Freie Fahrt für Freiwillige!
Wer Freiwilligendienste wirklich stärken will, muss Vergünstigungen bieten
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
21.01.2020

Schön für Bundeswehrsoldaten, dass sie ab dem 1. Januar kostenlos in allen Zügen der Deutschen Bahn mitfahren können. Es sei ihnen gegönnt. Aber was ist mit den 100 000 Ehrenamtlichen in den diversen Jugend- und Bundesfreiwilligendiensten - sollten die nicht auch Freifahrten bekommen? Nicht einmal Zuschüsse für den Nahverkehr stehen ihnen zu, obwohl sie mit einem Taschengeld von maximal 400 Euro auskommen müssen und doch eigentlich der Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten, freiwillig.

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Burkhard Weitz

Burkhard Weitz war als chrismon-Redakteur bis Oktober 2022 verantwortlich für die Aboausgabe chrismon plus. Er studierte Theologie und Religionswissenschaften in Bielefeld, Hamburg, Amsterdam (Niederlande) und Philadelphia (USA). Über eine freie Mitarbeit kam er zum "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" und war mehrfach auf Recherchen in den USA, im Nahen Osten und in Westafrika. Seit November 2022 betreut er als ordinierter Pfarrer eine Gemeinde in Offenbach.

Indessen diskutieren Unionspolitikerinnen und -politiker eine allgemeine Dienstpflicht in Krankenhäusern, Altenheimen, Behindertenwerkstätten, Kindergärten und anderen sozialen Einrichtungen. Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer fordert das, und Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung in der Union, ebenso. Wenn diese Politiker wirklich den Freiwilligendienst stärken und nicht einfach nur Jugendliche zwangsverpflichten ­wollen, könnten sie gleich Ernst machen. Sie könnten den vielen jetzt schon aktiven Ehrenamtlichen beispringen und auch ihnen freie Fahrt im öffentlichen Nah- und Fernverkehr gewähren.

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Diese Idee hat zwei Schönheitsfehler. Als es noch Wehrpflichtige gab, war das ok. Die derzeitigen Soldaten sind Beamte auf Zeit, werden also vom Bund für ihre Arbeit bezahlt. Diese Sondervergünstigung müsste dann aber auch für alle vergleichbaren Berufsgruppen gelten. Falls der Bund der Bahn den Einnahmeausfall bezahlt, wäre das auch noch ein geldwerter Vorteil für die Soldaten.
Das Ärgernis besteht für mich aber darin, dass natürlich Soldat:innen eine Leistung für die Gesellschaft erbringen. Das muss dann aber auch für Kranken- und Altenpflegepersonal gelten, für Feuerwehrleute und THW Mitarbeiter und und und ...
Mit anderen Worten, eine völlig unausgegorene Idee.

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Bemerkenswert ist, wie ähnlich die Argumente der Gegner der Freifahrtscheine den Begründungen der Befürworter sind. Die Freifahrtscheine gibt es nicht für Soldaten schlechthin, sondern für Uniformträger. Es soll also als das Normalste der Welt gelten, dass es das Militär gibt. Deswegen sollen die Soldaten auch noch in ihrer Freizeit in Uniform herumreisen. Und dieser angeblichen Normalität des Militärs stimmen die Kritiker der Regelung genau zu, indem sie Freifahrtscheine für sonstige Personengruppen fordern.

Der Kommentarschreiber Herr Karl Rathgeber drückt das erfreulich unverblümt aus: "dass natürlich Soldat:innen eine Leistung für die Gesellschaft erbringen." Vielleicht sollte mal wieder daran erinnert werden, dass eine größere Art dieser Leistungserbringung vor 75 Jahren mit eindrücklichen Ergebnissen endete. Das gilt nicht nur für die Leistungserbringer, die die Leistung eröffneten durch eine freie Fahrt nach Polen im September 1939. Es gilt auch für die siegreiche Leistungserbringung, die die Befreiung vom Faschismus in der Weise brachte, dass heute die AfD ziemlich im Saft steht.

Traugott Schweiger

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