Bundessozialminister Hubertus Heil (Archivbild)
epd-bild/Rolf Zoellner
Zum Jahrestag der UN-Behindertenrechtskonvention hat Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) weitere Schritte zur Teilhabe von Menschen mit Handicap angemahnt.
25.03.2019

"Das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland vor zehn Jahren war ein Meilenstein für die Rechte der Menschen mit Behinderungen, aber lange noch kein Schlussstein", sagte er am Montag in Berlin. Er wolle sich auf Barrierefreiheit, Arbeit und inklusive Demokratie konzentrieren, kündigte Heil an. Sozial- und Behindertenverbände forderten zum Jahrestag weitere Reformen, um Menschen mit Handicap besser zu integrieren.

Die UN-Behindertenrechtskonvention war in Deutschland am 26. März 2009 in Kraft getreten. Die Bundesrepublik hat sich damit verpflichtet, das "Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" umzusetzen.

Gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen

Kernziel ist die vieldiskutierte Inklusion. Die UN-Konvention fordert unter diesem Stichwort die selbstbestimmte und umfassende gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen unabhängig von geistigen und körperlichen Fähigkeiten, Geschlecht und Herkunft. Das Institut für Menschenrechte überwacht im Auftrag der Bundesregierung die Umsetzung der Konvention, die 2006 von der UN-Generalversammlung beschlossen wurde und 2008 in Kraft getreten ist.

Nach Angaben des Sozialministeriums wurden seit Inkrafttreten der Konvention unter anderem der Behinderungsbegriff angepasst und das Behindertengleichstellungsgesetz weiterentwickelt. Zudem habe sich die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung geändert. Sie würden nicht mehr als Objekte der Fürsorge, sondern als eigenständige Menschen gesehen.

Durchwachsene Bilanz

Sozial- und Behindertenverbände zogen eine durchwachsene Bilanz der in den vergangenen zehn Jahren erfolgten Reformen. Bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe komme "nur eingeschränkte Feierlaune auf", sagte Geschäftsführer Martin Danner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es seien zwar Schritte in die richtige Richtung erkennbar, zum Beispiel mit dem Bundesteilhabegesetz, sagte Danner.

Doch die Liste der Lebensbereiche, in denen noch Handlungsbedarf besteht, sei lang, betonte der Fachmann. Er nannte die Felder Bildung und Ausbildung, Teilhabe am Arbeitsleben und auch die Barrierefreiheit, zu der auch private Unternehmen verpflichtet werden müssten. "Dazu kommt auch Nachholbedarf etwa beim Gewaltschutz, der Rehabilitation, beim Diskriminierungsschutz und auf dem Feld der Selbstbestimmung."

Der Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Valentin Aichele, kritisierte, dass der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen in Deutschland immer noch nicht die Regel sei. "Die Politik muss endlich die Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige inklusive Bildung schaffen."

Weg zur inklusiven Gesellschaft noch weit

Mit einem "Pakt für Inklusion" könnte der Bund die Länder langfristig beim Aufbau der inklusiven Schule unterstützen, sagte Aichele. Es sei deren Aufgabe, Gesamtkonzepte zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems auszuarbeiten, die konkrete Maßnahmen und zeitliche Vorgaben enthalten. Das bedeutet auch, personelle wie finanzielle Ressourcen umzuschichten.

Der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke, Tobias Schmidt, sagte, der Weg zur inklusiven Gesellschaft sei trotz vieler Fortschritte noch weit. "Berufliche Bildung und Ausbildung sind für viele Menschen weiterhin keine Selbstverständlichkeit."

So habe nicht jeder, der eine oder mehrere Teilhabeeinschränkungen vorweisen könne, auch einen Reha-Status. Viele junge Menschen litten an psychischen Problemen, Suchterkrankungen oder sozialen Benachteiligungen, die nicht immer als Behinderung anerkannt werden. "Gerade für diese Jugendlichen ist es aber wichtig, jemanden zu haben, der sie begleitet, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen."

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Wir machen mit unserem inzwischen beinahe 17jährigen Sohn trotz der UN-BRK die Erfahrung von Ausgrenzung und von Rechtsbrüchen durch staatliche Institutionen. Insbesondere schert sich niemand um die Umsetzung der UN-BRK im Hinblick auf die inklusive Beschulung. Ganz im Gegenteil gibt es in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr Förderschüler als vor der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Eltern behinderter Kinder werden massiv unter Druck gesetzt, wenn sie für ihr Kind Inklusion einfordern, ja, es geht so weit, dass man ihnen unter der Behauptung von Kindeswohlgefährdung mit dem Jugendamt, mithin der Wegnahme des Kindes, droht. Fakt ist, dass Kinder mit Behinderung von der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) über die Förderschule und Berufsförderungswerke direkt in eine Behindertenwerkstatt geleitet werden. Dort müssen sie dann für ein Taschengeld arbeiten und bleiben ihr Leben lang Almosenempfänger. In den Behindertenwerkstätten wird kein Mindestlohn gezahlt. Festzustellen ist, dass weder mit Förderbeschulung noch mit Beschäftigung in Behindertenwerkstätten noch mit Heimunterbringung die UN-BRK umgesetzt wird. Im übrigen kritisieren die UN die Betreuungsgesetzgebung. Auch hiermit wird die UN-BRK verletzt. Da aber aus der UN-BRK kein individuelles Recht hergeleitet werden kann, werden die Betroffenen kaltschnäuzig auf den Rechtsweg verwiesen. Insgesamt verletzt Deutschland massiv das Völkerrecht, und da die UN-BRK den Rang eines Bundesgesetzes besitzt, verstoßen die Bundesländer, die auf den Fortbestand von Förderschulen bestehen, auch Bundesrecht. Deutschland gibt ein desaströses Bild ab.

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