Ein gratis angebotenes Produkt sei "in Wirklichkeit niemals umsonst", so Keen.
epd-bild / Norbert Neetz
Mehr Kooperationen, mehr Innovationen: Das war der zentrale Appell beim Eröffnungsgipfel der 32. Medientage München. Viel Beachtung fand auch Autor Andrew Keen, der Internetnutzern empfahl, ihre Interessen bei Großkonzernen lauter zu artikulieren.
24.10.2018

Der bayerische Medienminister Georg Eisenreich wünscht sich in Deutschland mehr Tempo, um die digitale Transformation der Gesellschaft voranzutreiben. "Der deutsche Perfektionismus ist in der digitalen Welt eine Schwäche", sagte der CSU-Politiker am Mittwoch bei den Medientagen München. Es seien auch mehr Kooperationen und mehr Vernetzung erforderlich. Voraussetzung sei, dass der Gesetzgeber Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb schaffe. Auch andere Teilnehmer des Eröffnungsgipfels plädierten für mehr Zusammenarbeit.

Der neue ProSiebenSat.1-Vorstandschef Max Conze sagte, Medienunternehmen müssten "mehr gemeinsam machen". Sie könnten sich dabei auch von neuen Technologien beispielsweise aus China anspornen lassen. Für seinen Konzern kündigte Conze an, mehr in deutsche Inhalte zu investieren - "auch in News und Infotainment". Conze setzte sich damit von seinem Vorgänger Thomas Ebeling ab, der gesagt hatte, Nachrichten bei Privatsendern seien zwar für das Image bei Politikern wichtig, aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern.

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm warb erneut für seine seit längerem bekannte Idee einer europäischen Internetplattform, die nach "europäischen Werten" gestaltet sei und ein Gegenstück zu US-Angeboten wie Youtube sein könne. Mitwirken könnten neben öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern auch Verlage oder kulturelle Institutionen. Der Anstoß dazu müsse allerdings aus der Politik kommen.

"Aggressiver und fordernder auftreten"

Wenn sich die Politik gegen diese Idee entscheide, könnten Journalisten aber auch von sich aus viel tun, um Glaubwürdigkeit aufzubauen, betonte Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR) ist. Wichtig sei etwa, den Wert von "kuratierten Angeboten" deutlich zu machen, die nach anerkannten journalistischen Kriterien hergestellt werden.

Der Autor und Digitalexperte Andrew Keen forderte die Internetnutzer in einer Keynote auf, ihre Interessen gegenüber großen Technologiekonzernen wie Facebook deutlicher zu artikulieren. "Die Nutzer müssen aggressiver und fordernder auftreten", sagte er. Dazu müssten sie verstehen, das ein gratis angebotenes Produkt "in Wirklichkeit niemals umsonst ist", weil im Zweifel mit persönlichen Daten gezahlt werde.

Die große Versprechen des Internets seien mehr Transparenz, Partizipation und Kommunikation gewesen, so Keen. Die Realität sehe anders aus: "Google, Youtube und Instagram machen den Nutzer zum Produkt und zerstören seine Privatsphäre." Zudem verbreiteten sich Fake News rasant. "Die sogenannten sozialen Medien sind alles andere als sozial", sagte Keen.

Empathie und Kreativität

Keen, dessen Buch "How to fix the future - Fünf Reparaturvorschläge für eine menschlichere digitale Welt" kürzlich erschienen ist, mahnte auch eine bessere Regulierung der großen Internetfirmen an. Nötig sei zudem ein neues Bildungssystem, sagte der britisch-amerikanische Autor. Dieses könnte zum Beispiel Elemente aus der Waldorf-Pädagogik aufnehmen, die auf Empathie und Kreativität setze.

Die Medientage München stehen in diesem Jahr unter dem Motto "Engage! Shaping Media Tech Society". Veranstalter ist eine Tochtergesellschaft der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), eine Förderung kommt von der Bayerischen Staatskanzlei. Der Kongress endet am Freitag.

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