Bundestag berät über bioethische Themen
Zum Jubeln ist es zu früh
Eine Expertenkommission gibt heute, 15. April 2024, ihren Bericht ab über Abtreibung, Leihmutterschaft und Eizellspende - nicht alles dient dem Wohl der Frauen
Aktivistinnen streichen mit der Farbe lila symbolisch auf einem Plakat den Paragraphen 218 durch: Der § 218 könnte abgeschafft werden – dafür kommt die Eizellspende
Der § 218 könnte abgeschafft werden – dafür kommt die Eizellspende
picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow
Tim Wegner
Aktualisiert am 14.04.2024
3Min

Ganz schön viel Fortschritt innerhalb weniger Tage - zumindest rund um die Themen Sexualität und Schwangerschaft. Der Schwangerschaftsabbruch könnte legalisiert werden - zumindest sollen Frauen nicht mehr beim Betreten einer Klinik belästigt werden dürfen. Darüber beriet der Bundestag letzten Mittwoch. Heute (15. April 2024) berät der Bundestag den Abschlussbericht einer Expertenkommission. Diese empfiehlt nicht nur, Abtreibung zu erlauben. Sondern auch die Eizellspende. Also – Schwestern, zur Sonne, zur Freiheit? Grund zum Jubeln?

Geht so. Im Prinzip ist zu begrüßen, dass es bei den "reproduktiven Rechten" – so das sperrige Fachwort – mehr Freiheit für die Menschen gibt. Sexualität und Familienplanung sind die intimsten Themen jedes Menschen, der Staat sollte ihnen möglichst wenig hineinreden. Was die Expert*innen zum Thema Abtreibung empfehlen, deckt sich weitgehend mit der Haltung des Rates der EKD.

Doch die eigene Freiheit muss immer abgewogen werden gegen die Freiheit und Selbstbestimmung anderer. Drum darf bei den Themen Leihmutterschaft und Eizellspende der Blick nicht nur auf die verzweifelten Paare gehen, die unbedingt ein Kind wollen. Sondern auch auf die "Spenderinnen" – was für ein absurdes Wort, wir reden von einem weltweit wachsenden Big Business, nicht von Großzügigkeit. Und es muss auch um die Kinder gehen, die aus den künstlich erzeugten Schwangerschaften entstehen.

Da Leihmutterschaft offenbar verboten bleiben soll – Gott sei Dank! –, schauen wir auf die Eizellspende. Diese soll in Deutschland legalisiert werden, empfiehlt die Kommission. So what, sagen die Befürworterinnen, Samenspende ist doch auch legal. Aber eine Samenspende bleibt für den abgebenden Mann ohne jede körperliche Konsequenz, ein Akt von fünf Minuten. Der männliche Körper produziert unendlich viele Samenzellen. Der weibliche Körper hingegen hat eine von Geburt an festgelegte, begrenzte Kapazität, Eizellen zu produzieren. Noch ist keineswegs klar, ob Frauen, die Eizellen spenden, später ihren eigenen Kinderwunsch noch erfüllen können. Und sie müssen sich einer schmerzhaften Prozedur unterziehen: Die Eierstöcke werden stimuliert, es werden hohe Hormondosen gegeben, insgesamt eine belastende medizinische Behandlung. Die man nur in Kauf nimmt, wenn man dringend das Geld braucht. In Bulgarien zum Beispiel entspricht der Wert einer Eizelle elf Wochen Arbeitslohn im Niedriglohnsektor. Kein Wunder, dass der österreichische Eizellbedarf – dort ist die Prozedur schon länger erlaubt – vor allem aus Bulgarien gedeckt wird. So profitieren unfruchtbare Paare vom enormen Armutsgefälle auf der Welt.

Die Biologin Sigrid Graumann – übrigens Mitglied der Expertenkommission - machte in chrismon deutlich: Die wichtigste Ursache, sich Eizellen oder auf dem Schwarzmarkt auch Leihmütter zu kaufen, liegt im späten Kinderwunsch vieler Paare. Die Fruchtbarkeit nimmt ab 30 rasant ab, darüber wird viel zu wenig aufgeklärt. Im Klartext: Weil wir deutschen Frauen total selbstbestimmt erst mal beruflich durchstarten wollen und oft sehr lang nach dem richtigen Mann suchen, legt sich eine arme Frau in Bulgarien oder Griechenland mit überstimulierten Eierstöcken in eine Klinik. Man sollte zumindest drüber nachdenken, bevor man die Dienstleistung in Anspruch nimmt.

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Und bedenken sollte man auch, dass ein Kind später nach seinen Wurzeln suchen kann. Als die ersten Samenbanken eröffneten, war die Euphorie groß. Und manch Betreiber sah sich überrascht 18 Jahre später den so gezeugten Kindern gegenüber, die ihre genetischen Wurzeln suchten. Wer künftig die Eizellspende einer Frau aus einem sehr armen Land in Anspruch nimmt, sollte zumindest überlegen, wie sie es später ihrem Kind erklärt.

Drum sollte die Debatte, die jetzt geführt wird, ehrlich sein. Ja, es geht um die reproduktiven Rechte von Frauen. Es geht aber auch um eine schnell wachsende Kinderwunsch-Industrie, um Turbokapitalismus, der vom Unterschied zwischen Arm und Reich profitiert. Bereits heute gibt es in Deutschland kaum mehr Reproduktionsabteilungen an öffentlichen Kliniken. Schade, dass das viele Geld, das mit der künstlichen Befruchtung verdient wird, nicht investiert werden kann in Aufklärung und Kinderbetreuung. Damit möglichst viele Paare erfahren, dass ihre Fruchtbarkeit rasant abnimmt. Und viele ihren Kinderwunsch in ihren jungen Jahren erfüllen können.

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