Der Vorsitzende Richter des Landgerichtes Oldenburg, Sebastian Bührmann
epd-bild/Mohssen Assanimoghaddam/dpa-Pool
Am dritten Tag des Oldenburger Mordprozesses hat sich der Angeklagte erneut zu den Mordvorwürfen geäußert. An die Gesichter vieler seiner Opfer könne er sich nicht erinnern, räumte der Ex-Pfleger ein.
22.11.2018

Der wegen 100 Morden vor dem Oldenburger Landgericht angeklagte Ex-Krankenpfleger Niels Högel hat sich zu Beginn des dritten Verhandlungstages bei den Angehörigen seiner Opfer entschuldigt. Wenn er die Fotos derjenigen sehe, die durch ihn ihr Leben verloren haben, löse dies bei ihm heute Traurigkeit und Leid aus, sagte er am Donnerstag. "Ich kann nichts wieder gutmachen. Ich entschuldige mich in aller Form." Er beteuerte, dass er allen Angehörigen eine Antwort auf ihre Fragen geben wolle.

Wie bereits am Vortag befragte Richter Sebastian Bührmann den Angeklagten in der Weser-Ems-Halle zu einzelnen Fällen. Dabei stand zunächst ein Wochenende im Fokus, an dem auf der herzchirurgischen Intensivstation der Oldenburger Klinik besonders viele Menschen reanimiert werden mussten. Nach Högels Erinnerungen waren es fünf oder sechs in einer Nacht. Bührmann sagte, im polizeilichen Vernehmungsprotokoll sei die Nacht vom 14. auf den 15. September 2001 "reißerisch" als "Nacht der Reanimation" bezeichnet worden. (AZ: 5Ks 1/18)

Högel hat keine Erinnerung

Der Richter befragte Högel zu drei Todesfällen in dieser Nacht. Er erinnerte sich, zwei Männern Ajmalin, ein Medikament zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen, verabreicht zu haben. An den dritten habe er keine Erinnerung, sagte Högel. Er könne aber nicht ausschließen, auch diesen absichtlich in Todesgefahr gebracht zu haben.

Bis zum Mittag befragte Bührmann den 41-Jährigen zu insgesamt 14 Fällen. An neun "Manipulationen" konnte sich Högel erinnern, bei einem weiteren Mann, der Ende September 2001 starb, sei er sicher, dass er nichts getan habe. Zu den weiteren vier Patienten fehle ihm jede Erinnerung. Allerdings wollte er erneut nicht ausschließen, für ihren Tod verantwortlich zu sein. Am Mittwoch waren bereits 26 Fälle verhandelt worden. In 14 Fällen räumte Högel dabei ein, an Patienten "manipuliert" zu haben. In einem schloss er es aus. Wegen sechs weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.

"Mehr auf Monitore als auf Menschen geachtet"

Högel sagte, er erinnere sich vor allem an die Krankengeschichten seiner Opfer, dagegen kaum bis gar nicht an ihre Gesichter. Er habe mehr auf die Überwachungsmonitore als auf die Menschen geachtet. Durch Schläuche, Verbände und Katheter hätten sich alle Gesichter geähnelt. "Für mich war die Technik wichtiger als der Mensch." Als zwei Anwälte dem Angeklagten Fotos von seinen mutmaßlichen Opfern vorlegen lassen, schüttelte der nur mit dem Kopf: "Nein - keine Erinnerung."

Bei der Befragung wurde deutlich, dass in Oldenburg Ärzte und Kollegen misstrauisch wurden. Ein Arzt habe bei ihm in einer Pause eine aufgezogene Spritze in der Kitteltasche entdeckt und einige Tropfen ihres Inhalts auf seiner Brille verrieben. "Wäre es Kalium gewesen, hätten sich weiße Rückstände gebildet", erläuterte Högel. Doch in diesem Fall sei es lediglich eine Kochsalzlösung zum Spülen der Katheterschläuche gewesen.

Högel soll zwischen 2000 und 2005 insgesamt 100 Patienten in Oldenburg und Delmenhorst getötet haben. Laut Anklage hat er ihnen Medikamente verabreicht, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend wiederzubeleben und damit als Retter dazustehen.

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