Kati Szilagy
Einfach klingeln? Oder lieber gar nichts tun?
Die Traueranzeige im Treppenhaus
Elli W. aus Hannover fragt:
"Meine Nachbarin hat in unserem Mehrfamilienhaus an die Pinnwand eine Traueranzeige gehängt: Ihre Mutter ist gestorben. Die Familie bittet um Spenden für ‚Ärzte ohne Grenzen‘. Die Nachbarin lebt sehr zurückgezogen, ich kenne sie kaum und kannte ihre Mutter nicht. Was soll ich tun? Ihr schreiben? Spenden? Klingeln? Gar nichts?"
Stefanie Schardien antwortet:
Mit Beileidsbekundungen ist es so eine Sache: Alle wissen, sie sind tröstlich. Trotzdem sind viele unsicher und zögern wie Sie: Was soll ich sagen oder tun? Will diejenige überhaupt angesprochen werden?
Da Ihnen die Verstorbene und deren Tochter eigentlich fremd sind, wäre es nicht völlig unmoralisch, nicht auf die Anzeige im Treppenhaus zu reagieren. Mit diesem offensiven Weg fordert Ihre Nachbarin aber eine andere Entscheidung. Es geht ihr vermutlich weniger um die Spendenaktion als um ein Signal, dass sie sich über Kontakt freuen würde. Darum wäre eine kommentarlose Spende zwar auch eine Option, aber vermutlich gar nicht das, was sich Ihre Nachbarin erhofft.
Die Frage ist: Wie wichtig ist Ihnen eine fürsorgliche Gemeinschaft? Eine freundliche Karte wäre ein kleiner Schritt. Die wohl sozialste und mutigste Option wäre zu klingeln: Fragen Sie, wie es geht. Erzählen Sie von Ihrer Unsicherheit. Vielleicht hören Sie eine Geschichte über den Spendenzweck und geben umso lieber. Klar, theoretisch ist es möglich, dass die Nachbarin Sie verwundert vor der Tür stehen lässt. Die Chance auf eine weniger anonyme Gemeinschaft erscheint mir größer – wenn Sie das möchten.
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