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Der wohlklingende Ileus
Unsere Autorin Karin Lackus ist Ende April gestorben. Ihr Blog war ihr sehr wichtig. Sie wollte erzählen und mitteilen, wie es ihr als Kranke geht. In Absprache mit der Familie von Karin Lackus veröffentlichen wir hier ihre letzten Texte, die sie noch vor ihrem Tod geschrieben hat. Wir gedenken ihrer mit Trauer und großem Respekt für diesen Mut, auch über das eigene Lebensende hinaus.
privat
08.05.2023

Den medizinischen Fachjargon habe ich fast schon ein wenig lieben gelernt. So hört sich doch das lateinische Wort Ileus doch um ein Vielfaches eleganter an als die deutsche Übersetzung "Darmverschluss", bei dem man den Geruch schon mithört.

Oder der Begriff colon ascendens, bei dem ich an Sterne und Aszendenten denke und gar die geheimnisvollen Anastomosen, die sich anhören wie aus 1001 Nacht. Aber natürlich weiß ich, dass diese Ansammlung lateinischer Begriffe nicht nur witzig ist.

Er wisse nicht einmal, welche Krankheit er habe, erklärte mir als Krankenhausseelsorgerin einmal ein Patient. Wie und warum er medizinisch behandelt wird, versuchte er schon gar nicht mehr zu verstehen.

Wenn Patient*innen kapitulieren, weil sie medizinischen Kauderwelsch zu hören glauben und einfach nur nicken, dann ist das eine untragbare, sogar gefährliche Situation. Kommunikation ist schwierig, keine Frage, sie kann immer scheitern, das ist im Krankenhaus nicht anders als an anderen Orten. Aber es gibt schon Rahmenbedingungen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Menschen verstehen bzw. nicht verstehen.

Einmal braucht es Zeit und Ruhe, wenn Kommunikation funktionieren soll. Wenn ich als Patientin morgens um sieben Uhr von einer Gruppe Ärzt*innen im Bett geweckt werde, kann ich weder gescheit reden noch gut zuhören. Ein solches Gespräch ist von Anfang ein kommunikatives Desaster. Aber auch ausgeschlafen auf Augenhöhe kann zu viel Latein jedes Gespräch aushebeln.

Es ist ja völlig in Ordnung, wenn Ärzt*innen sich beispielsweise in Arztbriefen kompakt informieren, eine nicht allgemeinverständliche Fachsprache gehört zu jeder Wissenschaft. Und man kann sich Arztbriefe heute auch in Ruhe kostenlos übersetzen lassen, z.B. unter der Adresse: Medizinische Befunde kostenlos übersetzen | Was hab’ ich? (washabich.de)

Aber im Gespräch mit Patient*innen sind die meisten lateinischen Fachbegriffe einfach am falschen Ort, hier müssen Ärzt*innen in verständlicher deutscher Prosa formulieren und bei Menschen mit anderer Sprache braucht es eine gute Übersetzung. Allerdings haben dabei auch nicht automatisch die gewonnen, die am einfachsten und banalsten formulieren

Mein persönlicher Höhepunkt in dieser Hinsicht war die freundliche Auskunft eines jungen Arztes, das Medikament helfe einfach ein bisschen meiner Körperpolizei. Da musste ich schon ganz schön schlucken. Es ist ein dünner Grat zwischen medizinischer Fachsprache und Erklärungen auf Kleinkindniveau und es ist eine Kunst, auf keiner Seite abzurutschen. Aber leichter ist gute Kommunikation nicht zu haben.   

Haben Sie noch Fragen, so beenden daher nicht wenige Ärzt*innen ein Gespräch, um sicher zu gehen, verstanden worden zu sein.

Nur, wie viel ist eine Antwort auf diese Frage wirklich wert?

Mir ist es oft genug nicht gelungen, eine kluge Rückfrage zu stellen. Manchmal war ich einfach zu erschöpft, um die richtigen Fragen zu finden, manchmal wollte ich auch gar nicht wirklich wissen, was ich zu hören befürchtete.

Trotzdem ist diese Frage am Ende eines Gespräches richtig und sinnvoll. Wie soll es anders gehen?

Grundsätzlich hat Kommunikation ja nun mal zwei Seiten. Ich verstehe es schon auch als meine Aufgabe als Patientin, nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Ich kann auch einfordern, dass Gespräche nicht zwischen Tür und Bett stattfinden. Und selbst am frühen Morgen kann ich doch zumindest von mir erwarten, ein kurzes Stoppzeichen zu setzen, wenn ich überfordert bin.  

Was ist die Alternative?

Einfach nicken und zustimmen? Das geht nicht, immerhin geht es bei jeder medizinischen Behandlung um meine Risiken, die ich eingehe oder auch nicht. Egal wie schwierig das Leben als Patientin gerade zu sein scheint, das letzte, was ich mir als Patientin erlauben kann, ist mich einfach damit abfinden, dass ich den Kauderwelsch eh nicht verstehe.

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