Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer Anfang September auf einer Kundgebung gegen Fremdenhass in Chemnitz (links neben ihm Landesbischof Carsten Rentzing)
epd-bild/Wolfgang Schmidt
In diesem Jahr häufen sich Berichte über Angriffe auf Medienvertreter - in Deutschland. Der internationale Schriftstellerverband PEN zeigt sich in einer Resolution besorgt und appelliert an die deutschen Behörden, Journalisten besser zu schützen.
01.10.2018

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht Journalisten stärker gefährdet als noch vor wenigen Jahren. "Ich bin gerne zu der Aussage bereit, dass wir mit den Erfahrungen aus Chemnitz und Köthen Journalisten noch mehr schützen müssen", sagte Kretschmer der Branchenzeitschrift "Journalist" (Oktober-Ausgabe). "Aber ich will auch daran anschließen: Ich bin mir ganz sicher, dass die sächsische Polizei das genauso sieht", betonte er. Auch der internationale Schriftstellerverband PEN äußerte sich besorgt über zunehmende Gewalt gegen Medienvertreter in Deutschland.

Vorwürfe gegen die Polizei

Es gelte "Nulltoleranz" bei jedem Angriff auf Journalisten, sagte Kretschmer. In den ostdeutschen Städten Köthen und Chemnitz hatte es in den vergangenen Wochen nach Gewalttaten, an denen mutmaßlich Asylbewerber beteiligt waren, Demonstrationen und Ausschreitungen rechter Gruppen gegeben. Dabei kam es auch zu Übergriffen auf Medienvertreter. Journalistenverbände hatten daraufhin der Polizei vorgeworfen, nicht genug für den Schutz der Journalisten zu unternehmen.

Kretschmer kritisierte erneut die Berichterstattung über Chemnitz von Journalisten, die nicht aus der Region stammen. "Man muss ja den Kollegen, die vor Ort sind und die ganze Geschichte erlebt haben, mehr vertrauen als jemandem, der vielleicht in Berlin oder Hamburg sitzt oder mal eben vorbeigefahren kommt und dann etwas aufschreibt", sagte er.

Der Ministerpräsident bekräftigte zudem seine Kritik an einem ZDF-Team, das Mitte August am Rande einer "Pegida"-Demonstration in Dresden von der Polizei aufgehalten worden war. Kretschmer hatte die Polizisten nach dem Vorfall via Twitter in Schutz genommen und die Journalisten indirekt als unseriös bezeichnet.

"Recht auf freie Berichterstattung wirkungsvoll schützen"

"Bei einer Anzeige erfolgt logisch die Identitätsfeststellung. Das geht schnell, wenn die Beteiligen mitwirken", sagte Kretschmer nun dem "Journalist". Die Dresdner Polizei habe den Einsatz selbstkritisch bewertet. "Diese selbstkritische Reflexion hätte ich mir auch vom ZDF gewünscht", betonte er. Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar hatte nach dem Vorfall Fehler eingeräumt.

Die Autorenvereinigung PEN hat bei ihrer Mitgliederversammlung im indischen Pune eine Resolution zu den Übergriffen auf Journalisten und fremdenfeindlichen Kundgebungen verabschiedet, wie das deutsche PEN-Zentrum am Montag mitteilte. Die Vertreter von rund 90 auf dem Kongress vertretenen nationalen PEN-Zentren appellierten angesichts der Ereignisse in Chemnitz an die deutschen Behörden, "das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf freie Berichterstattung wirkungsvoll zu schützen, die strafrechtlich relevanten Übergriffe aufzuklären und zu ahnden, sowie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden zu bekämpfen".

22 tätliche Übergriffe auf Journalisten

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" rechnet damit, dass die Zahl gewalttätiger Angriffe auf Medienvertreter 2018 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen ist. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit gab es bis Mitte September bereits 22 tätliche Übergriffe auf Journalisten.

Ein pressefeindlicher Facebook-Post der AfD-Kreistagsfraktion im hessischen Hochtaunuskreis beschäftigt unterdessen weiter die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Mehrere Anzeigen würden derzeit noch geprüft, sagte ein Sprecher der Strafverfolgungsbehörde dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Chemnitz hieß es in dem Post von Ende August unter anderem: "Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt ist es zu spät!". Später löschte die Fraktion diese Sätze wieder.

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