Der EKD-Ratsvorsitzende bei einem Interview per Video-Call (Archiv).
epd-bild/Heike Lyding
Die evangelischen Kirchen haben nach Ansicht des EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm mit einem reichhaltigen digitalen Angebot auf die Einschränkungen in der Corona-Krise reagiert. Dadurch habe die Kirche an Attraktivität gewonnen.
16.06.2020

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat einen durch die Corona-Krise ausgelösten Digitalisierungsschub in den Kirchen begrüßt. Die Pandemie habe Alltag und Verkündigungspraxis der Kirchen nachhaltig verändert, sagte Bedford-Strohm am Dienstag auf einer Online-Pressekonferenz. Dabei wurde eine Studie zu digitalen Verkündigungsformaten vorgestellt, von der kurzen Andacht bis zur anspruchsvoll gestalteten Gottesdienstfeier. Danach hätten sich die Protestanten während der Corona-Krise "äußerst beweglich, kreativ und flexibel" gezeigt. 72 Prozent der Befragten wollten die digitalen Formate nach dem Lockdown fortführen. Die Kirche der Zukunft werde daher "bunter und vielfältiger", hofft Bedford-Strohm.

Der EKD-Ratsvorsitzende wies zugleich Kritik zurück, die Kirchen seien während der Corona-Pandemie nicht nahe genug an den Menschen gewesen. "Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass die Kirche sich weggeduckt hat oder womöglich die Pfarrerinnen und Pfarrer sich zurückgezogen haben", sagte der Theologe, der auch bayerischer Landesbischof ist: "Die waren präsent, die haben Kontakt mit den Leuten gehabt und gehalten."

Kein Ersatz für persönliche Begegnungen

Die Mitarbeiter der Kirchen hätten diese Herausforderung mit großer Energie und Willenskraft angegangen, sagte Bedford-Strohm. Die frühere Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte im Mai kritisiert, die Kirche habe in der Corona-Krise Hunderttausende Menschen allein gelassen - Kranke, Einsame, Alte, Sterbende.

Die digitalen Formate würden die persönlichen Begegnungen in den Kirchen freilich nicht ersetzen, betonte Bedford-Strohm. Deshalb sei es spannend, wie man die digitalen Formate und die Präsenzgottesdienste, "die natürlich weiter eine zentrale Bedeutung haben werden", miteinander verbindet. Es sei davon auszugehen, dass künftig vermehrt mit "hybriden Formaten", bei denen sowohl eine direkte Teilnahme in einer Kirche als auch die digitale Teilnahme möglich ist, zu rechnen sei.

60 Prozent digitale Verkündigungsformate

Das EKD-Kirchenamt hatte die Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) in Berlin Ende April beauftragt, die digitalen Verkündigungsformate während der Corona-Krise zu untersuchen. Als repräsentative Stichprobe wurden den Angaben zufolge vier evangelische Landeskirchen ausgewählt: die Nordkirche, die Kirche in Mitteldeutschland, die Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Landeskirche in Württemberg. Von 897 Rückmeldungen hätten 729 angegeben, dass sie digitale Verkündigungsformate während der Corona-Krise angeboten haben.

60 Prozent der digitalen Verkündigungsformate seien digitale Andachten und "digitale andachtsähnliche Formate", noch vor den digitalen Gottesdiensten, so die Autoren. Während der Corona-Krise sei nach der Studie ein deutliches Mehr an Verkündigungsformaten im Vergleich zu der Zeit vor der Covid-19 Pandemie feststellbar gewesen. Mit Blick auf die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl an einem normalen Sonntag vor der Pandemie und während der Corona-Krise sei ein Zuwachs "von 287 Prozent" zu verzeichnen gewesen. Daher könne man von einem "Nachfrage-Boom" sprechen, sagte Daniel Hörsch, der als Sozialwissenschaftlicher Referent bei "midi" die Studie geleitet hat.

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