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Wirtschaftskrise, Rüstungsfragen, Glaubensvielfalt: Drei Themenfelder, auf denen der Hamburger Kirchentag seine Weltoffenheit beweisen kann.
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
19.04.2013

chrismon Redakteur Eduard Kopp


Vom Funken verstehen die Hamburger schon immer sehr viel. Die Reedereien bleiben über Funkbrücken in Kontakt mit ihren Schiffen und dirigieren sie durch die Weltmeere. Sie wissen minutengenau, wann ihre wertvolle Fracht in fremden Häfen gelöscht wird oder nach der Rückkehr im heimatlichen Hafen anlangt.

Zum Kirchentag haben Hamburger Amateurfunker eigens eine Station bei der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis, dem „Michel“, aufgebaut. Das Zubehör - nebst den Funkgeräten: ein 40 Meter langer Draht und ein ausrangierter Bus. Kirchenmusikdirektor Manuel Gera und seine Freunde sind während des Kirchentags auf Sendung. Unter „DL0HHM“ macht sich Hamburg über den Äther weltweit bemerkbar.

Auch evangelisch ein "Tor zur Welt"

Die Freie und Hansestadt Hamburg, nach eigener Auskunft ein „Tor zur Welt“, wird ein ziemlich anderes Bild als Dresden und sein Kirchentag 2011 bieten. Während in Dresden schon aufgrund des überwiegend religionsfernen Umfelds Fragen der Mission, des Staat-Kirche-Verhältnisses und der religiösen Grundinformationen eine große Bedeutung hatten, lässt sich für Hamburg ein besonderes Interesse an anderen Religionen, an einer wirtschaftsethischen Neubesinnung nach der Bankenkrise und an einer kritischen Bestandsaufnahme der Friedenspolitik einschließlich der Rüstungsexporte ausmachen.

  Weltoffen will sich der Deutsche Evangelische Kirchentag zeigen. Er will sich selbstbewusst und neugierig in das Gespräch mit den anderen Religionen und Konfessionen werfen. Die Protestanten wollen gerade dem Dialog mit den Muslimen neuen Schwung verleihen. Die Integration von Muslimen und Andersgläubigen sei „eine der größten Herausforderungen für die nächsten Jahrzehnte“, betont Gerhard Robbers, Kirchentagspräsident und Rechtsprofessor in Trier.

Offenheit ist das Gebot der Stunde. Hamburg ist durch einen Staatsvertrag mit mehreren muslimischen Verbänden Vorreiter in der rechtlichen Anerkennung ihrer Religionsgemeinschaften. In Sachen Respekt lässt sich der Staat ungern übertreffen. Dass eine fragwürdige Gruppe „messianischer Juden“ (sie missionieren Juden fürs Christentum) nicht zum Kirchentag zugelassen wurde, ist eine richtige Entscheidung der Programmverantwortlichen. Auch der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider warnt vor einer christlichen Judenmission: „Juden missionieren zu wollen wäre ebenso absurd, wie wenn Protestanten Katholiken missionieren wollten.“

Die Bankenkrise - eine Moralkrise

Ein weiteres wichtiges Kirchentagsthema: die Folgen der Bankenkrise. Sie offenbarte ja auch eine enorme Moralkrise, die bei weitem noch nicht bewältigt ist. Oft genug hat die evangelische Kirche an ihrer Grundaussage wiederholt: „Die Wirtschaft muss den Menschen dienen.“ Viele Banker haben das gar nicht oder höchst subjektiv missverstanden, nämich als Gewinnmaximierung für ihre Bankhäuser oder sie persönlich. Noch nicht ausreichend ist auch die Frage beantwortet: Wer hat das Sagen in Deutschland, das Bankwesen oder die Politik? Bleibt es letztendlich bei der Linie: (Banken)gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert?

Und nicht nur die Banken sind im Blick. Der Kirchentag will sich, so betont Robbers, der grundsätzlichen Frage zuwenden, „wie ethisches Wirtschaften in Unternehmen verankert werden kann“. „Gestalten statt Spekulieren – Soziale Marktwirtschaft im Griff der Finanzmärkte“ heißt das Thema eines wirtschaftsethischen Podiums, das in der Hauptkirche „Michel“ stattfinden wird. Mit dabei SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und etliche Bankenfachleute.

Entschuldung, neu dekliniert

Ein Thema mit Kirchentagstradition ist auch das der internationalen Gerechtigkeit. Appelle zur Entschuldung der ärmsten Länder gehören seit Jahrzehnten zum Kernanliegen der Kirchentage. Durch die Folgen der Bankenkrise hat das Thema Entschuldung einen ganz neuen Dreh bekommen: Auf einmal sind auch ehedem reiche Industrieländer im Kreis der Schuldnerländer angekommen. Sie bezahlen inzwischen teuer für ihre langjährige verfehlte Wirtschaftspolitik, mit Arbeitslosigkeit und Armut. Was bedeutet das für den Hamburger Kirchentag? Muss sich die evangelische Kirche heute auf die Seite der verarmten Griechen, Portugiesen und - bald auch - Italiener stellen oder soll und muss sie die Härten der Strukturanpassung rechtfertigen?

Hat sie überhaupt so viel Sachverstand, eigene Vorschläge zur Wirtschaftskonsolidierung zu unterbreiten? Warnungen vor sozialen Härten sind wohlfeil und kosten nichts. Unangenehme Wahrheiten, zum Beispiel über den Zwang zum Sparen, sprechen sich nicht so leicht aus. Und die ganz armen Länder? Niemand Geringeres als Bundeskanzlerin Angela Merkel wird sich mit Helen Clark, der Leiterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, über deren Zukunft unterhalten (am 3. Mai).

Die Rüstungsexporte, eine Dauersorge des Kirchentags

Schließlich: das Themenfeld Krieg und Frieden. Kirchentage waren schon immer besondere Gelegenheiten, die Sicherheitspolitik der Bundesregierung und die Geschäfte von Rüstungskonzernen zu hinterfragen. Unübertroffen deutlich geschah dies 1983 angesichts des Nato-Doppelbeschusses der Bundesregierung. als die Nachrüstungsdrohung auf heftige Kritik der meisten Kirchentagsteilnehmer stieß. Aber auch heute stehen sicherheitspolitische und militärische Optionen auf dem Prüfstand. Was ist mit dem Plan, bewaffnete Drohnen (also unbemannte Raketenwerfer) in Krisengebieten einzusetzen? Wie soll sich die Weltgemeinschaft in Syrien engagieren, wo ein Despot sein eigenes Volk vernichtet, weil er sich mit allen Mitteln an seine Macht klammert? Was ist mit den deutschen Rüstungsexporten in Krisengebiete – wenn sie auch nicht auf direktem Weg geschehen, so doch illegal über Zwischenhändler? Und was kommt nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan? 

Bankenkrise, Rüstungsfragen und Glaubensvielfalt: drei von vielen Themenfeldern, auf denen der Hamburger Kirchentag seine Weltoffenheit und seine christliche Verantwortung beweisen kann. Die Erwartungen der Öffentlichkeit sind hoch.

Hamburg ist sich was schuldig. Nicht nur die Funker am Michel wollen über DL0HHM melden, was das Protestantentreffen erbracht hat.

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