Gottesdienst in der katholischen Kirche der Heiligen Familie von Gaza-Stadt, 25.10.23
Gottesdienst in der katholischen Kirche der Heiligen Familie von Gaza-Stadt, 25.10.23
Holy Family Church
Ein winziger Tropfen Hoffnung
Immer noch kann ich mir das Grauen des Hamas-Angriffs nicht vorstellen. Obwohl ich nun schon vieles darüber gelesen habe. Auch kann ich die Verunsicherung jüdischer Menschen in Israel und Deutschland nicht ermessen. Ich taste mich heran - mit Hilfe von Worten, die andere finden, und von Geschichten schlichter Menschlichkeit.
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
27.10.2023

Da mir selbst noch die Worte dafür fehlen, bin ich dankbar dafür, dass Kolleginnen und Kollegen eine sehr angemessene Erklärung zu "Israelhass und Antisemitismus" veröffentlicht haben. Sie ist sehr lesenswert. Gern würde ich sie denen zur Kenntnis geben, die gegenwärtig auf pro-palästinensiche Demonstrationen gehen.

Bei meinen Versuchen, mich zu orientieren, helfen mir Geschichten, die sich den üblichen Pro-Contra-Logiken entziehen. So habe ich eine gewisse Ahnung davon, wie grauenhaft und unauflöslich das Dilemma des Krieges in Israel und Gaza ist, bekommen, als ich über eine Gruppe las, über die hierzulande fast nie berichtet wird: die christlichen Palästinenser. Nun hat die spanische Journalistin Beatriz Lecumberri einen Einblick in die aktuelle Situation der Katholiken von Gaza-Stadt gegeben.

Am vergangenen Sonntag erschien im „El Pais“ eine eindrucksvolle Reportage über die letzten Christen von Gaza, die wie im Brennglas die Ausweglosigkeit des Konflikts deutlich macht. Da nicht alle so leicht Spanisch lesen wie Englisch, erlaube ich mir, hier die wichtigsten Momente des Artikels von Beatriz Lecumberri vorzustellen.

Auch wenn die Hamas einen anderen Eindruck erwecken will, sind nicht alle Palästinenser Muslime – und von diesen sind nicht alle Islamisten. Es gibt auch säkulare Palästinenser, obwohl sie keine politische Repräsentanz haben. Und es gibt Christen. Für sie – es sind noch ungefähr eintausend Menschen – ist die Situation im Gaza-Streifen besonders problematisch. Denn unter dem Hamas-Regime ist ihr Leben viel eingeengter und bedrohter als etwa in Israel, wo sie Religionsfreiheit genießen. Viele sind deshalb geflohen. Wer blieb, ist nun den Folgen des Hamas-Terrorangriffs und der israelischen Reaktion ausgeliefert.

Sie sind und fühlen sich als Palästinenser, aber nicht als Hamas-Anhänger. Sie sind im Gaza-Streifen eingeschlossen. Ohne demokratische Rechte dem Hamas-Regime unterworfen. Ohne Schutz dem Krieg ausgesetzt. Wo sollen sie hin? Was soll werden, wenn es zu Kämpfen auf dem Boden kommt?

Viele haben sich in der katholischen Kirche der Heiligen Familie von Gaza-Stadt versammelt. Dort feiern sie jetzt nicht mehr nur sonntags Gottesdienst. Hier haben sie inzwischen ihr Lager aufgeschlagen. Für wie lange? Große Hoffnungen können sie sich nicht machen, dass ihre Kirche von den Kriegshandlungen verschont bleibt. Vor kurzem wurde die orthodoxe Kirche, die es gleich in der Nachbarschaft auch gibt, bombardiert. Mehrere Menschen wurden getötet.

Ein Gemeindeglied erzählte der Journalistin am Telefon: „Leider haben wir viel Erfahrung mit Kriegen, und als wir den Hamas-Angriff am 7. Juli sahen, wussten wir, dass es eine massive israelische Militärreaktion geben würde. Meine Frau, meine drei Töchter und ich beschlossen, in der Kirche Zuflucht zu suchen. Nach und nach kamen immer mehr Menschen, die Angst in ihren Häusern hatten oder alles verloren hatten. Jetzt sind wir 500 Christen hier.“

George Antone, Leiter von Caritas-Jerusalem im Gazastreifen, fügt hinzu: „Wir sind zu Tode erschrocken. Die meisten Leute denken, dass wir nicht lebend aus der Kirche herauskommen, dass wir bombardiert werden. Aber wir müssen weitermachen, wir müssen stark sein. Wir sind in Jesu Haus, wir sind in seinen Händen.“

Am vorvergangenen Sonntag wurde hier nicht nur eine Messe, sondern auch die Taufe eines Neugeborenen gefeiert. Man kann es sich gar nicht vorstellen und freut sich doch aus der Ferne an diesem winzigen Lichtfunken.

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