Die Bonner Theologieprofessorin Cornelia Richter (Archivbild)
epd-bild/Hanno Gutmann
Religion könne sowohl krank machen als auch in schweren Phasen stabilisierend wirken, sagt die Theologieprofessorin Cornelia Richter im Gespräch mit dem epd.
28.10.2019

Religion kann nach Einschätzung der Wissenschaftlerin Cornelia Richter die psychische Widerstandskraft unterstützen, aber auch hemmen. "Resilienz ist keine Frage der Konfession oder der Religion", sagte die Theologin der Uni Bonn dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es komme in allen Religionen und spirituellen Praktiken auf verschiedene Faktoren an. "In der Theologie wissen wir, dass Religion sowohl krank machen als auch in schweren Phasen stabilisierend wirken kann."

Führe eine Religion dazu, dass ein Mensch beispielsweise in der Hektik des Alltags innehalte, sich von Gott getragen und sich für seine Mitmenschen verantwortlich fühle, könne sie die Resilienz positiv beeinflussen. "Wenn eine Religion aber dazu führt, dass Menschen einander nur ihre Sünden vorhalten oder sich als besonders Auserwählte anderen überlegen fühlen, dann ist es natürlich vorbei", erläuterte die Professorin für evangelische Theologie.

Art des Glaubens werde bisher nicht erfasst

Bisher komme die Resilienz-Forschung zu dem allgemeinen Ergebnis, dass Religion und Spiritualität wichtig seien - aber die Art des Glaubens werde nicht erfasst. Diese Forschungslücke wollen Richter und ihr Team schließen, darunter katholische und evangelische Theologinnen, ein Philosoph, ein Palliativmediziner und eine Psychotherapeutin. Sie untersuchen, wie etwa die christliche und jüdische Tradition und Formen der Spiritualität wie die Achtsamkeit den Umgang mit Lebenskrisen - zum Beispiel den Tod eines Angehörigen - beeinflussen.

Resilienz könne sich etwa im Gebet zeigen - einem sowohl passiven als auch aktiven Akt. "Im Gebet tue ich etwas, aber ich tue es, indem ich das, was mich bedrückt, an Gott oder eine höhere Macht abgebe", erläuterte Richter. Dabei komme es auf das Gebetsverständnis an. Manche Menschen glaubten, ein Gebet wirke wie Magie - und reagierten dann erschüttert oder frustriert, wenn es nicht die erhoffe Wirkung entfalte. "Deshalb gibt es sowohl krank machende als auch sehr stärkende Formen von Gebet", erklärte Richter.

Kein Konzept eines neoliberalen Leistungskatalogs

"Es geht bei Resilienz um die Fähigkeit einzelner Menschen, schwere Krisensituationen psychisch und körperlich vergleichsweise stabil zu bewältigen", erläuterte die Theologin. Häufig stelle die Forschung die Krise als etwas dar, das möglichst schnell überwunden werden müsse. Resilienz sei aber kein Konzept eines neoliberalen Leistungskatalogs. Sondern "entscheidend ist, ob und wie man die Krise in das eigene Leben zu integrieren lernt." Dabei spielten auch die Beziehungen zu anderen Menschen und die jeweilige Lebenssituation eine Rolle: Findet der Betroffene Worte für seine Krise und kann er sie in Einklang bringen mit seinen Gefühlen?

Erste Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts sollen im Herbst 2020 vorliegen. Bis 2022 betreiben vier Teilprojekte Grundlagenforschung, vier weitere arbeiten empirisch. Dafür werden unter anderem Patienten in Kliniken, Ärzte und Therapeuten, Pflegepersonal, Angehörige und Trauernde befragt.

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