Der Staatstrojaner beschäftigt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
epd-bild / Norbert Neetz
Seit einem Jahr dürfen Ermittler zur Aufklärung von Straftaten Spähsoftware auf Computern und Handys installieren. Bürgerrechtler sehen darin einen Verstoß gegen die Grundrechte. Beim Verfassungsgericht liegt nun eine weitere Beschwerde dagegen vor.
24.08.2018

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat beim Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde gegen den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern auf den Weg gebracht. Wie die Initiative am Freitag in Berlin erklärte, gibt es fünf Beschwerdeführer. Darunter ist der in Deutschland im Exil lebende türkische Journalist Can Dündar, der ARD-Dopingexperte und Investigativjournalist Hajo Seppelt und der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Zuvor hatten bereits führende FDP-Politiker und die Datenschutz- und Grundrechteorganisation Digitalcourage vor dem höchsten deutschen Gericht Beschwerde eingelegt.

Die 86-seitige Klageschrift wurde laut GFF am Mittwoch in Karlsruhe eingereicht. Sie richtet sich gegen die vor einem Jahr eingeführte Änderung der Strafprozessordnung. Diese erlaubt es Ermittlungsbehörden, Spähsoftware auf den Rechnern Verdächtiger zu platzieren. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Staatstrojaner auch bei unbeteiligten Dritten eingesetzt werden. Um die Software einzuschleusen, benutzten die Behörden auch Sicherheitslücken in Software und Hardware, die den Herstellern noch unbekannt sind. Die Bundesregierung verletze daher ihre staatliche IT-Schutzpflicht, wonach der Staat Hersteller umgehend über Sicherheitslücken informieren müsse, warnte die GFF.

Cyberkriminelle könnten Lücken nutzen

Diese Sicherheitslücken könnten neben den Ermittlern auch Cyberkriminelle oder fremde Geheimdienste nutzen, warnte der Vorsitzende der Gesellschaft, Ulf Buermeyer. "Das heißt also, der Staat hat ein großes Interesse daran, dass alle Mobilfunkgeräte, alle Computer unsicher sind, dass Sicherheitslücken nicht geschlossen werden, um gelegentlich einmal einen Staatstrojaner einsetzen zu können", sagte Buermeyer im Radiosender SWR2.

Die staatliche Spähsoftware könne im Grunde alles erschnüffeln, was sich in einem Computer oder Handy abspielt. "Wenn man sein Mobilfunkgerät beispielsweise als einen ausgelagerten Teil des Gehirns betrachtet, in dem man von Banalitäten bis zu intimsten Gedanken alles gespeichert hat, dann kann der Staat auf all das zugreifen, und das auch über einen längeren Zeitraum", betonte Buermeyer.

Die Beschwerdeführer sehen durch die Reform der Strafprozessordnung das sogenannte Computergrundrecht verletzt. Das Verfassungsgericht hatte dieses Grundrecht in einem Urteil im Jahr 2008 entwickelt. Die Karlsruher Richter knüpften Online-Durchsuchungen darin an strenge Auflagen. Computer seien mit Blick auf die Menschenwürde und Entfaltung der Persönlichkeit inzwischen ein "elementarer Lebensraum", erklärte das Gericht damals.

Auch Journalisten unter den Beschwerdeführern

Die beiden Journalisten Can Dündar und Hajo Seppelt seien schon wiederholt Ziel von Hackerangriffen gewesen und stark gefährdet, betonte die GFF. Dasselbe gelte für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Notz, der Mitglied des geheim tagenden parlamentarischen Kontrollgremiums ist. Das Bundestagsgremium beaufsichtigt die Nachrichtendienste des Bundes.

Neben Dündar, Seppelt und Notz zählen der Berliner Rechtsanwalt Stefan Conen und seine Mitarbeiterin Sina Mika zu den Beschwerdeführern. Der Einsatz der Staatstrojaner gefährde auch die Vertrauensbeziehung zwischen Strafverteidigern und ihren Mandaten, hieß es. Verfasst hat die Beschwerde der Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate. Die GFF koordiniert und finanziert Gerichtsverfahren, die sich gegen staatliche Verletzungen von Grund- und Menschenrechten richten.

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