seite im damaligen Böhmen geboren wurden. Und die Familie nach Kriegsende wie viele andere vertrieben wurde. Mehr wusste ich nicht. Ich glaube, ich erhoffte mir einen eindeutigen Beweis für meinen böhmischen Großvater Heinrich Florian Zapf, den ich durch seinen frühen Tod Anfang der 80er-Jahre nie kennenlernen konnte. Und die weitere Entschlüsselung meiner geografischen und ethnischen Herkunft.

Leseempfehlung

Auf der Seite fand sich prominent die Zusammenfassung meiner DNA-Ergebnisse. 52 Prozent Deutschsprachige Regionen Europas, da vorrangig Mittel- und Südwestdeutschland. Und Franken/Thüringen. Könnte stimmen, dachte ich. Bis zu 49 Prozent Osteuropa und Russland, auf der Karte zog sich der Kreis auch rund um die heutige deutsch-tschechische Grenze. Oha. Also doch. Dazu noch ein kleiner Anteil Schweden, England, Wales und Nordwesteuropa. Und sogar die von den Eltern geerbten Regionen, anschaulich in einem Kreisdiagramm dargestellt. Können ein paar Milliliter Speichel wirklich so präzise sein?

Mein Stammbaum erweitert sich

Anscheinend schon. Denn ich lernte erst durch den Test eine 89-jährige ältere Dame aus den USA durch einen vorgeschlagenen DNA-Match, also Personen mit einer hohen genetischen Übereinstimmung, kennen. Unsere Nachrichten gingen an einem Samstagnachmittag so lange hin und her, bis ich nach stundenlanger angestrengter Recherche in genealogischen Datenbanken wusste, wann genau die Großtante meines Vaters, Anna Zapf, aus dem damaligen Ort Böhmisch-Wiesenthal, auf der heutigen tschechischen Seite des Erzgebirges, mit einem Schiff von Bremen in Richtung USA aufbrach.

Volltreffer. Die 89-jährige Dame war nicht nur ihre Verwandte, sondern auch die meines Großvaters. Und damit auch meine. Mein eigener Stammbaum auf der Seite vergrößerte sich um weitere mir bis dato unbekannte Personen, die alle auch in der Linie meines Großvaters zusammenliefen. Irgendwie holt so eine intensive Suche nach der familiären Vergangenheit einen aber auch ein Stück weit in die Gegenwart zurück. Denn man erkennt, dass alles im Fluss ist. Und man ein kleines, aber bedeutsames Puzzleteil in der eigenen Identität hinzufügen kann. Für mich auch ein verbindendes Gefühl.

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