Dimitri Muratow
Dimitri Muratow, Friedensnobelpreisträger 2021, Chefredakteur der Novaja Gazeta
https://novayagazeta.ru
"Wir brauchen eine innerrussische Friedensbewegung"
Unser Autor Daniel Friesen hat in russischen Online-Medien gelesen, wie der Krieg gegen die Ukraine bewertet wird.
24.02.2022

"Die Amerikaner haben die Wahrheit gesagt, aber Sacharowa hat gelogen!" Am Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine kochen die Emotionen hoch. In den Leserkommentar-Spalten auf der Homepage der russischen Wochenzeitung Argumenty i Fakty (Argumente und Fakten) richtet sich die Wut zum Großteil gegen die russische Regierung. Vor einer russischen Invasion der Ukraine hatten insbesondere amerikanische Geheimdienste in den letzten Wochen vehement gewarnt. Russische Medien und Regierungsvertreter, nicht nur die Sprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa, hatten die Berichte als falsch und hysterisch zurückgewiesen. Dass sich die Prophezeiungen der Amerikaner in diesen Stunden bewahrheiten, macht viele betroffen und wütend. "Mein Vater hat Kiew vor den Nazis verteidigt, und jetzt das…", empört sich ein Leser, als vom Vorrücken russischer Truppen auf die ukrainische Hauptstadt berichtet wird.

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Daniel Friesen

Daniel Friesen, Jahrgang 1998, studiert an der Freien Universität Berlin Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Politikwissenschaft. Parallel lernt er Russisch. Vom 24. Februar bis zum 15. April 2022 hospitiert er in der chrismon-Redaktion.

Die Autoren der Artikel der einflussreichen russischen Zeitungen suchen den Schuldigen für die jüngste Eskalation dagegen anderswo. Argumenty i Fakty sieht im ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einen von ukrainischen Nationalisten Getriebenen. Aus Rücksicht auf Radikale in den eigenen Reihen habe Selenskyj Verhandlungen mit den Vertretern der Separatisten im Donbass-Gebiet stets abgelehnt und stattdessen immer neue Drohungen ausgestoßen. "Selenskyj hatte die Möglichkeit, den Konflikt friedlich zu beenden. Es ist nicht so wichtig, warum er sich dagegen entschieden hat. Jetzt sind andere Zeiten angebrochen", heißt es in Argumenty i Fakty.

General Anatoli Kuljow schlägt im Interview mit der Moskauer Komsomolskaja Prawda in dieselbe Kerbe. Der eigentlich gemäßigte Selenskyj sei von den Ukrainern mit dem Wunsch gewählt worden, eine Aussöhnung mit dem Ostteil des Landes zu erzielen, habe sich aber zu sehr von ukrainischen Nationalisten treiben lassen. Auch die Moskowski Komsomolez rückt Spannungen innerhalb der Ukraine in den Fokus und berichtet von Schießereien zwischen dem regulären ukrainischen Militär und ukrainisch-nationalistischen Kampfbataillonen. Der Bericht endet mit der Bemerkung: "Zur Erinnerung: Putin hat am frühen Morgen des 24. Februars eine Spezialoperation in den Gebieten Donezk und Lugansk angekündigt. Ziel: Demilitarisierung der Ukraine." Über konkrete Gründe und Ziele des russischen Einmarschs ist dagegen nichts zu lesen. Beschwichtigend heißt es in Argumenty i Fakty, zivile Opfer seien nicht zu befürchten. Das habe das russische Verteidigungsministerium bekanntgegeben.

Doch es gibt auch ganz andere Töne in der russischen Presselandschaft. Dimitri Muratow berichtet seit Jahren kritisch über die Regierung Putin, war als Chefredakteur der Novaja Gazeta schon an der Aufklärung etlicher Skandale beteiligt und wurde im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. "Unser Land hat auf Befehl von Präsident Putin einen Krieg begonnen. Und es gibt niemanden, der den Krieg aufhält," bringt Muratow seine Sicht der Dinge auf den Punkt. Er mache sich Sorgen vor einem nuklearen Angriff Russlands auf die Ukraine. "Anders kann ich Putins Aussage über die Waffe der Vergeltung nicht interpretieren." Als Zeichen der Verbundenheit erscheine die aktuelle Ausgabe der Novaja Gazeta zweisprachig. "Weil wir die Ukraine nicht als Feind und die ukrainische Sprache nicht als Sprache des Feindes ansehen. Und niemals ansehen werden." Außerdem ruft Muratow zu einer innerrussischen Friedensbewegung auf, die Druck auf die Regierung ausüben solle. Nur so könne "das Leben auf diesem Planeten" gerettet werden.

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Mit Überzeugung Raketen aufhalten? Etwa mit der Toleranz der Intoleranz ? Haben Sie schon mal versucht, mit einer Säule zu diskutieren? Tun Sie das! Sie erfahren zwar nichts Neues, gewinnen aber an Erfahrung. Wenn ein russischer (Eis-) Bär dem Nachbar Lamm den Krieg erklärt, weil er Angst vor dessen Friedfertigkeit hat, ist alle Vernunft am Ende. Von LEO

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Aber was wollen wir denn noch alles ? Rußland hat doch eine hocheffektive Friedensbewegung !
Ihr Protagonist ist Herr Putin selbst ! Im Augenblick "entmilitarisiert und entnazifiziert" er gerade die Ukraine - so seine eigenen Worte.Das ist doch genau das, was unsere Friedensbewegungen sich seit Jahrzehnten nicht nur für unser Land, sondern für die ganze Welt wünschen. Immerhin macht Herr Putin schon mal einen Anfang .... (Ironiemodus aus)

Die Friedensbewegung des Herrn Putin ist nur eine nachgeahmte. Das Original stammt aus der "Erklärung der Bundesregierung durch den Bundesminister der Verteidigung, Dr. Peter Struck, am 11. März 2004 in Berlin." Auszüge daraus: "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt" "Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, die Kardinal Meisner kürzlich bei einem internationalen Soldatengottesdienst geäußert hat: Diese Bundeswehr ist die größte Friedensbewegung Deutschlands!"

Quelle: http://www.bmvg.de zitiert nach http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/struck6.html

Das mit dem Hindukusch ist inzwischen glorreich abgeschlossen. Herr Kardinal Meisner wurde bereits von der Kanzlei Gercke/Wollschläger gewürdigt, Stichwort sexualisierte Gewalt. Und von wegen olle Kamellen:
Die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wendet sich in einem Tagesbefehl an die Truppe: "Klar ist, dass die Bundeswehr in dieser Krise gefordert sein wird, und dass wir unseren Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt wahrnehmen werden."

Quelle: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/tagesbefehl-russischer-einmarsch-ukraine-5361544

Wenn unsere Sicherheit aktuell nicht mehr am Hindukusch, sondern im Donbass verteidigt wird und die Friedensbewegungen aller Seiten aufmarschieren, dürfte nichts mehr schief gehen können.

Fritz Kurz

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