Proteste vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin gegen den Prozess gegen die Frauenärztinnen
epd-bild/Christian Ditsch
Erstmals seit der Reform des Strafrechtsparagrafen 219a sind zwei Ärztinnen in Deutschland wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt worden. Die Verteidigung hält das Gesetz für verfassungswidrig.
14.06.2019

Das Berliner Amtsgericht Tiergarten hat zwei Frauenärztinnen wegen illegaler Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu jeweils 2.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Durch das Angebot eines "medikamentösen, narkosefreien" Schwangerschaftsabbruchs "in geschützter Atmosphäre" auf der Internetseite der Gemeinschaftspraxis hätten die beiden Ärztinnen gegen den Strafrechtsparagrafen 219a verstoßen, sagte Richterin Christine Mathiak am Freitag. Es war der erste Prozess seit der Reform des umstrittenen Paragrafen. Er verbietet unter anderem die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zum eigenen Vermögensvorteil. (Az: 253 Ds 143/18)

Berufung möglich

Die Verteidiger der beiden Ärztinnen hatten auf Freispruch plädiert. Sie sehen durch das Gesetz unter anderem die Berufs- und Meinungsfreiheit der beiden Medizinerinnen beeinträchtigt. Die verurteilte Ärztin Bettina Gaber zeigte sich nach dem Urteil "total enttäuscht", kündigte aber an: "Wir machen weiter, sonst hat das Ganze keinen Sinn." Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Berufung oder Revision eingelegt werden. Der Prozess wurde vor dem Gerichtsgebäude von Protesten von Frauenrechtlerinnen gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen begleitet.

Der Bundestag hatte nach langem Ringen im Februar eine Reform des Gesetzes und damit eine Lockerung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Danach ist es jetzt Ärztinnen und Ärzten erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen, etwa über Methoden, müssen sie aber an dafür befugte Stellen verweisen, hieß es zur Urteilsbegründung.

Verurteilung nach neuem Gesetz

Eine bundesweite Debatte um den Paragrafen hatte sich an Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel im November 2017 entzündet. Hänel war zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Der Fall liegt zur Revision beim Oberlandesgericht Frankfurt.

In dem Berliner Fall wurden die beiden Ärztinnen angeklagt, weil sie zwischen Februar und Juli 2018 "nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wie des Schwangerschaftsabbruchs informiert hätten", so das Gericht. Dies sei auch nach der Reform des Paragrafen 219a weiterhin strafbar und deshalb zu ahnden. Die beiden Angeklagten wurden nach dem neuen, für sie milderen Gesetz verurteilt, obwohl zum Zeitpunkt der Strafanzeige noch eine andere Rechtslage galt.

Verteidiger fordern Abschaffung von §219a

Laut Urteil hat der Gesetzgeber die Aufgabe der Information über die Arten und Umstände eines Schwangerschaftsabbruchs an die zuständigen Behörden, die Ärztekammern und Beratungsstellen delegiert. Ärzte hingegen dürften nur grundsätzlich darauf hinweisen, dass sie Abbrüche durchführen.

Die Verteidiger kritisierten, dass entgegen dem Willen des Gesetzgebers Patientinnen oftmals bei den zuständigen Stellen keine Information fänden. Zugleich forderten sie die Politik zur Abschaffung der ihrer Ansicht nach verfassungswidrigen Strafnorm auf.

Ungeachtet der Anklage stand bis Freitag weiter auf der Homepage der beiden verurteilten Ärztinnen: "Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber." Hingegen fehlt jetzt der im vergangenen Jahr noch zu lesende Zusatz "in geschützter Atmosphäre". Angeklagt wurden die beiden Medizinerinnen aufgrund einer Anzeige, die sich noch auf die alte Formulierung bezog. Gaber und ihre Kollegin in der Gemeinschaftspraxis, Verena Weyer, die selbst keine Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, wurden zu jeweils 20 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Das Gericht sah bei Weyer eine Mittäterschaft gegeben.

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