28.03.2020
Bernd Steinheimer

Ich bin Bernd Steinheimer, 55 Jahre alt, verheiratet. Ich wohne in Hamburg und arbeite in einem kleinen Jobcenter im Umland von Hamburg. Dies ist für die Unterscheidung, wie es mir geht, von Bedeutung… denn beruflich ist dies sie seltsamste Zeit meines Lebens. Bislang war das Ungewöhnlichste der Mauerfall. Damals war Ungläubigkeit, Staunen, Freude, aber auch das Gefühl, etwas Einmaligem und Großartigen als Zeitzeuge beizuwohnen.

Dieses Gefühl ist jetzt schon auch da, nur leider weniger positiv eingefärbt. Ich bin seit fast 35 Jahren in der öffentlichen Arbeitsvermittlung tätig, vom alten Arbeitsamt über die „Agentur für Arbeit“ bis zum Jobcenter. Nie hatten wir auch nur einen Arbeitstag geschlossen: an keinem Brückentag oder sonst wie, und bei Personalversammlung oder ähnlichen Veranstaltungen war immer für eine Notbesetzung gesorgt und das Haus geöffnet. Keine Schließung in 35 Jahren! Und nun… seit über einer Woche sind alle Agenturen und Jobcenter geschlossen. Und ich kann nur sagen: das fühlt sich, ja, irgendwie falsch an. Es passt nicht. Ein Jobcenter ohne Kunden, ohne Ratsuchende, das ist… irgendwie nicht das, was ich will. Tatsächlich, die Kunden fehlen mir und meinen Kollegen. Ein paar Tage war das noch ganz originell, aber längere Zeit ist es einfach nicht richtig. Wer im Jobcenter arbeitet, arbeitet mit Menschen und weiß das auch. 

Vond hoffe ich sehr, dass bald wieder Normalität einkehrt. Beunruhigend sind im Übrigen aktuell die massiv ansteigenden schriftlichen Anträge auf Alg2 von Selbständigen, denen die Aufträge weggebrochen sind. Ich hoffe sehr, dass diese Menschen unsere Hilfe nur für wenige Monate benötigen werden.

Nebend derArbeit sieht es im privaten Umfeld ein wenig anders aus. Natürlich fühlt sich das Leben auch hier seltsam an; so viel zu Hause nach Feierabend, kein Lokal geöffnet, keine Freunde zu Besuch oder zu besuchen. Andererseits: ich gestehe, dass mich das Fehlen vieler Hamburger „Events“ überhaupt nicht stört, im Gegenteil. Massenveranstaltungen wie Hafengeburtstag, Marathon, Triathlon, Harley Days und Ich-weiß-nicht-was-Alstervergnügen können meinerseits dauerhaft unterbleiben. Brauch ich nicht und spart sicher eine Menge CO²… ja, das ist ein wenig böse, aber da stehe ich zu. Mich trifft da sehr viel mehr, dass sämtliche Theater, die Staatsoper, Elbphilharmonie und Museen geschlossen sind. Zwei seit langem gebuchte Opern und das letzte Abo Konzert in der „Elphi“ sind gestrichen. Sehr schade, aber nicht zu ändern.

Füreine begrenzte Zeit ist das alles auszuhalten. Ich lese jetzt mehr und auch der Fernseher läuft länger als gewöhnlich. Wenn es das Wetter zulässt, wird der Balkon genutzt. Und abends darf es auch mal ein Glas Wein oder ein Whisky sein, zusammen mit meiner Frau. Das Leben geht weiter. Ich weiß, dass ich in einem privilegierten Land lebe. Ich habe Arbeit, die ich gerne mache, bin einigermaßen gesund. 

Es geht mir gut, Danke.