Syrien: Nothilfe nach dem Erdbeben

"Es ist ein Drama!"
Zwei Männer von Rettungsteams laufen durch zerstörte Straßen in Aleppo, vorbei an Schuttbergen und eingestürzten Häusern.

Louia Beshara / AFP / Getty Images

Syrische Rettungsteams suchen in Aleppo nach Opfern und Überlebenden.

Erdbeben in Syrien und der Türkei

Aleppo traf es am meisten, aber auch in anderen syrischen Städten ist die Lage katastrophal, berichten Pfarrer. Enno Haaks vom evangelischen Gustav-Adolf-Werk versucht, ihnen zu helfen.

chrismon: Wie ist die Lage in Syrien nach dem katastrophalen Erdbeben?

Enno Haaks: Aleppo ist durch den Krieg schon sehr stark beschädigt und wohl auch jetzt am stärksten betroffen, aber auch in Latakia sind viele Gebäude eingestürzt. Viele Menschen haben Angst, in ihre Häuser zurückzugehen. Die Sorge ist groß, dass durch Nachbeben noch mehr zusammenbricht. Die Kirche der Nationalen Evangelischen Synode in Aleppo war durch den Bürgerkrieg völlig zerstört. Das Gustav-Adolf-Werk hat mitgeholfen, sie wiederaufzubauen. Jetzt ist sie erneut beschädigt.

Enno Haaks

Enno Haaks, geboren 1963, ist seit 2010 Generalsekretär des evangelischen Hilfswerks Gustav-Adolf-Werk, das religiöse Minderheiten in 40 Ländern der Welt unterstützt. Das GAW arbeitet mit 50 protestantischen Partner-Kirchen in Europa, Lateinamerika und Asien zusammen.
Christian Modla

Michael Güthlein

Michael Güthlein, Jahrgang 1990, ist Redakteur am Magazin-Desk von chrismon, epd Film und JS-Magazin. Er hat Journalismus, Geografie und Germanistik in Mainz und Bamberg studiert. Er schreibt am liebsten über gesellschaftspolitische Themen und soziale Gerechtigkeit.
Lena Uphoff

Was berichten die Pfarrer dort? Wie helfen die Kirchen?

Ich habe gestern Abend mit Pfarrer Haroutune Selimian von der armenisch-evangelischen Kirche in Aleppo telefoniert. Die Lage ist katastrophal. Die Menschen seien voller Angst zur Kirche gekommen. In der Bethelkirche gibt es ein Medizinzentrum. Dort behandeln sie Verletzte, sammeln und verteilen Essen und Decken. Man versucht auch, Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, in Kirchen und Schulen unterzubringen. Selimian sagte mir, sie haben den Krieg überstanden und werden auch das überstehen. Aber sie brauchen Hilfe.

Und in Latakia?

Pfarrer Salam Hanna von der Nationalen Evangelischen Synode in Syrien und Libanon hat mir geschildert, dass sie zwei Erdbeben und zehn Nachbeben gespürt haben. Dazu kommt Regen und kaltes Wetter. Die Situation sei instabil und schrecklich. Auch sie haben Familien in der Kirche aufgenommen und mit Tee und Obst versorgt, da alle Geschäfte geschlossen sind. Joseph Kassab, der Generalsekretär der Nationalen Evangelischen Synode hat uns gemailt, dass ganze Dörfer zerstört wurden. Er schrieb: Von allen Katastrophen, die über uns hereingebrochen sind, ist dies diejenige, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Was wird am dringendsten gebraucht?

Die Menschen benötigen Matratzen, Decken und Dieselöl für Strom und Wärme im kalten Winter. Wir schicken erste Hilfsgelder nach Beirut im Libanon. Die große Frage ist derzeit: Wie bekommen wir die Hilfe nach Syrien hinein? Das ist unter den Kriegsbedingungen nicht einfach.

Wie wirkt sich der Bürgerkrieg in Syrien auf das Katastrophengebiet aus?

Durch den Krieg ist in Syrien ohnehin schon viel zerstört. Der Staat ist vielerorts nicht präsent oder schlecht organisiert. Die Katastrophenhilfe hängt dadurch sehr stark von den Leuten vor Ort ab. Wichtig ist jetzt, die Infrastruktur wiederherzustellen, genügend Lebensmittel zu besorgen, außerdem Gas zum Kochen und Heizen. Aber in Gebiete, die zum Beispiel von Islamisten kontrolliert werden, kommt man nicht so leicht hinein.

Wie unterstützen Sie Ihre Partner von Deutschland aus?

Wir müssen abwarten, was sie uns berichten. Wir versuchen, Kontakt zu halten, zu informieren und Spenden zu sammeln.

Helfen auch Sachspenden?

Nein, bitte keine Sachspenden! Die Helfenden vor Ort sagen uns, dass die nur die Infrastruktur verstopfen. Am hilfreichsten ist es, Geld zu spenden.

Wie könnte es weitergehen?

Nach der ersten Nothilfe beginnt der Wiederaufbau. Ich bin gespannt, was das Erdbeben für Auswirkungen auf die Leute vor Ort hat. Steht uns die nächste Flüchtlingswelle bevor? Die Leute haben jetzt ja noch weniger. Erst der Krieg und jetzt das Erdbeben in einem Staat, der große Schwierigkeiten hat, die Menschen überhaupt zu versorgen und das Land aufzubauen. Es ist ein Drama!

Spendenkonto des Gustav-Adolf-Werk:

IBAN: DE42 3506 0190 0000 4499 11
BIC: GENODED1DKD
KD-Bank
Stichwort: Syrienhilfe Erdbeben

Der italienische Fotograf Alessio Paduano ist in der Türkei unterwegs. Seine Bilder zeigen das Ausmaß der Verwüstung durch das Erdbeben.
Ein Blick auf die zerstörte Stadt Kahramanmaraş in der Türkei am 13. Februar 2023 - eine Woche nach dem verheerenden Beben.

Alessio Paduano

Ein Blick auf die zerstörte Stadt Kahramanmaraş in der Türkei am 13. Februar 2023 - eine Woche nach dem verheerenden Beben.

Kahramanmaras, Turkey - February 13, 2023 - A general view of the city.

Ein Blick in die fast völlig zerstörte Moschee in der türkischen Provinz Hatay.

Alessio Paduano

Die Moschee in der türkischen Provinz Hatay wurde beim Beben fast völlig zerstört.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - A damaged mosque in the center of the city.

Ein Helfer des Roten Kreuzes steht am 12. Februar mit einem Suchhund vor den Ruinen eines Gebäudes in Hatay.

Alessio Paduano

Ein Helfer des Roten Kreuzes steht am 12. Februar mit einem Suchhund vor den Ruinen eines Gebäudes in Hatay.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - An operator of the Red Cross, a rescuer dog and a woman are seen in the middle of the rubble.

Ein staubbedecktes, beschädigtes Familienalbum in Hatay mit zwei Fotos, auf denen Menschen zu sehen sind

Alessio Paduano

Ein staubbedecktes, beschädigtes Familienalbum in Hatay.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - Family album are seen in the city center.

Blick von oben auf eine zerstörte Straße beim türkischen Ort Pazarcık. Das Foto zeigt, mit welcher Wucht das Beben die Region getroffen hat.

Alessio Paduano

Diese zerstörte Straße beim türkischen Ort Pazarcık zeigt, mit welcher Wucht das Beben die Region getroffen hat.

Pazarcik, Turkey - February 14, 2023 - The fault caused by the earthquake of February 6 in Turkey.

Ein Mann läuft am 13. Februar in Kahramanmaraş durch die Trümmer seiner Küche.

Alessio Paduano

Ein Mann läuft am 13. Februar in Kahramanmaraş durch die Trümmer seiner Küche.

Kahramanmaras, Turkey - February 13, 2023 - A man is seen in the kitchen of his house after the earthquake.

Schutthaufen in Hatay am 12. Februar 2023 im Stadtzentrum mit einem verbeulten Auto auf dem Schuttberg

Alessio Paduano

Schutthaufen in Hatay am 12. Februar 2023 im Stadtzentrum.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - Heaps of rubble are seen in the city center.

Eine Frau trägt Trinkwasserflaschen durch das verwüstete Hatay in der Türkei. Viele tausend Menschen haben durch das Beben ihre Wohnungen und Häuser verloren.

Alessio Paduano

Eine Frau trägt Trinkwasserflaschen durch das verwüstete Hatay in der Türkei. Viele tausend Menschen haben durch das Beben ihre Wohnungen und Häuser verloren.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - A woman carries water boxes.

Menschen scharen sich am 14. Februar nachts in Kahramanmaraş um ein Feuer.

Alessio Paduano

In den betroffenen Regionen in der Türkei und in Syrien herrschen nachts eisige Temperaturen. Hier scharen sich Menschen am 14. Februar in Kahramanmaraş um ein Feuer.

Kahramanmaras, Turkey - February 14, 2023 - People are seen near a fire.

Bagger räumen in Kahramanmaraş die Trümmer zur Seite.

Alessio Paduano

Bagger räumen in Kahramanmaraş die Trümmer zur Seite.

Kahramanmaras, Turkey - February 13, 2023 - Mechanical blades at work.

Ein erschöpfter Arbeiter ruht sich am 12. Februar auf einer Matratze aus. Noch über eine Woche nach dem Beben werden vereinzelt Menschen aus den Trümmern gerettet. Das gleicht oft einem Wunder, da die Überlebenschancen nach 72 Stunden äußerst gering sind.

Alessio Paduano

Ein erschöpfter Arbeiter ruht sich am 12. Februar auf einer Matratze aus. Noch über eine Woche nach dem Beben werden vereinzelt Menschen aus den Trümmern gerettet. Das gleicht oft einem Wunder, da die Überlebenschancen nach 72 Stunden äußerst gering sind.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - A worker rest on on a mattress in the middle of the rubble.

Ein Mann steht inmitten von Massengräbern außerhalb von Kahramanmaraş. Am 14. Februar liegt die Zahl der Toten bereits bei über 40.000. Experten gehen davon aus, dass noch viele tausend Tote mehr geborgen werden.

Alessio Paduano

Ein Mann steht inmitten von Massengräbern außerhalb von Kahramanmaraş. Am 14. Februar liegt die Zahl der Toten bereits bei über 40.000. Experten gehen davon aus, dass noch viele tausend Tote mehr geborgen werden.

Kahramanmaras, Turkey - February 13, 2023 - A man is seen near a mass grave outside Kahramanmaras.

Ein eingestürztes Gebäude in Hatay.

Alessio Paduano

Ein eingestürztes Gebäude in Hatay.

Hatay, Turkey - February 12, 2023 - A damaged building in the city center.

Ein Mann steht auf den Verwerfungen, die das Beben im türkischen Pazarcık auf einer Straße verursacht hat, er stützt das Gesicht in die Hand und sieht fassungslos aus.

Alessio Paduano

Ein Mann steht auf den Verwerfungen, die das Beben im türkischen Pazarcık auf einer Straße verursacht hat.

Pazarcik, Turkey - February 14, 2023 - A man is seen near the fault caused by the earthquake of February 6 in Turkey.

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Lesermeinungen

Sehr geehrte Damen und Herren,
berührende Bilder und Kommentare erreichen uns seit Stunden vom Erdbebengebiet der Türkei und Syriens. Menschen kämpfen selbstlos, aufopferungsvoll um das Leben, um Rettung jedes Menschen aus den Trümmerbergen. Eine Naturkatastrophe die zu erklären, zu verstehen nur schwer ist. Sie scheint aus unsererm wohligenWohnzimmer unvorstellbar. Die Hilfe, Mitgefühl, Spendenbereitschaft, Solidarität über alle Grenzen, Nationen, Völker hinweg, über Feind und Freund, sind plötzlich selbstverständlich. Wir brauchten keinen Krieg, höre ich neben mir sagen. Auch ohne Naturkatastrophen brauchten wir Kriege nicht. Ist aber in solchen Stunden nicht eine Frage zu stellen? Wenn wir in diesen Stunden sehen und hören, wie plötzlich jede Feindschaft selbst zwischen Freund und Feind aus der Welt, aus Denken und Tun verschwunden scheint, wer erklärt dann endlich mal warum es Kriege braucht, wer sie braucht und wofür? Warum muss diese Frage ewiges Geheimnis bleiben bis sich die Menschheit selbst mit Krieg vernichtet hat? Russische Soldaten helfen neben anderen. Wie das? Russenhass, Hass auf alles Russische, auf russische Kultur, Speisen usw. , wird uns täglich verordnet. Und was sehen wir? Menschen sind sich nicht Feind, nicht Russen, Ukrainer, Deutsche u.a.. Wer macht sie warum zu Feinden? Eine Naturkatastrophe kann manchmal auch Fragen wie Antworten geben.. Wenn wir es wollen. Was haben die in Kopf und Sinn, welche Interessen haben alle jene, die den Krieg in der Ukraine wollten, die mehr und mehr wollen, die mehr Waffen, Panzer schicken um Bilder zu erzeugen wie im Erdbebengebiet. Wollen das nur Russen, nur Ukrainer, Amerikaner, Deutsche usw.? Bauchen wir weltweit Erdbeben damit Frieden ist, Feinde sich nicht mehr Feind sein müssen, weil es ihnen gesagt wird? Bringt die Naturzerstörung die Menschheit zu Verstand? Was sagt der Glaube woran auch immer wo es nur einen Gott geben kann der die Antwort hat?

Roland Winkler

Bewegende Worte. Und jeden Tag gibt es neue Meldungen von immer mehr Waffen. Es ging um immer mehr Panzer, nun geht es um immer mehr Kampfjets. Es geht um immer mehr Zerstörung. Es geht um immer mehr Tote. Das ist eine völlig grauenhafte Melodie.