Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
07.01.2013

Bewertung

Liturgie
4
Predigt
3
Musik
3
Atmosphäre
4

Foto: Michael Sander/Wikipedia

Den gut 80 Gottesdienstbesuchern weht ein kühler Hauch ins Gesicht. Zugig ist es in der Wittenberger Stadtkirche, schwarze Flecken schimmern durch die gekalkte Wand hinterm Cranach-Altar. Bald wird das Gotteshaus saniert, von außen ist es schon eingerüstet.

Heute sind Oberhausener Jugendmitarbeiter, Bremer Konfirmanden und lutherische Pfarrer aus Afrika und Ostasien zu Besuch. „Lehre uns schweigen“, betet Pfarrer Jürgen Dittrich, „damit wir deine Gegenwart in der Tiefe wahrnehmen.“ Der Kirchenrat ist Gastprediger, er kommt aus Harzgerode und ist Präsident der Lutherweg-Gesellschaft.

Um Vergebung geht es heute – im ­Wochenspruch: „Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte“ (Psalm 130), und im Evangelium: „Siebenmal siebzigmal sollen die Jünger Jesu vergeben“ (Matthäus 18). Mit stampfenden Bässen kommentiert die Organistin das Gehörte. Einige junge Oberhausener drehen sich um und lachen.
Exakt zwei Kinder sind anwesend, sie werden nach dem Glaubensbekenntnis zum Kindergottesdienst hinausbegleitet. Der Prediger auf der Barockkanzel hat­einen trüben Text auszulegen, Römer 7,14-25: „Ich tue nicht was ich will, sondern was ich hasse – nicht ich tue es, sondern die Sünde in mir“, schreibt Paulus da. Dittrich erinnert seine ostdeutschen, die jugendlichen und die ausländischen Zuhörer an eine ARD-Sendung aus den 1970er Jahren, an Robert Lembkes heiteres Beruferaten (ist Dittrich wirklich schon so alt?), und fragt, ob man bei so einem Spiel die eigenen Schattenseiten preisgeben würde? Eher nicht.

Dittrich wird grundsätzlich: Der Mensch habe keinen guten Kern. Er sei wie ein Lasttier, auf dem entweder Gott oder der Teufel reite. Gutes entstehe nur, wenn der Gläubige Gott wirken lasse – wie bei einem Schüler, der nicht malen kann und deshalb den Kunstlehrer das Werk malen lässt. Zum Ende der Predigt ein Rat an Friedrich Nietzsche. Der hatte moniert: Die Christen müssten erlöster aussehen, wenn er an ihren Erlöser glauben solle. Dittrich hält dagegen, der Philosoph und Kritiker des Christentums solle nicht auf die Christen schauen, sondern auf Christus. Ob sich Nietzsche mit dieser Auskunft zufriedengegeben hätte? Vermutlich nicht.

Die Gemeinde singt nach der Predigt:  „Es war kein Guts am Leben mein.“ ­Welchen Eindruck die afrikanischen ­Reverends wohl mitnehmen? Nur zwei Kinder in der Gemeinde und in der Predigt kein Blick nach vorn und so gar kein Optimismus! Alt und müde ist sie geworden, die Mutterkirche der Reformation.

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