Corona-Regeln sind keine Glaubenssache!
Gottesdienste sind für alle offen, aber für Adventskonzerte gilt 2G. So will es die evangelische Kirche halten
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
29.11.2021

Man kann immer noch einiges lernen von der Art, wie Reformatoren vor 500 Jahren mit der Pandemie ihrer Zeit, der Pest, umgegangen sind. Sie haben dazu aufgerufen, nicht Wundergestalten anzubeten oder nach Wundermitteln zu suchen, sondern auf die Ärzte und die Wissenschaft zu hören. Sie haben eindringlich dafür geworben, die sinnvollen Anordnungen der Obrigkeit zu befolgen und die Quarantäneregeln einzuhalten. Ihnen war wichtig, dass die Kranken und Sterbenden nicht alleingelassen werden, deshalb sollten Ärzte und Pfarrer vor Ort bleiben. Von Verschwörungsmythen und anderem aggressiven Aberglauben hielten sie nichts, deshalb predigten sie Gottvertrauen und Christusfrömmigkeit. Und schließlich warben sie für Besonnenheit.

(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel

Johann Hinrich Claussen

Johann Hinrich Claussen, geboren 1964, ist Kultur­beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Für chrismon schreibt er jede Woche den Blog "Kulturbeutel". Von ihm er­schien zuletzt: "Die seltsamsten Orte der Religionen: Von versteckten Kirchen, magischen Bäumen und verbotenen Schreinen" (C. H. Beck-Verlag, 2020) und zusammen mit Martin Fritz, Andreas Kubik, Rochus Leonhardt, Arnulf von Scheliha: "Christentum von rechts" (Verlag Mohr Siebeck, 2021). Außerdem ist er Autor des Podcast: "Draussen mit Claussen"

Besonnenheit ist gerade nicht so leicht zu haben. Vielleicht hilft der Besuch eines Advents- oder Weihnachtsgottesdienstes? Vor einem Jahr gab es über sie eine besinnungslos-heftige Streiterei. Ich hoffe sehr, dass sich das nicht wiederholt. Aber ich bin ganz zuversichtlich. Die Kirchengemeinden haben inzwischen jeweils für sie passende Sicherheitskonzepte entworfen und eingeübt. Viele Ehrenamtliche haben dabei mitgewirkt und praktisch Verantwortung übernommen. Das ist eine Leistung, die auch einmal öffentlich gewürdigt werden sollte.

Nun wird darüber diskutiert, ob die Regeln für den Besuch eines Gottesdienstes verschärft werden sollten. Auch hier möchte ich für Besonnenheit plädieren. Es gilt, das rechte Maß zu finden und die Verantwortung vor Ort zu stärken. Deshalb sollte es keine allgemeingültigen Direktiven von oben geben. Sie sind auch nicht geplant. Die allermeisten Kirchengemeinden halten ihre Gottesdienste für alle offen, die kommen möchten. Man muss sich nur an die eingespielten Regeln halten: Maske aufsetzen, Abstand halten, Kontaktdaten angeben. Dann können auch Ungeimpfte mitfeiern. Vielleicht brauchen sie es ganz besonders. Allerdings wird es einige Kirchengemeinden geben, die auf 2G bestehen müssen, weil bei ihnen die baulichen Gegebenheiten es erfordern. Dann ist das so. Zum Glück gibt es viele Alternativen: die Nachbargemeinde, Fernseh- oder Youtube-Gottesdienste.

Besonnenheit tanken

Anders ist es bei Advents- und Weihnachtskonzerten. Hier wird wohl durchgängig 2G gelten, denn sonst könnte man nicht ausreichend Menschen hineinlassen und die Anzahl an Eintrittskarten verkaufen, mit denen diese Konzerte finanziert werden. Es ist deshalb auch im Sinne der Musikerinnen und Musiker, dass nur Genesene und Geimpfte Einlass finden. Bei kleineren Gemeindeveranstaltungen und Gesprächskreisen wird es ähnlich sein. Wenn mehrere Menschen für einen längeren Zeitraum enger beieinander sind, sollten sich alle sicher fühlen können.

Damit sind die Kirchengemeinden gut vorbereitet auf die Advents- und Weihnachtszeit. Deshalb besteht keine Notwendigkeit, aus dieser oder jener Corona-Regel eine Glaubenssache zu machen. Das Entscheidende findet in der Kirche statt und nicht am Eingang. Dort geht es um sinnvolle praktische Vorkehrungen, die man mit Vernunft und Rücksicht regeln, aus denen man aber keine Bekenntnisfragen machen sollte. So hoffe ich, dass viele Menschen mit einem guten Gefühl zu unseren Gottesdiensten kommen, sich willkommen fühlen und danach innerlich gestärkt wieder nach Hause gehen. Und wer weiß, vielleicht wird der eine oder die andere eine heilsame Portion Besonnenheit getankt haben.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Rakete aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.