Sind Frauen in der Bibel etwa unsichtbar?
Sind Frauen in der Bibel etwa unsichtbar?
AHAOK
Sagen was ist - gilt im Journalismus und in der Theologie
Waren keine Frauen da?
Genau hinhören, präzise sprechen und elegant formulieren – der Journalistin Friederike Sittler half dabei das Theologiestudium
Dr. Friederike SittlerPrivat
24.04.2023
"Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä: Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen."
Bibelstellen
Bibelbuch
Kapitel / Verse
16,1-2

Ehrlich gesagt wusste ich nicht viel vom ­Studium der Theologie, bevor ich damit Ende 1989 in Bamberg begann. Ich war nie sonderlich religiös gewesen, einfach nur katholisch, wie es halt damals im Sauerland so war. Aber zum einen hatten wir einen inspirierenden Schulseelsorger und zum anderen wollte ich Journalistin werden. Mir wurde geraten, nicht das zu studieren, was alle anderen wählten. Theologie also.

Mich erwartete eine Überraschung nach der anderen: Feminismus, Befreiungstheologie und der Kampf gegen Armut. Mein kindlicher Glaube lag schnell in Trümmern, die Bibel wurde historisch-kritisch auseinander­genommen, vieles infrage gestellt. Ich lernte, anders ­hinzuschauen.

Dr. Friederike SittlerPrivat

Friederike Sittler

Friederike Sittler, geboren 1969, ist ­Abteilungsleiterin Hintergrund Kultur und Politik bei Deutschlandfunk Kultur und als ­Vorsitzende des Journalistinnenbundes verant­wortlich für ­ www.genderleicht.de

Wenn zum Beispiel überliefert ist, dass Frauen als Erste am leeren Grab waren, dann spricht das sehr für den Wahrheitsgehalt. Denn, so die These: Angesichts der männlichen Dominanz über Jahrhunderte und der vielen redaktionellen Bearbeitungen sind sicher viele Frauen­perspektiven verschwunden. Die genannten Ereignisse aber waren so stark, so prägend, dass sie nicht verschwiegen ­werden konnten.

Nie aufgefallen war mir vor dem Studium die Stelle in der katholischen Einheitsübersetzung in Römer ­16,1–2. Paulus schreibt: "Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä: Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen."

Übersetzt wird in dieser Passage das griechische Wort "diákonos" mit Dienerin und Sie ahnen es schon: Wenn von Männern die Rede ist, so im Brief an die Philipper (1,1), dann ist in der Übersetzung von 1980 nicht von Dienern, sondern von Diakonen die Rede. Bis heute sieht dieser Beruf in der katholischen Kirche keine Teilhabe von Frauen vor. Dabei, so die Forschung, dürfte Phöbe eine bedeutende Stellung in der frühchristlichen Gemeinde gehabt haben, die der führender Männer in nichts nachgestanden hat.

In den ersten Berufsjahren war ich weit weg von diesen Themen, berichtete ich doch vor allem über Politik und war froh, nicht dem Arbeitsrecht der katholischen Kirche unterworfen zu sein. Und doch knüpfte ich immer an das Studium an. Präzise hinzuschauen, mehr als eine Quelle zu haben, Fakten zu prüfen gehört nicht nur zur Theo­logie, sondern auch zum Journalismus. Sprache elegant und präzise zu nutzen, ist Teil des Handwerks. Sagen, was ist, und genau hinzuschauen, das ist der Anspruch.

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Auf dem von Ordensschwestern geleiteten Mädchengymnasium hatte ich mich noch als Schüler bezeichnet. Doch die männliche Form ist nicht genau. Bei katholischen Priestern zum Beispiel sind Frauen garantiert nicht mitgemeint. Bei einer geschlechtergerechten Sprache müssen wir uns mehr anstrengen, doch die Mühe lohnt. Zu oft wurden in der Vergangenheit Frauen verschwiegen oder ihre Rolle auf die üblichen, von Männern definierten Handlungsmuster reduziert. Maria, die fürsorgliche ­Mutter, selten die starke Frau.

Nicht nur die Sprache, sondern auch Bilder prägen uns. Ich mag sehr das westfälische Abendmahl aus meiner ­Heimat: Die Jünger Jesu haben in der Wiesenkirche in ­Soest Schinken, Pumpernickel und Bier auf dem Tisch. Seit 500 Jahren holt dieses Glasfenster Menschen mit ­ihren Erfahrungen ab, erfüllt so seinen Zweck.

Wenn es aber um journalistische Bilder geht, lege ich Wert auf ­größere Genauig­keit. Welche Ausschnitte, welche Situa­tionen ­werden gewählt? Stimmen die Beispielbilder, die zur ­Illustration genutzt werden? Warum sind keine Frauen zu sehen? Waren sie wirklich nicht da?

Entdecken, wo Frauen unkenntlich gemacht oder als Akteurinnen und Expertinnen gleich außen vor ge­lassen werden. Quellen studieren, einordnen, die früheren redak­tionellen Bearbeitungen erkennen, Hintergründe beleuchten und korrekt übersetzen. Präzise und damit glaubwürdig zu bleiben, steht Journalismus und Theologie gleichermaßen gut an.

Bibelzitat

"Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä: Nehmt sie im Namen des Herrn auf, wie es Heilige tun sollen, und steht ihr in jeder Sache bei, in der sie euch braucht; sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen."

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