US-Wahlkampf
Warum in Alabama der Kinderwunsch jetzt politisch ist
Ein Gerichtshof in Alabama hat entschieden, dass eingefrorene Embryonen als Kinder zu werten sind. Ein Erfolg der Pro-Life-Bewegung
Lynn Curry, Krankenschwester für Huntsville Reproductive Medicine, P.C., hebt gefrorene Embryonen aus dem Dewar für die IVF-Kryokonservierung in Madison, Alabama
Lynn Curry, Krankenschwester bei Huntsville Reproductive Medicine in Madison (Alabama), hebt gefrorene Embryonen für die IVF-Kryokonservierung aus dem Dewar
Roselle Chen/picture alliance/Reuters
Cornelia KrauseReto Schlatter
06.03.2024
2Min

Es war ein folgenschweres Urteil für ungewollt kinderlose Paare in Alabama: Der oberste Gerichtshof des US-Bundesstaats hat jüngst entschieden, dass eingefrorene Embryonen als Kinder zu betrachten sind. Dabei stellen sich juristische Fragen: Dürfen die wenige Tage alten Zellklumpen überhaupt eingefroren werden? Was passiert, wenn sie nicht mehr benötigt werden? Erste Kinderwunschkliniken stoppten ihre Behandlungen – zum Entsetzen betroffener Patientinnen.

Geklagt hatten ausgerechnet Paare, deren Embryonen in einer Klinik nicht gesichert gewesen und von einem Patienten zerstört worden waren. Der Vorsitzende Richter Tom Parker begründete das Urteil mit religiösen Schriften. Menschliches Leben könne nicht unrechtmäßig zerstört werden, ohne den Zorn eines heiligen Gottes auf sich zu ziehen, schrieb der Republikaner. Das Gesetz Alabamas anerkenne, "dass alle Menschen selbst vor der Geburt das Abbild Gottes sind, ihr Leben nicht zerstört werden kann, ohne seine Herrlichkeit auszulöschen".

Cornelia KrauseReto Schlatter

Cornelia Krause

Cornelia Krause ist Redakteurin bei der Schweizerischen Kirchenzeitung "reformiert.".

Dies zeigt, wie sich religiöse Rhetorik ausbreitet, nicht nur in der Politik, auch in der Justiz. Das Urteil beweist, wie stark sich die Pro-Life-Bewegung in den USA, maßgeblich getrieben durch Evangelikale, im Aufwind befindet. 2022 kippte der Supreme Court ein weitgehendes Recht auf Abtreibung. Ermöglicht wurde das durch Donald Trump, der in seiner Amtszeit als Präsident drei konservative Richter an den Gerichtshof berief. Seitdem erließen viele republikanisch regierte Bundesstaaten stark einschränkende Gesetze. Das Urteil in Alabama ist eine Folge der Supreme-Court-Entscheidung und zeigt, dass sich dessen Auswirkungen nicht auf Abtreibungen und Frauengesundheit beschränken.

Der Fall deutet darauf hin, dass Abtreibungen ein Wahlkampfthema werden: Der demokratische Amtsinhaber Joe Biden will sich dafür einsetzen, dass Frauen weiterhin abtreiben dürfen, ihm kam die Debatte äußerst gelegen. Vielen Republikanern schwante hingegen schnell, dass das Urteil bei Wählern schlecht ankommen könnte. Trump, der eine erneute Amtszeit anstrebt, distanzierte sich. In Alabama beeilten sich Abgeordnete, Gesetzesentwürfe auf den Weg zu bringen, die Kliniken vor Klagen schützen. Familiengründung hat einen hohen Stellenwert – gerade unter streng religiösen Christen. Auch Kinderwunschbehandlungen sind für sie nicht grundsätzlich tabu. Das Urteil wird daher zum Lackmustest für die eigenen Werte. Und es zeigt, welches Sprengpotenzial die politische Debatte über den Beginn menschlichen Lebens entwickeln kann.

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