Die wenigsten Flüchtlinge erhalten derzeit Schutz nach Artikel 16a des Grundgesetzes.
epd-bild/Christian Ditsch
"Würde man den Artikel 16a aus dem Grundgesetz streichen, würde man ihm ein Stück seiner Identität nehmen", sagt der Frankfurter Verfassungsrechtler Günter Frankenberg.
23.11.2018

Der Frankfurter Verfassungsrechtler Günter Frankenberg fordert, das im Grundgesetz garantierte Recht auf Asyl für politisch Verfolgte in der Praxis wieder zu stärken. Das deutsche Asylrecht sei derzeit stark durch die europäischen Regeln und das Völkerrecht bestimmt. "Die Asylgarantie, wie sie jetzt im Artikel 16a steht, gibt in der Praxis nicht mehr so viel her", sagte der Frankfurter Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag. Im Artikel 16a des Grundgesetzes heißt es "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Wenn man den Begriff der "Verfolgung" erweitere, könne man den Artikel in der Praxis auch wieder stärken.

Die wenigsten Flüchtlinge erhielten derzeit in Deutschland Schutz nach Artikel 16a des Grundgesetzes, erläuterte der Jurist. Die aktuelle Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zeigt, dass im Jahr 2018 zwischen Januar und Oktober lediglich 2.400 Menschen Asyl erhielten. Das entsprach 1,3 Prozent der Schutzsuchenden. Etwa 33.500 Menschen wurden als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Rund 21.500 Asylsuchende erhielten den sogenannten subsidiären Schutzstatus.

Merz hat Debatte angestoßen

Der CDU-Politiker Friedrich Merz, der im Dezember für den CDU-Parteivorsitz kandidiert, hatte mit einer Äußerung über das individuelle Recht auf Asyl in der deutschen Verfassung eine Debatte ausgelöst. Seiner Meinung nach muss das deutsche Asylrecht hinter eine gemeinsame europäische Regelung zurücktreten. Er stelle das Grundrecht auf Asyl nicht infrage, schrieb er am Donnerstag auf Twitter, für ihn stehe aber fest, dass Themen wie Einwanderung, Migration und Asyl nur in einem europäischen Kontext zu lösen seien.

Juraprofessor Frankenberg erklärte, tatsächlich sei das deutsche Asylrecht bereits seit 1993 hauptsächlich von völkerrechtlichen Bestimmungen wie der Genfer Flüchtlingskonvention geprägt. Alle Länder der Europäischen Union hätten den Vertrag unterzeichnet. Die Anwendung sehe in den einzelnen Staaten jedoch unterschiedlich aus. Einklagbar sei das Recht auf Asyl aber überall.

"Würde man den Artikel 16a aus dem Grundgesetz streichen, würde man ihm ein Stück seiner Identität nehmen", sagte Frankenberg. "Normen haben über ihre institutionelle Bedeutung hinaus eine Funktion. Der Artikel erinnert an das, was Deutschland Menschen schuldet." Er sei ein Zeichen dafür, dass Deutschland sich seiner Geschichte stelle. Zudem sei für eine Änderung des Grundgesetz eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Bei der derzeitigen politischen Konstellation sei diese eher unwahrscheinlich.

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