Für die Schriftstellerin Zsuzsa Bánk kann Literatur den Blick auf das Unsichtbare lenken. "Das Leben ist ja nicht nur aus den Dingen gebaut, die wir sehen", sagt die 53-Jährige, die derzeit mit ihrer Erzählung "Weihnachtshaus" auf Lesetour ist.
27.11.2018

"Was dem normalen Blick verloren geht, bekommt in der Erzählung Raum", sagt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im "Weihnachtshaus" wird die Geschichte zweier Freundinnen erzählt, die gemeinsam ein Café betreiben und ein verfallenes Haus im Odenwald kaufen, um es wieder bewohnbar zu machen, dort schließlich Weihnachten zu feiern und einen Moment der Transzendenz zu erfahren.

Freundschaften seien in ihren Büchern oft "Schicksalsgemeinschaften", "eine Art praktischer Selbsthilfegruppe", sagt die Frankfurter Autorin mit ungarischen Wurzeln. Die Lilli im Buch werde früh Mutter und von der Ich-Erzählerin unterstützt. Später, als deren Mann Clemens stirbt, "kehrt sich das um"; Lilli helfe der Freundin mit ihrer patenten Art den Schmerz auszuhalten. Auch für sie selbst sei Freundschaft eine "Essenz" des Lebens, "ohne sie geht es nicht", sagt Zsuzsa Bánk. Reale Vorbilder für ihre Figuren gebe es allerdings nicht; sie seien Erfindungen. Es gebe höchstens "Miniaturen aus dem echten Leben".

Fiktive Geschichten

Dennoch gingen ihren fiktiven Geschichten detaillierte Recherchen voraus, betont sie: Für den 2017 erschienenen E-Mail-Roman "Schlafen werden wir später" habe sie intensiv etwa zu Annette von Droste-Hülshoff im Literaturarchiv Marbach oder zur Botanik im Schwarzwald recherchiert, da eine der Protagonistinnen, Johanna, über die Droste promoviert und im "schwarzen Wald" lebt. Für das "Weihnachtshaus" durchstreifte Zsuzsa Bánk Madrid, wo Lilli als junge Fotografin arbeitete, oder überprüfte genau die Blickachsen, die sich an bestimmten Orten in Frankfurt ergeben.

Geschichte intensiver Freundschaft

Mit "weiblichem Schreiben" habe ihr Blick auf die Welt aber eher wenig zu tun, findet Zsuzsa Bánk, deren Briefroman - ebenfalls eine Geschichte intensiver Freundschaft - von der "Zeit" (17/2017) als Erkundung weiblicher Befindlichkeiten gefeiert und von anderen Kritikern als sentimental und kitschig kritisiert wurde. Sie denke nicht, dass es Geschlechtsunterschiede gebe im Ausdrücken von Emotionen: Es gebe spröde, fühllose Frauen und einfühlsame Männer. In früheren Zeiten hätten Männer Empfindungen durchaus zum Ausdruck bringen können. "Männer konnten ihre Seele in Briefe legen", das habe sich später anders entwickelt, erinnert Bánk an die literarischen Epochen der Empfindsamkeit und der Romantik. Für sich hält sie lakonisch fest: "Ich bin eine Frau, also schreibe ich aus der Perspektive einer Frau."

Im "Weihnachtshaus" - obgleich eine zuversichtlichen Geschichte - ist auch das Thema des Abschieds und der Trauer stets präsent. "Es läuft immer mit", wie Bánk sagt. "Es geht um Risse, Einschnitte und die Frage, wie geht es danach weiter, wie legen wir unser Trauma ab." Die Zeit spiele dabei eine Rolle, aber auch die "Angebote, die wir bekommen und annehmen", sagt die Autorin. Die Frauen in der Erzählung nähmen sie wahr.

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