Der Hauptangeklagte Stephan E. wird in den Gerichtssaal geführt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor.
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Ein Jahr nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Prozess am Frankfurter Oberlandesgericht begonnen. Doch die Verteidiger von Stephan E. und Markus H. wollen erreichen, die Hauptverhandlung auszusetzen.
16.06.2020

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie hat am Dienstag in Frankfurt am Main der Prozess um die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen. Zu Verhandlungsbeginn am Oberlandesgericht stellten die Verteidiger der beiden Angeklagten mehrere Anträge zur Aussetzung der Hauptverhandlung. Zudem lehnte der Hauptangeklagte Stephan E. den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Das Gericht wollte am frühen Nachmittag über den weiteren Fortgang des Prozesses entscheiden.

Stephan E. soll laut Anklage am 1. Juni 2019 um 23.20 Uhr Lübcke auf der Terrasse von dessen Haus in Wolfhagen-Istha bei Kassel in den Kopf geschossen haben. Markus H. soll E. durch die gemeinsame Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen und durch gemeinsame Schießübungen in seinem Tatentschluss bestärkt haben. Beide Angeklagten haben laut Bundesanwaltschaft aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung heraus gehandelt. Die Bundesanwaltschaft hat Stephan E. (46) des Mordes angeklagt, Markus H. (44) der Beihilfe zum Mord.

E.s Anwälte stellen Befangenheitsantrag gegen Vorsitzenden Richter

Stephan E.s Anwalt Mustafa Kaplan sagte zur Begründung einer möglichen Befangenheit, der Vorsitzende Richter Sagebiel habe rechtswidrig die Anwältin Nicole Schneiders als Pflichtverteidigerin für Markus H. bestellt, um E. bewusst zu schaden. Vor diesem Hintergrund beantragte Kaplan auch den Ausschluss Schneiders' sowie des zweiten Verteidigers von Markus H., Björn Clemens.

E.s zweiter Verteidiger, Frank Hannig, begründete seinen Antrag auf Aussetzung mit Beeinträchtigungen des Prozessablaufs durch die Corona-Pandemie sowie mit der zu kurzen Einarbeitungszeit für die Verteidigung angesichts des umfangreichen Materials von rund 90.000 Seiten. Auch H.s Anwältin Schneiders monierte, dass der Verteidigung zu wenig Zeit für eine sachgerechte Verteidigung eingeräumt worden sei.

Clemens forderte eine Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten unter anderem wegen suggestiver Tendenzen bei den Ermittlungen und der Berichterstattung zu dessen Nachteil. Sein Mandant sei "öffentlich hingerichtet worden, bevor der Prozess überhaupt begonnen hat".

E. soll auch einen irakischen Flüchtling angegriffen haben

Bei der Nebenklage lösten die Anträge der Verteidiger Bestürzung aus. "Für uns ist es schwer erträglich, den heutigen Vormittag als Beginn der Hauptverhandlung zu erleben", sagte der Anwalt Holger Matt, der die Witwe und die beiden Söhne Lübckes vertritt. Er forderte ebenso wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, die Anträge abzulehnen.

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke, der sich für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt hatte, hatte vor einem Jahr bundesweit Entsetzen ausgelöst. Stephan E. muss sich darüber hinaus im Fall eines 2016 in Lohfelden bei Kassel niedergestochenen Flüchtlings verantworten. Hier wird ihm versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Das Gericht hat bis Ende Oktober 32 Verhandlungstage vorgesehen.

Stephan E. wurde zwei Wochen nach dem Mord an Lübcke festgenommen, Hautteile mit seiner DNA waren auf der Kleidung des Toten gefunden worden. Zunächst gestand er, Lübcke erschossen zu haben und führte die Polizisten zu einem Waffenversteck mit acht Schusswaffen, einschließlich der Mordwaffe. Er belastete Markus H. Nach dem Wechsel seines Rechtsanwalts widerrief er das Geständnis und beschuldigte Markus H., bei der Tat dabei gewesen zu sein und mit E.s Waffe versehentlich einen Schuss auf den Regierungspräsidenten abgegeben zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung bei E. fand die Polizei ein Messer mit DNA-Spuren des 2016 niedergestochenen Flüchtlings.

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