Jeder Vierte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund: Dies spiegeln die großen Medien in ihrer Belegschaft bislang zu wenig wider, heißt es in einer Studie über Diversität im deutschen Journalismus.
11.05.2020

In deutschen Medien gibt es einer Untersuchung zufolge kaum Führungskräfte mit Migrationshintergrund. Lediglich sechs Prozent der Chefredakteure und Chefredakteurinnen der reichweitenstärksten Medien hätten mindestens einen nicht-deutschen Elternteil, heißt es in der am Montag in Berlin vorgestellten Studie der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM). Dazu wurden insgesamt 126 Führungskräfte in 122 Redaktionen regionaler und überregionaler Medien befragt. Die Autoren der Studie sprechen von einer ernüchternden Erkenntnis.

In der Untersuchung mit dem Titel "Wie ist es um Diversity im deutschen Journalismus bestellt?" gaben demnach 118 der Befragten an, keinen Migrationshintergrund zu haben. Unter den sechs Chefs und zwei Chefinnen, die mindestens einen nicht-deutschen Elternteil haben, stammte die Hälfte aus Nachbarländern Deutschlands und die andere Hälfte aus EU-Mitgliedsstaaten, hieß es weiter. Besonders diskriminierte Gruppen, wie etwa Schwarze oder Muslime, seien überhaupt nicht vertreten gewesen. Auch aus den größten Einwanderergruppen (türkisch, polnisch, russischsprachig) habe es keinen Vertreter gegeben.

Minderheiten "vollständig außen vor"

"Vielen deutschen Medien droht, dass sie den Anschluss an die Realität in Deutschland verlieren. Schon heute hat in vielen Großstädten die Mehrheit der eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund", sagte NdM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz. Der Anteil der Menschen mit einem Migrationshintergrund liegt den Angaben zufolge in Deutschland bei rund 25 Prozent. Das heißt, sie selbst oder mindestens ein Elternteil sind nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren worden. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen sind ein Zusammenschluss von Journalisten mit und ohne Migrationsgeschichte.

Befragt wurden Nachrichtenmagazine, überregionale Zeitungen mit einer Auflage von mehr als 60.000 und regionale Zeitungen mit einer Auflage von mehr als 80.000 Exemplaren; außerdem journalistische Online-Medien mit mehr als zwanzig Millionen Besuchen im Monat, öffentlich-rechtliche Hörfunk- und Fernsehsender sowie private Fernsehsender mit journalistischem Angebot, die per Antenne zu empfangen sind.

Die Autoren der Studie sprechen von einer erstaunlichen Homogenität bei den Chefredakteuren in deutschen Massenmedien angesichts einer Gesellschaft, "die sich seit mindestens zwei Jahrzehnten auch offiziell als Einwanderungsland versteht". Sichtbare Minderheiten seien "vollständig außen vor".

Positives Gegenbeispiel

Kritik gibt es auch an der fehlenden Erfassung des Migrationshintergrundes der Mitarbeiter in den Redaktionen. Dies sei entgegen mancher Aussage durchaus mit dem Datenschutz vereinbar, hieß es vonseiten der Autoren der Studie. Mit Ausnahme der Nachrichtenagentur Thomson Reuters konnten alle Befragten keine statistischen Angaben über ihre Mitarbeiter machen.

Als positives Gegenbeispiel führen die Autoren die britische BBC an. Dort gebe es entsprechende Quoten für Redaktionen und auch für alle, die auf dem Bildschirm zu sehen oder im Radio zu hören sind. Für 2020 habe sich die BBC vorgenommen, auch ihre Leitungsebene zu mindestens 15 Prozent mit Angehörigen ethnischer Minderheiten zu besetzen.

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