Reagiert das Publikum? Hört es zu?
Gucken jetzt alle? Schauspielerin Birgit Minichmayr
Dirk von Nayhauß
Birgit Minichmayr im Interview
Reagiert das Publikum? Hört es zu?
Auf der Bühne braucht es viel Energie, da fühlt sich die Schauspielerin Birgit Minichmayr lebendig
Dirk von Nayhauß
26.01.2022
3Min

chrismon: Welchen Traum möchten Sie sich unbedingt erfüllen?

Birgit Minichmayr: Ich hoffe, Sie sind die gute Fee und können Träume ­machen. Dann würde ich mir viele wünschen! Träume sind für mich eine große Antriebskraft. Es muss aber nicht alles klappen – wovon sollte ich dann noch träumen?

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Es hat immer eine andere Färbung – ob ich Musik höre, ­einen Film sehe oder ein gutes Gespräch führe. Ich bin dann wach und sehr akut. Und natürlich fühle ich mich auf der Bühne lebendig. Man braucht Energie, um 1400 Menschen in Bann zu ziehen. Es ist auch an­strengend, einen Fokus zu setzen, dass einem zugehört und zugesehen wird, ­besonders, wenn sie nicht so mitwollen. Man hat eine Verbindung mit denen da unten, sie bestimmen extrem viel. Ich bin stark kurzsichtig, ich sehe sie oft gar nicht, aber ich spüre, wie anwesend sie sind.

Birgit MinichmayrDirk von Nayhauß

Birgit Minichmayr

Birgit Minichmayr, ­geboren 1977, gehört zu den wichtigsten ­Schauspielerinnen ­ihrer Generation. Noch während der Ausbildung am Max-Reinhardt-­Seminar ging sie 1999 fest ans Wiener Burgtheater. Es folgten Engagements in Berlin, ­München, Salzburg, Zürich und Hamburg. Sie spielte in Filmen wie "Der Untergang", "Das Parfum", "Kirschblüten – ­Hanami", "Alle ­anderen" und "­Gnade". Im Kino ist sie aktuell zu sehen in "Wanda, mein ­Wunder" (ab 24.2. digital erhältlich, etwa auf Amazon, Apple TV, Google Play). 2021 ver­öffentlichte sie als Sängerin das Album "As an ­Unperfect ­Actor. Nine ­Shakespeare ­Sonnets" (18 Euro). Birgit ­Minichmayr ist ­ver­heiratet, hat zwei ­Töchter und lebt in Wien.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Mein Leben macht, seit die Kinder da sind, für mich erst wirklich Sinn. Die beiden zentrieren mich, ich kann so vieles auslassen, was ich früher nicht ausgelassen hätte. Es geht nicht mehr nur um mich. Am wichtigsten war mir immer die Arbeit, das lebe ich nach wie vor. Dadurch habe ich nicht das Gefühl, dass ich etwas verpasse. Früher bin ich lange in Kantinen gesessen, jetzt habe ich ein Bett, in dem zwei kleine Kinder liegen, das ist viel schöner.

Wo ist Heimat?

Da denke ich an meine Kindheit. Dazu gehören meine ­Familie, das Haus und der Garten und die Freunde aus Kindertagen – ich bin auf dem Land groß geworden. Ich denke an Frühlingstage, wenn das Grün kommt und die Tage länger werden; die Vögel zwitschern, der Bach rauscht, die Blätter im Wind. Es war eine gute, eine normale Kindheit, mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich bin katholisch aufgewachsen und war ein extrem ­gläubiges Kind. Ich fand die Rituale faszinierend, den rhythmischen Ablauf, das Gemeinschaftliche. Irgendwann bekam es aber etwas Frömmelndes. Ich bin auf ­eine Nonnenschule gegangen, wir hatten Kloster­schwestern als Lehrerinnen. Man hat eine unglaublich gute Schul­ausbildung bekommen, aber es ging sehr streng zu, wir ­mussten dauernd zur Beichte. Das engt sehr ein, wenn man wie ich anfällig ist für Schuld und schlechtes ­Gewissen. Als mir nichts mehr einfiel, was ich beichten konnte, habe ich irgendwas erfunden – und dann gesagt, dass ich gelogen habe. Dass es etwas Höheres gibt, möchte ich gern glauben. Aber als das mit den Missbrauchsfällen herauskam, als dieses desaströse Ausmaß offensichtlich wurde, bin ich aus der Kirche ausgetreten. Ich konnte den Umgang damit nicht mehr ertragen.

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Werden Sie ohne Reue sterben?

Ich wüsste nicht, was ich bereuen sollte. Ich habe früh aufgehört, irgendwelchen Dingen hinterherzujagen. Ich weiß immer, warum ich mich für etwas entschieden habe. Natürlich hätte manches anders laufen können, aber das ist nichts, wo ich wie ein Hund am Knochen rumnage, ich kann gut loslassen.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Es ist schön, wenn man geliebt wird. Und es ist schön zu lieben. Egal, ob Partner, Kind, Eltern, Freunde. Zu geben und zu empfangen, ist etwas ganz, ganz Schönes.

"Manchmal braucht man Selbstmitleid"

Wer oder was hilft in der Krise?

Meine Therapeutin. Die Muckibude. Und stundenlange Telefonate mit Freunden, wo ich mantrahaft immer wieder dieselbe Chose von mir gebe, bis ich es überwunden habe. Natürlich darf man Selbstmitleid haben, solange man sich dessen bewusst ist. Manchmal braucht man das.

Wie wäre ein Leben ohne Disziplin?

Würde auch funktionieren, halt anders. Wahrscheinlich dauerte alles länger, weil man nur etwas macht, wenn die Laune passt. Sich mehr Zeit für die Dinge zu nehmen, ist nicht das Schlechteste – aber für ein Leben ohne ­Disziplin bräuchte es wahrscheinlich ein Grund­einkommen, um sich nicht mehr um materielle Dinge kümmern zu ­müssen.

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