Die Entscheidung - Theodor Fontane
Die Entscheidung - Theodor Fontane
Marco Wagner
Talent und eine Hose, die schlecht sitzt
Theodor Fontane begann erst spät mit dem Schreiben seiner berühmten Romane. Über einem Werk brach er zusammen
29.04.2019

Vorgelesen: Die Entscheidung "Talent und eine Hose, die schlecht sitzt"

So lächerlich es klingen mag, ich darf – vielleicht leider – von mir sagen: Ich fange erst an." Das schrieb Theodor Fontane im ­August 1879 an seinen Verleger. Der fast 60-jährige Autor hatte zwar schon Tausende Seiten verfasst – aber noch keinen einzigen der ­Romane, die ihn berühmt ­machen sollten.
Wie im Rausch schrieb er von da an fast jährlich ein Buch: "Graf Petöfy" erscheint 1884, es folgen "Unterm Birnbaum"; "Cécile"; "Irrungen, Wirrungen"; "Stine"; "Quitt"; "Unwiederbringlich"; "Frau Jenny Treibel". Selbst als sein ältester Sohn George 1887 mit 36 Jahren an einem Blinddarmdurchbruch starb, arbeitete Fontane weiter.

"Es drippelt nur so"

Doch im Frühjahr 1892, mit 72, erkrankte Fontane schwer, Nervenzusammenbruch. Seine Frau ­Emilie schrieb an den Sohn Friedrich: "Wir ­erwarten den Arzt, der immer ­dringender von Nerven­heilanstalt spricht." Fontane war da mitten in der Arbeit an "Effi Briest". Das Schreiben war ihm nie leichtgefallen, in einem Brief an seine Frau erklärte er, er sei keine große, keine reiche Dichter­natur. "Es drippelt nur so."
Fontane ging gern so hart wie ironisch mit sich ins Gericht: "Ohne Vermögen, ohne Familienanhang, ohne Schulung und Wissen, ohne robuste Gesundheit" sei er ins Leben getreten, schrieb er einmal, "mit nichts aus­gerüstet als einem poetischen Talent und einer schlecht sitzenden Hose". Tatsächlich hatte der Nachfahre von geflohenen Hugenotten, der seinen Nachnamen zeitlebens französisch, mit stummem e am Ende, ausspricht, nicht die besten Startbedingungen.

Privat

Dominique Bielmeier

Dominique Bielmeier hat Frankfurt vor gut zehn Jahren das erste Mal besucht und durfte im Kunstmuseum mit Konfetti werfen. Seitdem strandete sie immer mal wieder am Bahnhof, weil der Anschlusszug weg war. Inzwischen arbeitet sie als Stellvertreterin in der Stadtredaktion Dresden der Sächsischen Zeitung, zuvor war sie fünf Jahre lang Lokalreporterin in Meißen.


Am 30. Dezember 1819 wurde er in Neuruppin als Sohn eines Apo­thekers geboren. Als er sechs war, musste 
sein Vater die Apotheke wegen Spielschulden verkaufen, erwarb aber ­später in Swinemünde eine neue. Fontanes Schulbildung blieb lückenhaft. Doch schon in seiner Apothekerlehre dachte er sich Gedichte und Aufsätze aus. Genug Zeit hatte er ja, während er die Rezepturen anrührte.
Die Ausbildung führte ihn nach Berlin und ins viel liberalere Sachsen. 
In Leipzig kam Fontane mit radikal-
demokratischen Gedanken in Berührung, beteiligte sich 1848 sogar kurz an den Barrikadenkämpfen in Berlin. Mit dem Bild des "Apothekers erster Klasse", der er ein Jahr zuvor geworden war, passt das nicht recht zusammen. Trotz chronischer Finanznot entschloss sich Fontane schon 1849, den Beruf für eine unsichere Karriere als Journalist und Schriftsteller aufzugeben – zum Verdruss seiner Verlobten, die ihn aber dennoch ein Jahr später heiratete.

Der Arzt verordnete ihm, mal etwas Leichtes zu schreiben

Vielleicht aus Pflichtgefühl ging Fontane als Pressereferent zur ­"Centralstelle für Preßangelegenheiten". "Man kann nun mal als anständiger Mensch nicht durch­kommen", schrieb er. Die fast zehn Jahre bei der reaktionär-konservativen "Kreuzzeitung" rechnete er dagegen zu seinen "allerglücklichsten". Vielleicht weil ihn die Arbeit immer wieder in sein geliebtes England führte. Zu dieser Zeit hatte er bereits Erfolg mit den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg".
1892 dann der Zusammenbruch. Fontane hatte Glück: Statt ihn in ­eine Nervenheilanstalt zu schicken, verordnete ihm sein Arzt, mal etwas Leichtes zu schreiben – Kindheits­erinnerungen zum Beispiel.
Das tat Fontane mit Erfolg, doch der war nichts im Vergleich zu dem Echo, das "Effi Briest" 1895 auslöste. Der Roman über eine Ehebrecherin, die an der preußischen Moralordnung zu­grunde geht, kam im ersten Jahr auf fünf Auflagen. Fontanes letzter Roman "Der Stechlin" gilt heute als einer der wichtigsten des poetischen Realismus. "Zum Schluß stirbt ein Alter, und zwei Junge heiraten sich; – das ist so ziemlich alles, was auf 500 Seiten geschieht", so Fontane selbst. Er starb am 20. September 1898 im Alter 
von 79 Jahren in Berlin. Vier Tage 
nach der Verlobung seiner Tochter Mete.

Infobox

2019 jährt sich der Geburtstag Fontanes zum 200. Mal. Das Land Brandenburg feiert den Autor deshalb unter dem Motto "fontane.200" das ganze Jahr über. Im Museum ­Neuruppin widmet sich eine Leitausstellung dem Werk und den vielen Wortneuschöpfungen des berühmten Stadtsohnes. Insgesamt finden über 450 Veranstaltungen in ganz Brandenburg statt. Das detaillierte Programm gibt es unter fontane-200.de.

Permalink

Theodor Fontane war ein toller Schriftsteller. Aber wenn er am 30. Dezember 1819 geboren wurde und am 20. September 1898 gestorben ist, ist er wohl nicht 79 Jahre alt geworden, sondern nur 78.

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