Testen, testen, testen!
Die Schülerinnen und Schüler kehren in die Klassenzimmer zurück. Eine Debatte darüber, wie es gelingen kann, wurde lange verschlafen, Schulen, Kindern und Familien fehlt offenbar die Wertschätzung. Kann dieser Schritt jetzt, nach den Sommerferien, gut gehen?
Tim Wegner
04.08.2020

Das Corona-Virus SARS-CoV-2 stellt uns alle immer wieder vor große Probleme. Können wir es zum Beispiel verantworten, Oma zu besuchen? Solche Fragen müssen wir aushalten, alle zusammen.

Manchmal führt das dazu, dass wir Verantwortung wegdelegieren. So ist das auch bei Corona und den Schulen, die nach den Sommerferien zum Präsenzunterricht zurückkehren; Mecklenburg-Vorpommern hat bereits den Anfang gemacht. Die Schulen müssen nun irgendwie mit dem Virus klarkommen. Das muss nicht immer der falsche Ansatz sein. Der Direktor und sein Kollegium kennen das eigene Schulgebäude ja sehr viel besser als die zuständige Kultusministerin – und wissen, worauf es bei Abstand und Hygiene ankommt.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann ist Redakteur und interessiert sich besonders für die Themen Umwelt, Klimakrise und Energiewende. Er studierte Politikwissenschaft und Journalistik an der Uni Leipzig und in Växjö, Schweden. Nach dem Volontariat 2003 bis 2005 bei der "Leipziger Volkszeitung" kam er zu chrismon.

Leider haben sich viele Bildungspolitiker aber viel zu sehr darauf verlassen, dass die Schulen schon Lösungen finden werden. Wer bei der Kultusministerkonferenz – in ihr arbeiten die für Bildung zuständigen Ministerinnen und Minister der Länder zusammen – nachfragt, ob es eine länderübergreifende, deutschlandweite Regelung dafür gibt, dass sich Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler kostenlos auf Corona testen lassen können, erhält als Antwort: Nein, gibt es nicht. Dazu der freundliche Verweis auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14. Juli, der im Kern auf das beschränkt ist, was wir alle seit Monaten auswendig im Schlaf herbeten können: Abstand halten, wo es geht. Gründlich Hände waschen. Und lüften.

Das Dilemma Schule: Räume, in denen viele Menschen sitzen

Das war’s - und das ist viel zu wenig. Schule in Coronazeiten, das ist eben ein auch ein Dilemma: Wenn sich viele Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten, können sich potenziell auch viele anstecken, weil der Erreger sich in der Luft verteilt. Das ist banal und nichts Neues, deshalb wurden Schulen im März ja auch geschlossen.

Dass nun der Wechsel in den Präsenzunterricht erfolgen soll, macht vielen Menschen Angst und führt zu hitzigem Streit, der selten Lösungen hervorbringt, sondern spaltet. Freundeskreise zoffen sich über die Frage, ob die Kinder überhaupt wieder in die Schule gehen sollten. Und Menschen ohne oder mit älteren Kindern sehen Kinder und Jugendliche mit einem Argwohn, der traurig stimmt: Bleibt uns bloß weg mit den Virenschleudern, lasst sie am besten gleich zu Hause!

Aber Schule ist wichtig für Kinder. Besonders sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler haben seit März schon so viel Stoff verpasst, dass sie ihn kaum mehr aufholen können. Für sie ist Onlineunterricht kein Allheilmittel. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt: In fast der Hälfte der Familien mit einem Nettoeinkommen von unter 2000 Euro im Monat gibt es kein Tablet. Und Haushalte mit besonders niedrigen Einkommen haben im Schnitt zwei Computer zu Hause – solche mit hohem Einkommen dagegen vier. Wenn Mama oder Papa zu Hause arbeiten müssen, weil die Schule schließen muss, geht der Kampf um den Rechner los. Schulschließungen setzen den Kindern zudem auch psychisch zu, wie eine gestern vorgestellte Studie des Universitätsklinikums Leipzig zeigt.

Viele Eltern sind verzweifelt, weil sie im Herbst und Winter erneut flächendeckende Schulschließungen befürchten und sich wieder im Spagat zwischen Homeoffice einerseits und Homeschooling andererseits aufreiben müssen. Eine Belastung, die bisher - leider! - überwiegend die Mütter schultern und die schon jetzt die Anstrengungen für mehr Gleichberechtigung um viele Jahre zurückzuwerfen droht.

Wo kein Virus ist, ist gemeinsames Lernen möglich

Was kann helfen? Testen, testen, testen! Wo kein Virus ist, kann man auch gemeinsam lernen. Alle, die mit Bildung zu tun haben – Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Eltern – sollten die Chance haben, sich kostenlos testen zu lassen. Im Zweifel auch immer wieder. Tests in zeitlich großen Abständen, wie sie einige Bundesländer planen, schaffen kein Vertrauen. Der Einwand "Das geht doch nicht, so viele Tests!" gilt nicht. Es war schließlich nur eine Frage von Tagen, ehe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Reisesende, die aus Risikoländern nach Deutschland zurückkehren, darauf verpflichten wollte, sich auf Corona testen zu lassen. Das zeigt: Wo der politische Wille ist, entstehen in kurzer Zeit ganze Testzentren, gerade dieser Tage. Es sagt viel über die Wertschätzung von Bildung, Schulen und Familien aus, dass es keine bundeseinheitliche Teststrategie für den Bildungsbereich gibt – obwohl die Pandemie seit März andauert. Wie schnell Tests für Sicherheit an einer Schule sorgen können, darf keine Frage des Wohnortes sein.

Helfen kann auch eine Mundschutzpflicht in Klassenräumen - jedenfalls, wenn das Infektionsgeschehen in einer Region zunimmt oder Corona-Fälle an einer Schule aufgetreten sind. Während des Unterrichts ist ein Mund-Nasen-Schutz viel angebrachter als während der Pausen auf dem Schulhof, also an der frischen Luft. Es ist gut, dass das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen nun auch eine Maskenpflicht im Unterricht angekündigt hat und dass andere Länder folgen. Aber: Warum diskutieren wir diese Fragen jetzt, kurz vor Schulbeginn? Es ist absehbar, dass es Eltern, Lehrer und Schüler gibt, die sich allein schon ob der Kurzfristigkeit der Maßnahme empören. Das schafft weder Akzeptanz noch Vertrauen - beides hätte man mit gründlichen, fachlich und wissenschaftlich unterfütterten Debatten gewinnen können. Schule in Deutschland in Zeiten der Pandemie: Mich erinnert das sehr an meine eigene Schulzeit, wenn ich am Ende der großen Ferien ein verschimmeltes Pausenbrot aus dem Ranzen kramte - ups, vergessen. Ich hatte schlicht verdrängt, dass der Unterricht je wieder beginnen würde. Das ist menschlich, aber von Politik und Verwaltung hätten Kinder wie Eltern mehr erwarten dürfen.

Den Schulen ist zu raten: Nehmt die Schülerschaft mit, beratet gemeinsam mit ihr, was gegen eine erneute Zunahme der Krankheitszahlen helfen kann und warum es an uns allen ist, neue Infektionswellen zu verhindern. Junge Menschen ziehen eher mit, wenn wir ihnen Verantwortung übertragen – und sie in die Diskussionen miteinbeziehen.

Bildung geht uns alle an

Und schließlich: Gute Bildung muss uns alle angehen. Auch die, die längst nicht mehr zur Schule gehen, sollten sich erinnern, dass wir alle mal jung und Schülerin oder Schüler waren. Wenn wir die Zukunftschancen der Jungen verspielen, kommt das uns alle noch teuer zu stehen. Viele Infektionen gingen in den Sommerferien, als die Schulen geschlossen waren, auf die Gedankenlosigkeit derer zurück, die keinen Abstand halten oder keine Masken tragen wollen. Das dürfen nicht wieder die Schülerinnen und Schüler und deren Familien ausbaden.

Halten wir uns alle zurück, damit die Jungen lernen können!

 

 

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Sehr geehrte Damen und Herren!
"Wer Visionen hat der sollte zum Arzt gehen", das tönte einst der "Kettenraucher" Helmut Schmidt (1918-2015), ein deutscher Politiker und Bundeskanzler!
Wer sich heute testen lassen will, der kann heute zum Arzt gehen, um sich heute testen zu lassen; der kann auch morgen erneut wieder zum Arzt gehen, um sich morgen abermals testen zu lassen; der kann auch....; einfach nur auf Nummer sicher gehen!
Wer seinem Virologen des Vertrauens nicht mehr trauen kann, der könnte auch Karl Lauterbach nach seiner Corona-Meinung fragen, und wer noch irgendwie nach "Logik" in diesen Pandemiezeiten suchen sollte, der sollte sich lieber wieder Zeit dafür nehmen, und täglich in der Zeitung seines Vertrauens blättern und lesen.
Ihr Klaus P. Jaworek

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