Ein Mann steht auf einer Leiter vor einer Informationswand zum Wohnungsbau und fotografiert eine Baustelle mit Kraenen und Wohnhaeusern im Bau dahinter.
Ein Mann steht auf einer Leiter vor einer Informationswand zum Wohnungsbau und fotografiert eine Baustelle mit Kraenen und Wohnhaeusern im Bau dahinter.
Janine Schmitz/photothek/picture alliance
Ran an die heißen Eisen
Die Ampel hat großartige Bauideen in den Koalitionsvertrag gepackt. Reicht das? Ändern muss sich vor allem die Grund- und Bodenpolitik. Mit kleinen Dingen könnte die Regierung beginnen. Zum Beispiel endlich die Spekulationsfrist abschaffen
Tim Wegner
02.12.2021

Die frohe Botschaft zu Beginn: Die Ampel-Bundesregierung hat sich viel vorgenommen, auch zum wichtigen Bereich „Wohnen und Bauen“ – so jedenfalls heißt der Abschnitt im Koalitionsvertrag ab S. 88.

400 000 Wohnungen, so steht es da, sollen nun pro Jahr gebaut werden, 100 000 davon öffentlich gefördert. Richtig so; hoffen wir mal, dass die brutal steigenden Baukosten dieser hehren Idee keinen Strich durch die Rechnung machen. Mal ganz abgesehen davon, dass Neubauen nicht besonders umweltfreundlich ist, wie mir neulich Reiner Nagel von der Bundesstiftung Baukultur erklärt hat - im Bestand nachbessern wäre daher auch ein großes Ziel, aber das soll ja auch geschehen, wie es im Vertrag weiter unten ausgeführt wird.

Besonders gut gefallen hat mir dann dieser Absatz:

„Wir werden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren schließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen. Sie soll nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzen, ohne diese zu benachteiligen.“

Große Wünsche, große Ideen...vielleicht erst mal gleich ein paar kleine Schritte?

Es wäre großartig, wenn diese Ideen tatsächlich umgesetzt werden. Denn es geht nicht nur einfach darum, Wohnungen zu bauen, sie müssen auch bezahlbar bleiben.

Und das heißt auch: Spekulation mit Grund und Boden darf nicht mehr so einfach möglich sein. Warum also nicht gleich die sogenannte „Spekulationsfrist“ abschaffen? Diese Frist besagt, dass Immobilien nach zehn Jahren verkauft werden können, ohne dass der Gewinn aus dem Verkauf versteuert werden muss.

Der damit einhergehende Verzicht auf Steuereinnahmen kostet den Staat Jahr für Jahr Milliarden. Ein junger Mann aus Göttingen, Marian Braun, hat früh mit ein paar Wohnungen gutes Geld verdient und sie dann vor Ablauf der Zehnjahresfrist verkauft. Er zahle eben gerne Steuern, erzählte er meinem Kollegen Nils Husmann, der die Geschichte von Marian Braun für uns aufgeschrieben hat. Wirklich beeindruckend.

Wer drei Jahre in seiner Wohnung gelebt hat, muss den Gewinn nicht versteuern

Menschen, die anders als Marian Braun, drei Jahre lang vor dem Verkauf in ihren Wohnungen gewohnt haben, müssen nicht zehn Jahre warten, um den Gewinn steuerfrei zu bekommen. Bestimmt gibt es Menschen, die sich beim Kauf ihres Traumhauses finanziell übernommen haben und einfach wieder verkaufen wollen, um schuldenfrei zu sein. Ist das zu verstehen? Natürlich. Trotzdem sollte es auch hier andere Regularien geben, denn die Spekulation bekommt dank explodierender Wohnungspreise dadurch noch einen Schub.

Ich selbst lebe in der Hafencity in Hamburg in einer Baugemeinschaft. Die Preissteigerungen seit unserem Einzug hier vor fünf Jahren sind gewaltig. Wer vor wenigen Jahren für seine Wohnung noch 3000 oder 4000 Euro pro Quadratmeter bezahlt hat (merke in Baugemeinschaften sind die Wohnungen in der Regel günstiger als auf dem freien Markt, weil viel in Eigenleistung erbracht wird), bekommt heute ziemlich problemlos 7000 bis 9000 Euro, oder noch mehr.

In der Hafencity gibt es viele Baugemeinschaften und es wird viel verkauft. Oder, wie es mir eine Neubewohnerin ein paar Häuser weiter neulich erzählte: Die Leute ziehen erst gar nicht ein, sondern vermieten gleich. Ich schätze mal: Nach zehn Jahren wird dann hübsch mit steuerfreiem Gewinn verkauft. Mit Schaffung von preiswertem Wohnraum hat das sicher nichts mehr zu tun. Schade, denn die wirklich tolle Idee von Baugemeinschaften wird so mehr und mehr ausgehöhlt.

Wie sagt es der im Artikel über den Spender Adrian Braun befragte Fachmann Chris­toph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit so treffend: Die Spekulationsfrist gehört zu den größten Ungerechtigkeiten im deutschen Steuerrecht.

 

 

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Kolumne

Dorothea Heintze

Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß aus eigener Erfahrung: Das eigene Wohnglück finden ist gar nicht so einfach. Dabei gibt es tolle, neue Modelle. Aber viele kennen die nicht. Und die Politik hinkt der Entwicklung sowieso hinterher. Über all das schreibt sie hier.