Yücel im März bei einer Lesung in Berlin
epd-bild/Christian Ditsch
Zum Prozessauftakt gegen Deniz Yücel in Istanbul fordert der Verteidiger des "Welt"-Journalisten einen sofortigen Freispruch. Das Gericht lehnt das ab - und vertagt die Verhandlung auf den 20. Dezember.
28.06.2018

Vier Monate nach der Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft hat in Istanbul der Prozess gegen den "Welt"-Korrespondenten begonnen. Yücels Anwalt Veysel Ok machte in Abwesenheit seines Mandanten den türkischen Polizei- und Justizbehörden zu Beginn des Verhandlungstags schwere Vorwürfe, wie Prozessbeobachter am Donnerstag in sozialen Medien berichteten. Oks Aufruf, Yücel sofort freizusprechen, lehnte das Gericht ab, wie die türkische Nichtregierungsorganisation "Media and Law Studies Association" auf Twitter berichtete. Der nächste Verhandlungstermin wurde demnach auf den 20. Dezember festgesetzt.

Yücel soll nach dem Willen des Gerichts bis dahin auch eine schriftliche Aussage von Deutschland aus abgeben, teilte die Organisation weiter mit. Die von Ok mitgegründete Organisation zitierte den Anwalt auf Twitter mit den Worten: "Kein Strafverfolger oder Richter kann hinterfragen, wie ein Journalist an einer Geschichte arbeitet, in welcher Art er daran arbeitet, wie er sie aufschreibt, wo er seinen Bericht veröffentlicht und mit wem er während seiner Recherche gesprochen hat."

18 Jahre Haft gefordert

Ein Sprecher des Medienkonzerns Axel Springer hatte dem Evangelischen Pressedienst (epd) zuvor bestätigt, dass der 44-jährige Journalist nicht zum Prozessauftakt reisen werde. Die Staatsanwaltschaft fordert für den Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt" 18 Jahre Haft. In der drei Seiten umfassenden Anklageschrift werden ihm unter anderen "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" und "Propaganda für eine Terrororganisation" vorgeworfen.

Der "Welt"-Korrespondent saß von Ende Februar 2017 an im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul in Untersuchungshaft. Nachdem die Staatsanwaltschaft knapp ein Jahr später eine Anklageschrift gegen den Journalisten vorlegte, verfügte ein Gericht seine Freilassung. Yücel konnte nach Deutschland zurückkehren, weil die Richter hatten keine Ausreisesperre verhängt hatten.

Yücel besitzt neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft. Yücel hatte seit 2015 für die "Welt" aus der Türkei berichtet. Er hatte sich in einigen seiner Artikel kritisch über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch im Juli 2016 geäußert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücel in einer Rede als "PKK-Vertreter" und "deutschen Agenten" bezeichnet.

Auch Yücels Anwalt Ok selbst steht in der Türkei vor Gericht. Ihm drohen zwei Jahre Haft, weil er in einem Zeitungsinterview im Jahr 2015 die türkische Justiz beleidigt haben soll. Sein Prozess wird nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" am 4. Juli fortgesetzt.

Massive Repressionen gegen Kritiker

Zudem wird voraussichtlich Ende Juli der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über den Fall Yücel entscheiden. Yücel hatte im April 2017 gegen seine Inhaftierung eine Klage beim EGMR eingereicht, dessen Entscheidungen bindend für die Türkei sind.

Am Mittwoch hatte ein Istanbuler Gericht unterdessen die Freilassung des Journalisten Mehmet Altan angeordnet. Der 65-Jährige war im Februar wegen Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er kommt nun zunächst für die Dauer des Berufungsprozesses aus der Untersuchungshaft frei, in der er seit 21 Monaten saß.

Das türkische Verfassungsgericht hatte bereits im Januar geurteilt, dass Altan durch die monatelange Untersuchungshaft in seinen Rechten verletzt worden sei. Ein Strafgericht hatte sich jedoch zunächst dem Urteil der obersten Instanz widersetzt und die Fortdauer der Haft angeordnet.

Seit dem Putschversuch vor zwei Jahren geht die türkische Führung mit massiven Repressionen gegen Kritiker vor. In der Rangliste der Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 157 von 180 Ländern.

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