Hurra, die Emissionen sinken! Aber warum?
Der Ausstoß an Kohlendioxid ist in Deutschland im vergangenen Jahr zurückgegangen - ein Erfolg der erneuerbaren Energien
Tim Wegner
13.01.2020

Angesichts der apokalyptischen Bilder aus Australien, wo Buschfeuer lodern und den Himmel verfinstern, wirkte diese Nachricht wie Balsam für die Klimaseele: Die Organisation "Agora Energiewende", die sich als Denk- und Politiklabor versteht, hat ausgerechnet, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2019 um mehr als 50 Millionen Tonnen gesunken sind – ein Minus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr 2018. Damit rücke das Ziel Deutschlands, bis 2020 die Emissionen – gemessen am Basisjahr 1990 – um 40 Prozent zu mindern, wieder in greifbare Nähe. 35 Prozent seien nun geschafft.

Woran liegt das? Die Erklärung liefern die Strategen von "Agora Energiewende" gleich mit, viele Kommentatoren übernahmen sie fast wortgleich: Die Preise für CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel seien so stark gestiegen (auf über 20 Euro pro Tonne), dass Energieversorger die Leistung von Braun- und besonders Steinkohlekraftwerken zurückfuhren und lieber Gas verfeuerten, das weniger Treibhausgase freisetzt.

Der Emissionshandel wird nicht automatisch zum Erfolg

Wird also alles gut, wenn die Bundesregierung den Emissionshandel im kommenden Jahr zusätzlich zur Energiewirtschaft auf alle Sektoren ausweitet? Nein. Denn um fossile Energie zu ersetzen, braucht es die erneuerbaren Energiequellen. Beim Strom ist das gelungen, hier lag der Anteil an Strom aus Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland 2018 bei fast 43 Prozent. Ein riesiger Erfolg der Branche, die noch vor 20 Jahren belächelt wurde. Verantwortlich dafür ist das Stromeinspeisungsgesetz von 1991, heute bekannt als Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Hunderttausende Jobs sind dadurch in Deutschland entstanden. 

Die Arbeit der Fachleute ist gefragt, weil in den kommenden Jahren die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen. Aber das Gegenteil geschieht: Der Ausbau der Erneuerbaren stockt. Das könnte dazu führen, dass das Jahr 2019, in dem die Wirtschaft nicht gewachsen ist und daher weniger Energie verbraucht hat, ein Ausreißer sein wird. Es ist an der Zeit, an die Ideen der Vorkämpfer des EEG zu erinnern, besonders an Hermann Scheer. Er forderte eine dezentrale Energiewende. Der Grundgedanke: Strom soll dort produziert werden, wo er verbraucht wird. Viele Hausdächer bieten dafür noch Platz. Gepaart mit kleinen Speichern kann das den Anteil der Erneuerbaren noch vergrößern. Das ist für die Energiekonzerne, die lieber große Windparks auf dem Meer bauen, keine gute Aussicht – aber gut für die Bürger. Und es spart die milliardenteuren Riesenleitungen, genannt "Stromautobahnen", gegen die sich vielerorts Proteste regen. Wenn Strom ortsnah erzeugt und verbraucht wird, braucht es keine Riesenmasten.

Andere Sektoren hinken hinterher

Eine schlechte Nachricht hatte "Agora Energiewende" auch noch: Die C02-Ersparnisse 2019 gehen ausschließlich auf den Stromsektor zurück. In anderen Bereichen, etwa dem Straßenverkehr, entstehen sogar mehr Treibhausgase. Kein Wunder, es gibt immer mehr SUVs. Das muss nicht sein.

Hier können Verbraucher und besonders auch Unternehmen - viele SUVs sind Dienstwagen – durch kluge Entscheidungen etwas dafür tun, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 doch noch erreicht.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Motorrad aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.