Eine Reihe von Bischöfen dringt auf rasche Aufklärung des Missbrauchsskandals und Veränderung in der katholischen Kirche. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, erwartet einen "schmerzvollen Prozess".
18.09.2018

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz kommt offenbar der Forderung nach, die Studie zu sexuellem Missbrauch durch katholische Kleriker umgehend allen Bischöfen zur Verfügung zu stellen. Die Untersuchung sei inzwischen auf dem Postweg zu den Bischöfen, sagte ein Sprecher der Bischofskonferenz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag). Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte am Vortag kritisiert, dass die im Auftrag der Bischofskonferenz erstellte Studie einzelnen Medien vorliege, nicht aber den Bischöfen. Er forderte, sie müsse "jetzt und sofort" allen Bischöfen zugänglich gemacht werden.

Die Deutsche Bischofskonferenz will die von Wissenschaftlern aus Mannheim, Heidelberg und Gießen erstellte Untersuchung, die sogenannte MHG-Studie, am Dienstag kommender Woche in Fulda vorstellen. Zuvor hatten das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und die Wochenzeitung "Die Zeit" erste Zahlen daraus veröffentlicht. Danach sollen sich zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 Kleriker an 3.677 überwiegend männlichen Minderjährigen vergangen haben.

"Aufdeckung von Machtstrukturen"

Mehrere Bischöfe gingen mittlerweile selbst mit Zahlen zum Missbrauch in ihren Bistümern an die Öffentlichkeit, so etwa das Bistum Osnabrück, das für die Zeit zwischen 1945 und 2015 nach eigenen Angaben 68 Opfer von Missbrauch durch 35 Geistliche ermittelte, wie es in einem Brief des Generalvikars Theo Paul an die Mitarbeiter des Bistums heißt.

Paul erinnerte daran, dass der derzeit erkrankte Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode schon 2010 die Fälle von Missbrauch in der katholischen Kirche mit den Worten quittiert habe, er sei "erschüttert und beschämt". Bode habe damals als einziger der deutschen Bischöfe in einem Bußgottesdienst um Vergebung gebeten. Die Aufarbeitung des Missbrauchs der Kirche stehe erst am Anfang, schrieb Paul. "Ein besonders Augenmerk gilt dabei der Aufdeckung von Machtstrukturen, die Missbrauch begünstigen."

Auch das Bistum Rottenburg-Stuttgart veröffentlichte bereits eigene Zahlen. Bischof Gebhard Fürst zufolge sind dem Bistum 72 Priester und Diakone bekannt, die des Missbrauchs an Minderjährigen beschuldigt werden. 45 von ihnen seien bereits verstorben. Die 2002 von Fürst eingerichtete "Kommission sexueller Missbrauch" in der Diözese untersucht seit 16 Jahren bislang 146 Vorwürfe Betroffener. Trotz einer akribischen Aufarbeitung dürfe man mit der Bilanz keinesfalls zufrieden sein. Der Missbrauch an Schutzbefohlenen sei immer auch eine Anfrage an die Strukturen der Kirche, sagte Fürst.

"Kritik als Ermutigung"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, warnte in einem Gottesdienst in München davor, Kritik am Umgang mit dem Thema beiseite zu schieben. "Wir sollten Kritik als Ermutigung begreifen, diese Aufgabe anzupacken", sagte er. Die Verantwortlichen in der Kirche müssten "hinschauen, hören und Konsequenzen ziehen", unterstrich er. "Das wird ein schmerzvoller Prozess."

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff erwartet, dass es durch die Aufarbeitung in der katholischen Kirche "zu einer Läuterung kommt". Das öffentliche Verurteilen und gründliche Aufarbeiten werde künftigen Missbrauch hoffentlich einschränken, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

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