03.06.2020
Angelika Gärdes-Falk
Nachdem ich meinen behinderten Sohn, der in einem Wohnheim lebt, 12 Wochen lang nicht besuchen durfte, gab es vor kurzem die Möglichkeit, ihn zu sehen.
Wir nahmen nach Desinfektion und Anlegen des Mundschutzes im Besucherzimmer vor einer Acrylglaswand Platz und Felix wurde hereingeführt, auch mit Mundschutz.Und dann passierte das Unheimliche. Unser Sohn, der uns sonst immer freudig begrüßt, wandte den Kopf ab, wirkte sichtlich verunsichert und unglücklich. Alles Zureden half nicht. Weil er nicht sprechend ist, konnte er auch nicht sagen, was ihm durch den Kopf geht. Nach einer Viertelstunde hielt er es nicht mehr aus und verließ das Zimmer, ohne eine Abschiedsgeste. Er wollte nur schnell aus dieser Situation heraus und ließ uns Eltern ratlos und traurig zurück.
Am folgenden Tag war er im Videoanruf wieder der Alte, lachte und gestikulierte. Das hat uns ein wenig getröstet.
Ich habe den Eindruck, daß in den Medien sehr wenig über diese besonderen Menschen berichtet wird, die so sehr auf Körperkontakt und andere Arten der Kommunikation angewiesen sind und denen man schwer vermitteln kann, welche Gefahr droht. Auch für die Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen ist es eine große Herausforderung. Deshalb habe ich Ihnen von meinem Kummer berichtet. Wir hoffen sehr, daß wir unseren Sohn bald wieder in die Arme schließen und zum Wochenende nach Hause holen dürfen.