Hanna Lenz
Initiative "Fairpachten"
Kirchenland: Fairer verpachten
Viele evangelische Kirchengemeinden verpachten Äcker und Wiesen an Landwirte. Ein Beispiel aus Sachsen zeigt, wie sie mit der Hilfe der Initiative "Fairpachten" etwas für die Umwelt tun können, ohne die Bauern zu verprellen
Tim Wegner
29.01.2024

Die evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland besitzen Land. Die EKD, also die Evangelische Kirche in Deutschland, geht davon aus, dass es 325.000 Hektar sind, die sich auf 15.000 Kirchengemeinden verteilen

Das macht, rein rechnerisch, knapp 22 Hektar pro Kirchengemeinde. Zum Vergleich: Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland bewirtschaften insgesamt 16,6 Millionen Hektar. Demnach sind zwei Prozent der Äcker und Wiesen Deutschland in evangelischem Besitz; sehr viele Gemeinden verpachten es an landwirtschaftliche Betriebe. 

Für die Gemeinden ist das eine wichtige Einnahmequelle, und sie wird wichtiger, je weniger Menschen einer Kirche angehören. Regional gibt es große Unterschiede. Städtisch geprägte Gemeinden dürften weniger Land besitzen, ländliche mehr. Und im Osten sind die Flächen meist größer als im Westen. 

Pachteinnahmen sind das eine - der Wunsch, der Verantwortung gerecht zu werden, die mit dem Eigentum einhergeht, ist für immer mehr Gemeinden ist das andere. Sie wollen, dass die Pächter gut mit den Böden und der Natur umgehen. Diese Kolumne sollten Sie lesen, wenn Sie sich von zwei Beispielen inspirieren möchten. Eine Gemeinde steht auf ihrem Weg noch am Anfang, die zweite Gemeinde stelle ich in der nächsten Folge der „Klimazone“ am 12. Februar vor.

Das Beispiel Herrnhut

Andrea Kretschmar ist Vorsteherin der Evangelischen Brüdergemeine Herrnhut, einer freikirchlichen Gemeinde. Und, ja, Herrnhut – das ist der Ort, aus dem die berühmten Weihnachtsterne aus Sachsen sind. Die haben aber nichts mit Kretschmars Gemeinde zu tun, sondern kommen aus der Herrnhuter Sterne GmbH. Andrea Kretschmar leitet die Verwaltung der Gemeinde, die 32 Hektar Land verpachtet, bestehend aus 15 Einzelflächen – es handelt sich um Grün- und Ackerland. „Wir haben die Pächter nicht gewechselt“, sagt Kretschmar. „Aber wir sind ins Gespräch mit den Pächtern gekommen, weil wir etwas verändern wollen. Auch unsere kleine Kirche hat einen Synodenbeschluss gefasst, klimaneutral zu werden“, erzählt sie – und das ist tatsächlich der erste Schritt: nicht einfach die Verträge verlängern, sondern anfangen, sich Gedanken machen. 

Andrea Kretschmar ist ehrlich: „Ich habe keine Ahnung von Landwirtschaft, ich bin maximal interessierte Verbraucherin.“ Schritt Nummer Zwei bestand für sie also darin, sich Hilfe zu holen und die Initiative „Fairpachten“ anzusprechen, ein kostenloses Beratungs- und Informationsangebot für alle, ­­die landwirtschaftliche Flächen verpachten; Fairpachten ist ein Projekt der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe. Orientiert hat sich Kretschmar außerdem an Handreichungen von verschiedenen Landeskirchen in Deutschland, aber der direkte Kontakt zu einem Fairpachten-Experten war noch wichtiger. „Ich konnte auch mal eine scheinbar blöde Frage stellen und mir Dinge erklären lassen.“

Als der erste Pachtvertrag zur Überarbeitung anstand, wusste sie schon mehr. Das war hilfreich, denn es kann heikel sein, wenn eine Kirchengemeinde etwas verändern möchte. Pachtland ist teuer, die Landwirte sehen sich häufig öffentlicher Kritik ausgesetzt – wenn dann die Kirchen etwas ändern möchte, kann das schnell zu Missverständnissen kommen. 

Andrea Kretschmar wandte sich (Schritt Nummer Drei) rechtzeitig an die Pächter: „Ich habe beide Pächter erst einmal ohne Bezug zur Verlängerung angeschrieben und dann nochmal jeweils konkret, als die Verlängerung anstand.“ So erfuhr die Gemeinde mehr darüber, wie Pächter arbeiteten. Auch darüber sprach Kretschmar wiederum mit dem Experten von Fairpachten. 

„Ein Pächter hatte viele Dinge aufgelistet, die er ohnehin machen muss“, erfuhr Kretschmar. „Aber das beklagen die Landwirte ja auch bei den Protesten: Sie machen viel und wollen ihre eigenen Böden nicht zerstören.“ Kretschmar fühlte sich so, als säße sie zwischen zwei Stühlen: „Was ist für die Umwelt wichtig, was für die Zukunft und die Wirtschaftlichkeit des Pächters? Es macht ja keinen Sinn, wenn wir die Landwirte bei uns mit so hohen Auflagen belegen, dass sie aufgeben und wir unsere Nahrungsmittel in Zukunft nach Deutschland importieren müssen.“

Kretschmar richtete, mit der Rückendeckung des Ältestenrates ihrer Gemeinde, eine Bitte an die Pächter: „Wir schlagen Maßnahmen vor, davon sucht er sich eine konkrete Idee aus, aber die muss auch klappen, die muss er umsetzen.“ Beim ersten Pächter ging es um Grünland. Der Pächter änderte die Schnitthöhen. Was das bringt? Dazu gleich mehr!

Mit dem zweiten Pächter – er bewirtschaftet Ackerland – einigte sich die Gemeinde darauf, dass der Landwirt ein Flurstück nach der ÖR 5 bewirtschaftet; ÖR steht für "Öko-Regelung". Auf einem weiteren Teil soll der er Zwischenfrüchte pflanzen. 

Und was bringt es der Natur?

Keine Maßnahmen, die die Welt retten – das ist den Menschen in Herrnhut klar. Aber ein Schritt in die richtige Richtung. Die wichtigste Lehre, die Andrea Kretschmar aus dem Prozess gezogen hat: „Es ist wichtig, ins Gespräch zu kommen. Die Landwirte wollen mit dem Boden verantwortungsbewußt umgehen. Nur die Vorstellungen, wie es geschieht, gehen manchmal auseinander. Aber schon lange vor den Bauernprotesten habe ich in den Gesprächen mitbekommen, wie sehr ihnen die Bürokratie zusetzt. Ich habe gemerkt, dass sie es schätzen, wenn jemand zuhört – und ich hoffe, das Verständnis der Bauern uns als Gemeinde gegenüber ist auch gewachsen. Solche Gespräche können helfen, ein Verhältnis aufzubauen.“

Der Kontakt wird bleiben, von Vertrags wegen, denn die Vereinbarungen enthalten auch eine Berichtspflicht. Das klingt technisch, aber so erfährt die Gemeinde, was mit dem Land passiert – und man bleibt im Gespräch. 

Doch was bringen die Maßnahmen, die in den Pachtverträgen stehen, der Umwelt? Zwei Beispiele: Eine höher angesetzte Schnitthöhe schont die Grasnarbe, erklärt Ralf Demmerle von Fairpachten, der nicht nur Diplom-Umweltwissenschaftler, sondern auch Bauer ist. „Gerade in Dürrezeiten ist das auch ein Vorteil für die Landwirte., die Fläche vertrocknet nicht so schnell.“ Dabei geht es um wenige Zentimeter, die den Unterschied machen. Das ist besser für die Fauna: Insekten und Amphibien geraten nicht ins Mähwerk oder in einen Sog, der vom Mähwerk ausgeht“, sagt Demmerle. 

Auch veränderte Schnittzeiten haben einen Mehrwert für die Natur. Fairpachten empfiehlt, den Landwirten die Entscheidung zu überlassen, wann sie erstmals im Jahr mähen. Entscheidend ist laut Demmerle, dass zwischen dem ersten und zweiten Schnitt mindestens acht Wochen liegen, damit Wiesenbrüter – also verschiedene Vogelarten – ihre Brut aufziehen können. 

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Ein interessanter Artikel. Allerdings: Wenn es um Flächenangaben - z.B. in der Landwirtschaft - geht, ließe sich die Anschaulichkeit noch erhöhen. Wer kann sich schon z.B. etwas unter 22.000 Hektar vorstellen? (Der Verfasser nicht). Da wäre es doch besser, man dividiert durch 100 - und hat plötzlich 220 Quadratkilometer, was einem Viertel der Berliner Stadtfläche entspräche. Oder einem Quadrat von knapp 5km Seitenlänge. Und schon ist man im Bereich nachvollziehbarer Dimensionen angekommen - was dem Anliegen nur dienlich sein kann!

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