Illustration/Animation: Lucie Göpfert und Falk Schuster
Wenn's Pfarrer Walker zu wohl wird, geht er auf's Eis
Für die Pfarrhausausstellung in Berlin hat die Illustratorin Lucie Göpfert gemeinsam mit Falk Schuster, Geschichten aus und über die Kirche in Szene gesetzt: So den Eislauf des schottischen Pfarrers Robert Walker, die jugendlichen Gewissensbisse C. G. Jungs, die wie bei Martin Luther schließlich zur Einsicht führten, dass Gott gnädig ist, animiert - und eine ungewöhnliche und nicht zur Nachahmung empfohlene Geduldsprobe eines Pfarrers für seine zukünftige Ehefrau

Portrait Eduard KoppLena Uphoff
18.12.2013

Warum so leidenschaftlich, Herr Pfarrer?

Elegant zieht er seinen Bahnen über das Eis, der schottische Pfarrer Robert Walker. Er trägt seinen knielangen schwarzen Talar, darunter ein enge schwarze Hose und Schlittschuhe. Die Arme hat er elegant vor der Brust verschränkt. Der Maler Henry Raeburn hat den Reverend 1795 gemalt, das Bild hängt in der Schottischen Nationalgalerie in Edinburgh.

Die Eleganz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Geistliche etwas Ungeheuerliches tat: Er gab sich vor aller Augen seiner sportlichen Leidenschaft hin und war sogar Mitglied in der Edinburgh Skating Society.

Ein Skandal - Pfarrer Walker dreht elegant seine Runden auf dem Eis. Und Lucie Göpfert zeigt einen Reverend, der trotz seiner Leidenschaft auf dem Eis Haltung bewahrt.

Ein Pfarrer,  der öffentlich und leidenschaftlich Sport macht? Das war zu dieser Zeit eigentlich undenkbar. Noch hundert Jahre später (!) beschrieb der deutsche Pfarrer Friedrich Hashagen, auch er ein Fan des Schlittschuhlaufs, in seiner Autobiographie: „Dass es manchen Gemeindemitgliedern auffallen und anstößig sein werde, wenn sie ihren Pastor auf dem Eise herumschweifen oder auch einmal hinstürzen sähen, konnte nicht bezweifelt werden. Als der Pastor einer benachbarten Gemeinde beim Eislaufen auf der Weser ###mehr-extern### durchgebrochen war und mit Mühe hatte vor dem Ertrinken gerettet werden können, verlauteten nicht wenige Stimmen, er habe sich seit einer Woche fast jeden Tag stundenlang auf dem Eis herumgetrieben und man müsse sich wundern, dass er in einer großen, arbeitsvollen Gemeinde so viel Zeit für dies Vergnügen finde.“

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Die kindliche Angst des C. G. Jung vor der Hölle

Ganz schön nachdenklich, der junge Herr, ja mehr als das: Er ist geradezu skrupulös. Carl Gustav Jung, Sohn eines früh verstorbenen reformierten Pfarrers in Basel, der später ein berühmter Psychoanalytiker werden sollte, fragte sich als junger Mann fast selbstquälerisch: Was ist moralisch gut, was nicht? Was darf ich tun, was nicht? Was ist, wenn ich sündige - überwerfe ich mich dann mit Gott? Darf ich Gottes Allmacht überhaupt in Gedanken in Frage stellen, mich gegen ihn auflehnen?

Die jugendlichen Gewissensbisse C. G. Jungs, zeigt Lucie Göpfert in Zusammenarbeit mit Falk Schuster, in dieser bewegten Illustration.

Durch den Kopf des Jungen wälzen sich schwierige Grundsatzfragen. Die wichtigste: Wenn Gott die Menschen als vollkommene Wesen geschaffen hat, warum sündigen sie dann? Es kostet den kleinen C. G. Jung schlaflose Nächte und größte Seelenqualen, bis er erkennt: Gott hat die Menschen so, wie sie sind, erschaffen: als sündige Wesen. Es muss geradezu seine Absicht gewesen sein, dass sie – willentlich oder unwillentlich - sündigen. Und wenn dem so ist, dann will er sie vielleicht auf die Probe stellen, also wissen, ob und wie sie sich der Versuchung erwehren.

Aber dann kann ihnen, wenn sie scheitern,  auch nicht unausweichlich die Hölle drohen. Im Gegenteil: „Gott will offenbar auch meinen Mut“, sagt sich der junge Carl Gustav, „und er wird mir dazu seine Gnade und Erleuchtung geben. Etwas wirklich Böses wird nicht dabei herauskommen, wenn ich etwas Mutiges tue."

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Eine Ohrfeige für die Braut. Oder: Warum Hochwürden handgreiflich wurde

Diese Schlagzeile würde sich heute kein Boulevardblatt entgehen lassen: „Pfarrer schlägt Braut vor Augenzeugen“. Jedes Detail daran erscheint heute als unzuträglich. Und damals? Es war Johann Friedrich Flattich, seinerzeit Pfarrer auf dem Hohenasperg, der in der Öffentlichkeit Christina Margarethe Groß, eine Pfarrerstochter aus Murr bei Marbach, unangekündigt ins Gesicht schlug, um ihre Duldsamkeit und ihre Eignung für den Ehestand zu erproben. Wenn sie das klaglos hinnimmt, so seine Berechnung, dann ist sie die richtige Braut für mich. Christina Margarethe ließ diesen bösen Übergriff tatsächlich wort- und klaglos geschehen und bewies genau die Selbstbeherrschung, die sich der Pfarrer wünschte.

Sie liess zu, dass der Pfarrer sie schlug -und Lucie Göpfert und Falk Schuster animierte diese Geschichte für die Pfarrhausaustellung in Berlin.

Auf Proteste gegen den handgreiflichen Pfarrer reagierte sein Vorgesetzter, der Dekan, gelassen. Er beurteilte den prügelnden Pfarrer mit den Worten: „Er weiß mit den Gemütern der Menschen kläglich umzugehen und mit Geduld der rechten Zeit abzuwarten. Solches kommt ihm bei der fleißigen Arbeit in seiner Gemeinde zugute.“ Geduld? Es war wohl eher seine Braut die Geduld – im Übermaß – bewiesen hat.

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