Kardinal Pell wurde in seiner australischen Heimat von Missbrauchsvorwürfen freigesprochen und aus der Haft entlassen. Die Beweislage spreche nicht zweifelsfrei für die Schuld des Angeklagten, so das Gericht. Der Vatikan reagierte erleichtert.
07.04.2020

Der Ex-Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, ist in seiner Heimat vom Vorwurf freigesprochen worden, in den 90er Jahren zwei Jungen missbraucht zu haben. Der ehemalige Erzbischof von Sydney wurde nach Angaben der offiziellen Internetseite "Vaticannews" vom Dienstag zufolge umgehend aus der Haft entlassen.

Der Vatikan reagierte mit Erleichterung auf die Freilassung des 78-jährigen Kardinals. Der Heilige Stuhl habe stets Vertrauen in die australische Justiz gehegt, betonte der Vatikan, nachdem das Oberste Gericht von Australien das Missbrauchsurteil gekippt hatte. Der Heilige Stuhl begrüßte, dass die Richter dem Berufungsantrag stattgegeben hatten. Gleichzeitig bekräftigte er den Willen, "jede Form von Missbrauch gegenüber Minderjährigen vorzubeugen" und diese zu ahnden.

Zeugenaussagen nicht berücksichtigt

Pell kam unmittelbar nach dem Gerichtsentscheid auf freien Fuß. Pell saß mehr als ein Jahr in Haft. "Ich habe stets meine Unschuld beteuert, während ich unter einer schweren Ungerechtigkeit litt", erklärte Pell nach dem Gerichtsbeschluss.

Das Oberste Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass entlastende Zeugenaussagen bei der Verurteilung Pells nicht berücksichtigt worden seien. Es sei möglich, dass in diesem Fall ein unschuldiger Mensch verurteilt worden sei.

Der Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats war im Dezember 2018 von einem Geschworenengericht wegen Missbrauchs zweier Jungen schuldig gesprochen. Im März 2019 wurde das Strafmaß auf sechs Jahre Haft festgesetzt. Der Missbrauch an zwei Chorknaben im Alter von zwölf und 13 Jahren habe sich in Pells Zeit als Erzbischof von Melbourne Ende der 1990er Jahre ereignet, hieß es.

Berufungsantrag vorerst abgelehnt

Die Verurteilung beruhte im Wesentlichen auf den Aussagen eines mutmaßlichen Opfers. Ein erster Berufungsantrag Pells war im August 2019 abgelehnt worden.

Der Vorsitzende der Australischen Bischofskonferenz, Mark Coleridge, gestand ein, dass die Gerichtsentscheidung für viele Menschen niederschmetternd sein werde, während sie für diejenigen, die von Pells Unschuld überzeugt seien, mit Erleichterung aufgenommen würde.

Pells Nachfolger als Erzbischof von Sydney, Anthony Fisher, betonte, der Fall mache die Notwendigkeit deutlich, das Justizsystem, den Umgang mit der Unschuldsvermutung und Anklagen gegen prominente Persönlichkeiten zu hinterfragen. Opfern widerfahre durch falsche Verurteilungen nicht Gerechtigkeit.

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